RV10 – Bàrbara Roviró: Gernderspezifische Motivation im Fremdsprachenunterricht

Die allgemeine Grundannahme in unserer Gesellschaft ist immer noch, dass Mädchen a) Fremdsprachen besser und leichter lernen und demnach b) darin bessere Noten während ihrer Schulzeit erzielen sowie c) später öfter im Bereich der Fremdsprachenvermittlung arbeiten.

Vor diesem Hintergrund stelle ich wohl eine Art perfekte Inkorporation dieses Klischees dar: Seit Anfang meiner Schullaufbahn habe ich alle Fremdsprachen angewählt, die ich wählen konnte. Erst Englisch, dann Latein, dann Französisch, dann Italienisch. Jetzt studiere ich Englisch und Französisch auf Lehramt. Und ja, das hat mit Sicherheit etwas damit zu tun, dass ich im Unterricht auch immer leicht gute Noten in diesen Fächern erzielt habe – allerdings hatte ich schon in meiner Grundschulzeit ein ausgeprägtes Interesse für andere Sprachen und Kulturen, ich denke also nicht, dass meine Entscheidung, Sprachen zu studieren, das Produkt meiner Erfahrungen in der Schule ist. Das kann ich so allerdings nicht verallgemeinern, denn im Großen und Ganzen gehe ich davon aus, dass der Einfluss des sozialen Umfelds und seiner Vorstellungen prägend für die Fächerwahl der SchülerInnen in der Schule, und damit für die spätere Studienwahl, ist. Und die Folgen dieser Vorstellung, dieser oben geschilderte Grundannahme äußern sich dann beispielsweise in der Zusammensetzung der Klassen: In meiner „Neusprachlerklasse“, in der ab der 6. Klasse Latein als zweite Fremdsprache und ab der 8. Klasse Französisch als 3. Fremdsprache unterrichtet wurde, fand sich in einer Klasse aus 18 Jugendlichen sage und schreibe ein Junge. Und ich muss zugeben, ich bewundere diesen Jungen: Es ist ungewöhnlich, dass in diesem Alter das Interesse über den Gruppenzwang gestellt wird – den Gruppenzwang, der durch die gesellschaftliche Einteilung in Sprachen=Mädchensache und Naturwissenschaften=Jungssache entsteht. Auch die Zusammensetzung der Lehrkräfte zeigte diese Zuordnung. Interessanterweise stellt Englisch hier eine Ausnahme dar, da es an meiner Schule mindestens genau so viele, wenn nicht mehr, Englischlehrer als Englischlehrerinnen gab. Bezüglich des Französischkollegs allerdings war das anders: Auch hier, inmitten der weiblichen Kolleginnen, ein einziger Französischlehrer.

Was ich persönlich interessant finde, ist, dass Englisch und Latein bei den männlichen Mitschülern ein Art „besseren Ruf“ hatte als Französisch: Der Großteil der Jungen entschied sich für Latein anstatt Französisch, und Englisch war sowohl bei Mädchen als bei Jungs in etwa gleich beliebt. Das zeigt sich auch in der Zusammensetzung meiner Studiengänge. Ich würde behaupten, dass der Englischstudiengang an der Uni Bremen relativ ausgeglichen ist, was das Geschlechterverhältnis angeht. Im Gegensatz dazu finden sich in den Französischvorlesungen insgesamt 5 – 7 Männer aus 40 bis 50 Studenten.

Eine Erklärung für diese Ausdifferenzierung liefern Williams und Burden mit ihrem sozial- konstruktivistischem Ansatz zur Motivation für den Erwerb einer Fremdsprache: Sie betonen, dass der soziale, politische sowie erzieherische Einfluss, in welchem die neue Fremdsprache erlernt wird, sowie die individuellen Vorerfahrungen der LernerInnen einen großen Einfluss auf den Lernprozess haben. Gleichzeitig heben sie allerdings hervor, dass jedes Individuum einen subjektiven Fokus auf bestimmte Aspekte des Sprachlernens legt, je nachdem was ihm/ihr wichtig erscheint oder was ihn/sie besonders interessiert. FremdsprachenlehrerInnen sollten also nach Möglichkeit auf diese von den SchülerInnen gesetzten Schwerpunkte eingehen, um das bereits vorhandene Interesse zu fördern. So können alle SchülerInnen genderunabhängig zum Sprachenlernen motiviert werden.

