Die allgemeine Grundannahme in unserer Gesellschaft ist immer noch, dass Mädchen a) Fremdsprachen besser und leichter lernen und demnach b) darin bessere Noten während ihrer Schulzeit erzielen sowie c) später öfter im Bereich der Fremdsprachenvermittlung arbeiten.
Vor diesem Hintergrund stelle ich wohl eine Art perfekte Inkorporation dieses Klischees dar: Seit Anfang meiner Schullaufbahn habe ich alle Fremdsprachen angewählt, die ich wählen konnte. Erst Englisch, dann Latein, dann Französisch, dann Italienisch. Jetzt studiere ich Englisch und Französisch auf Lehramt. Und ja, das hat mit Sicherheit etwas damit zu tun, dass ich im Unterricht auch immer leicht gute Noten in diesen Fächern erzielt habe – allerdings hatte ich schon in meiner Grundschulzeit ein ausgeprägtes Interesse für andere Sprachen und Kulturen, ich denke also nicht, dass meine Entscheidung, Sprachen zu studieren, das Produkt meiner Erfahrungen in der Schule ist. Das kann ich so allerdings nicht verallgemeinern, denn im Großen und Ganzen gehe ich davon aus, dass der Einfluss des sozialen Umfelds und seiner Vorstellungen prägend für die Fächerwahl der SchülerInnen in der Schule, und damit für die spätere Studienwahl, ist. Und die Folgen dieser Vorstellung, dieser oben geschilderte Grundannahme äußern sich dann beispielsweise in der Zusammensetzung der Klassen: In meiner „Neusprachlerklasse“, in der ab der 6. Klasse Latein als zweite Fremdsprache und ab der 8. Klasse Französisch als 3. Fremdsprache unterrichtet wurde, fand sich in einer Klasse aus 18 Jugendlichen sage und schreibe ein Junge. Und ich muss zugeben, ich bewundere diesen Jungen: Es ist ungewöhnlich, dass in diesem Alter das Interesse über den Gruppenzwang gestellt wird – den Gruppenzwang, der durch die gesellschaftliche Einteilung in Sprachen=Mädchensache und Naturwissenschaften=Jungssache entsteht. Auch die Zusammensetzung der Lehrkräfte zeigte diese Zuordnung. Interessanterweise stellt Englisch hier eine Ausnahme dar, da es an meiner Schule mindestens genau so viele, wenn nicht mehr, Englischlehrer als Englischlehrerinnen gab. Bezüglich des Französischkollegs allerdings war das anders: Auch hier, inmitten der weiblichen Kolleginnen, ein einziger Französischlehrer.
Was ich persönlich interessant finde, ist, dass Englisch und Latein bei den männlichen Mitschülern ein Art „besseren Ruf“ hatte als Französisch: Der Großteil der Jungen entschied sich für Latein anstatt Französisch, und Englisch war sowohl bei Mädchen als bei Jungs in etwa gleich beliebt. Das zeigt sich auch in der Zusammensetzung meiner Studiengänge. Ich würde behaupten, dass der Englischstudiengang an der Uni Bremen relativ ausgeglichen ist, was das Geschlechterverhältnis angeht. Im Gegensatz dazu finden sich in den Französischvorlesungen insgesamt 5 – 7 Männer aus 40 bis 50 Studenten.
Eine Erklärung für diese Ausdifferenzierung liefern Williams und Burden mit ihrem sozial- konstruktivistischem Ansatz zur Motivation für den Erwerb einer Fremdsprache: Sie betonen, dass der soziale, politische sowie erzieherische Einfluss, in welchem die neue Fremdsprache erlernt wird, sowie die individuellen Vorerfahrungen der LernerInnen einen großen Einfluss auf den Lernprozess haben. Gleichzeitig heben sie allerdings hervor, dass jedes Individuum einen subjektiven Fokus auf bestimmte Aspekte des Sprachlernens legt, je nachdem was ihm/ihr wichtig erscheint oder was ihn/sie besonders interessiert. FremdsprachenlehrerInnen sollten also nach Möglichkeit auf diese von den SchülerInnen gesetzten Schwerpunkte eingehen, um das bereits vorhandene Interesse zu fördern. So können alle SchülerInnen genderunabhängig zum Sprachenlernen motiviert werden.
Dies berücksichtigt allerdings noch nicht die oben angesprochene Problematik der gendermotivierten Fächerwahl. Um dieser vorzubeugen, sollten sowohl Eltern als auch Lehrkräfte die Jugendlichen bestärken, ihre Wahl nicht aufgrund äußerer Einflüsse, sondern basierend auf ihren Interessen zu treffen, und dabei eventuell auch direkt auf genderspezifische Prämissen hinweisen.
Denn dass diese allgegenwärtig sind, zeigt oftmals schon ein Blick in gängige Lehrwerke. Darum ist es wichtig, sich der in diesen Büchern vermittelten Stereotype bewusst zu sein.
So sollte man die Darstellung der in den Lehrwerken abgebildeten Jungen/Männer und Mädchen/Frauen hinterfragen.
In illustrierten Werken: Wie sind die Personen äußerlich dargestellt?
Welche Eigenschaften oder Interessen werden ihnen zugeschrieben?
Oftmals werden beispielsweise Jungen Hobbys zugeordnet wie „Fußball spielen, Computerspielen“ etc., während Mädchen „gerne reiten, shoppen gehen oder lesen“. Lieblingsfächer sind respektive „Mathe, Physik oder Sport“ bei Jungen und „Englisch, Französisch und Kunst“ bei den Mädchen
Zudem werden Frauen oft als Mütter und Hausfrauen charakterisiert, und Männer als handwerklich geschickt und Hauptverdiener der Familie.
Dies spiegelt sich auch oft in den Beispielsätzen der Lehrwerke wieder, in denen weibliche Namen und Pronomina mit anderen Eigenschaften und Tätigkeiten verbunden werden als männliche, z.B.:
„Susanne kocht gerade das Mittagessen“ oder „Michael repariert das Auto“
Bei der Arbeit mit Fremdsprachenlehrwerken ist es demnach wichtig, sich dieser Stereotype nicht nur bewusst zu sein, sondern sie bestenfalls auch offen mit den SchülerInnen zu thematisieren.