Dies berücksichtigt allerdings noch nicht die oben angesprochene Problematik der gendermotivierten Fächerwahl. Um dieser vorzubeugen, sollten sowohl Eltern als auch Lehrkräfte die Jugendlichen bestärken, ihre Wahl nicht aufgrund äußerer Einflüsse, sondern basierend auf ihren Interessen zu treffen, und dabei eventuell auch direkt auf genderspezifische Prämissen hinweisen.

Denn dass diese allgegenwärtig sind, zeigt oftmals schon ein Blick in gängige Lehrwerke. Darum ist es wichtig, sich der in diesen Büchern vermittelten Stereotype bewusst zu sein.

So sollte man die Darstellung der in den Lehrwerken abgebildeten Jungen/Männer und Mädchen/Frauen hinterfragen.

In illustrierten Werken: Wie sind die Personen äußerlich dargestellt?

Welche Eigenschaften oder Interessen werden ihnen zugeschrieben?

Oftmals werden beispielsweise Jungen Hobbys zugeordnet wie „Fußball spielen, Computerspielen“ etc., während Mädchen „gerne reiten, shoppen gehen oder lesen“. Lieblingsfächer sind respektive „Mathe, Physik oder Sport“ bei Jungen und „Englisch, Französisch und Kunst“ bei den Mädchen

Zudem werden Frauen oft als Mütter und Hausfrauen charakterisiert, und Männer als handwerklich geschickt und Hauptverdiener der Familie.

Dies spiegelt sich auch oft in den Beispielsätzen der Lehrwerke wieder, in denen weibliche Namen und Pronomina mit anderen Eigenschaften und Tätigkeiten verbunden werden als männliche, z.B.:

„Susanne kocht gerade das Mittagessen“ oder „Michael repariert das Auto“

Bei der Arbeit mit Fremdsprachenlehrwerken ist es demnach wichtig, sich dieser Stereotype nicht nur bewusst zu sein, sondern sie bestenfalls auch offen mit den SchülerInnen zu thematisieren.

RV07 – Dr. Eileen Schwarzenberg: „Meint Inklusive wirklich alle?“

In einer Debatte um das Thema Inklusion, ist es mit Sicherheit wichtig, sich bewusst zu werden, was die in diesem Bereich relevanten Begriffe überhaupt umfassen. So muss man sich beispielsweise vergegenwärtigen, dass nach der Definition der UN BRK all jene Personen als behindert gelten, die langfristige Beeinträchtigungen haben die a) körperlicher Natur, b) seelischer Natur sind oder die Sinnesorgane betreffen (UN-BRK 2009, Art.1). Desweiteren muss klar sein, dass der Aspekt der Sozialisierung im Alltag ein Kernkriterium ist: Menschen mit Behinderung werden so bezeichnet und eingestuft, weil ihre Beeinträchtigungen zusammen mit den Strukturen unserer Gesellschaft ihnen eine gleichwertige Teilnahme am Sozialleben verwehren. Hier ist auch die Unterscheidung zwischen dem medizinischen und dem sozialen Modell der Behinderung wichtig, auf das in Aufgabe 2 noch genauer eingegangen werden wird.
Soll nun die oben erwähnte Einschränkung der gleichwertigen Teilnahme am Sozialleben zumindest in Teilbereichen aufgehoben werden, spricht man von Inklusion. Insbesondere an Schulen ist dies inzwischen ein stark diskutiertes und aktuelles Thema. Doch was genau bedeutet es, wenn Schulen inklusiv sein wollen?
Das Konzept der inklusiven Pädagogik soll es allen SchülerInnen, unter Berücksichtigung individueller Heterogenitätsfaktoren ermöglichen, als Teil einer Klassengemeinschaft in der Schule ihr Potenzial zu entfalten. Dabei spielen Fragen nach den Lern- und Entwicklungsbedingungen der Jugendlichen genauso eine Rolle, wie solche nach der sozialen Interaktion. Ganz allgemein gibt es verschiedene Ansätze zur Umsetzung der Inklusion, und auch Befürworter anderer Systemformen. Die wichtigsten sind:

  1. der „whole school approach“, auch „Full Inclusion“ oder Inklusion als Systemwandel, der wie in den Englischen Formulierungen deutlich wird, eine allumfassende Inklusion mit grundlegendem Systemwandel befürwortet, so dass es keine Sonderschulen mehr gibt, sondern alle Kinder gemeinsam in einer Schule mit auf Inklusion ausgerichtetem Konzept unterrichtet werden.
  2. Der „two track approach“, auf deutsch beschrieben als Doppelstruktur, dessen Unterstützer eine Aufteilung zwischen Regel- und Sonder-/Förderschule, wie sie im Moment oft gängig ist, weiterführen wollen. Sie stützen sich bei ihrer Argumentation vorwiegend darauf, dass es keine empirischen Daten gibt, die belegen, dass Inklusion für alle SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zuträglich ist, und darauf, dass Eltern für ihre Kinder bewusst die als sicher eingestufte Umgebung der Förderschule wählen.
  3. Der „twin track approach“, der im Gegensatz zur Forderung (1) den Fokus nicht auf den Systemwandel legt, sondern eine weitere Berücksichtigung der Förderbedarfe, und eine schrittweise Inklusion mit weiterlaufenden Zusatzförderungen vorschlägt.

Was mich vor diesem Hintergrund interessiert hat, und was auch in der Vorlesung diskutiert wurde, war, wie eine konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen aussehen soll. Eine Änderung des kompletten Systems ist nicht nur schwierig umzusetzen, sie ist auch teuer. Und das alternative System ist höchstwahrscheinlich noch nicht ausgereift und erprobt genug, um eine Überforderung von Lehrkräften und SchülerInnen durch die Umstellung zu verhindern. Gleichzeitig brauchen Pädagogen weiter reichende Schulungen, bzw. müssten in das Lehramtsstudium gewisse Kompetenzen und Sachverhalte mit eingebunden werden und Fortbildungen für amtierende Lehrkräfte organisiert und bezahlt werden. Gleichzeitig bietet eine solche Umstellung enorme Chancen. Nicht nur setzt man dabei das Recht auf Chancengleichheit um, und bietet allen SchülerInnen gleiche Möglichkeiten, sondern eine Umstellung des Systems, sodass es dem Ansatz der Inklusion gerecht wird, könnte eine Lösung für aktuelle Probleme unseres Schulsystems sein, wie zum Beispiel der steigende Leistungsdruck und der Zwang der Benotung. In einem inklusiven Modell wäre es wohl schwierig, die festen Strukturen der Notengebung und des Lehrens nach Lehrplan beizubehalten, was es den Schulen ermöglicht, Ansätze der Individualisierung zu entwickeln und umzusetzen, von denen unser ganzes System erheblich profitieren würde.

 

Gleichen Sie bitte die theoretischen Erkenntnisse aus der Vorlesung mit Ihren praktischen Erfahrungen an Schulen/im Alltag ab:


– Welches Modell von Behinderung ist Ihnen bisher begegnet?

Um diese Frage beantworten zu können, muss ich zunächst die beiden Modelle erläutern:

Das medizinische Modell von Behinderung sieht in einer Behinderung eine Schädigung, die zu einer Beeinträchtigung des Individuums führt, sowie zu seiner/ihrer Benachteiligung und sozialem Ausschluss. Laut diesem Modell ist eine Person also behindert.

Im Gegensatz dazu sieht das soziale Modell von Behinderung Barrieren in der Umwelt, die in Kombination mit den persönlichen Merkmalsausprägungen einer Person zu einer Partizipationsbeeinträchtigung und zum sozialen Ausschluss führen. Demnach ist eine Person also nicht behindert, sondern wird behindert.

Ich persönlich kann allerdings die Erfahrungen, die ich diesbezüglich gemacht habe, nur schwer einschätzen. Soweit ich es beurteilen kann, ist mir vorwiegend das medizinische Modell begegnet, das sich meines Verständnisses nach unter anderem in einer Aufteilung der Schulsysteme äußern würde.


– Inwieweit entsprechen die Rahmenbedingungen an Bremer Schulen den Bedarfen der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf?

Allgemein gilt in Bremen seit 2011/12, dass die Beschulung aller SchülerInnen gemeinsam im inklusiven System stattfinden soll (mit Ausnahmen der Förderzentrum Hören, Sehen und Körperlich-motorische Entwicklung). Für 2017 war die Schließung fast aller Förderzentren geplant.

Die Umsetzung dieses Konzeptes ist allerdings nicht an allen Schulen gegeben: Der bekannteste Fall der Nichtumsetzung ist wohl das Gymnasium Horn, das sich geweigert hat, zum letzten Schuljahr mehrere Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf auszunehmen.

Dort, wo Inklusion umgesetzt wird, scheint sie aber auch gut zu funktionieren. Inklusive Klassen sollen dort aus 19 SchülerInnen ohne, und 5 SchülerInnen mit Behinderung bestehen, zudem soll dauerhaft ein Sonderpädagoge anwesend sein. Somit kann auf die einzelnen Kinder gut eingegangen werden, beziehungsweise individueller Förderbedarf gegeben werden. Eine Vorzeigeeinrichtung ist die Kinderschule Bremen, in der Kinder in bunten Gruppen gemeinsam betreut werden, unabhängig von Alter, Hintergrund oder Behinderung. Das Konzept „alle kümmern sich um alle“ funktioniert dort in allen Bereichen, sowohl in der Sozialisierung als auch in der Vermittlung von Regeln und Sachverhalten.


– Welche Auffassungen von Inklusion (Diskussionslinien) haben Sie an den Schulen/im Praktikum kennengelernt?

In meiner Grundschulklasse waren mehrere Kinder, die zuvor praktisch als Vorbereitung ein Jahr zur Förderschule gegangen waren. Der sonderpädagogische Förderbedarf lag hier vor allem bezüglich einer Lernschwäche, oder eines Aufmerksamkeitsdefizits vor. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass ich es im Nachhinein doch gewagt finde, diese Schüler gerade in meiner Klasse unterzubringen, die größtenteils aus Schülern mit Migrationshintergrund oder LRS bestand. Natürlich konnte man so für den Großteil der Klasse ein ungefähr gleiches Lerntempo veranschlagen, mit eventuell anderen Ansätzen in der Unterrichtsgestaltung. Doch letztendlich wäre es meiner Meinung nach für alle SchülerInnen besser gewesen, wäre die Klassengestaltung weniger darauf abgerichtet gewesen, eine Art „Klasse bestehend aus Kindern mit Bedarf besonderer Förderung“ (sei es sonderpädagogisch, fremdsprachlich, etc.) zu bilden, sondern über den Jahrgang verteilt eine gleichmäßige Gestaltung der Klassen einzuhalten.

Ansonsten, auch später im Gymnasium wurde immer der „two track approach“ durchgeführt, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf also auf der Sonderschule der Stadt unterrichtet. Nach dem was ich gehört habe, soll das Konzept sich inzwischen aber etwas geändert haben, sodass eine Art Teilinklusion in bestimmten Bereichen zumindest auf Grundschulebene nun umfassender stattfindet.

  • Welche Auffassung vertreten Sie selbst?

Grundsätzlich finde ich den Ansatz der Inklusion unter Berücksichtigung der Förderbedarfe, den sog. „Twin track approach“, am sinnvollsten und für mich am ansprechendsten. Denn hier werden die Probleme, die bei einer kompletten Umstrukturierung des Systems erscheinen können, berücksichtigt und der Fokus eben nicht nur auf Systemänderung, sondern auf die Bedarfe der einzelnen SchülerInnen gelegt. Denn bei einer zu schnellen und zu ausschließlichen Umstellung läuft man schnell Gefahr, sowohl der Lehrpersonal, als auch die betroffenen Jugendlichen zu überfordern, denen man dann im Unterricht nicht mehr gerecht wird. Eine kontinuierliche, prozesshafte Inklusion gäbe Raum und Zeit für die Anpassung des Konzepts und die Entwicklung neuer Methoden. Zudem wird durch die Beibehaltung der individuellen Förderung der SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf innerhalb des inklusiven Systems die Gefahr verringert, einzelne Kinder komplett zu über- oder unterfordern. Allerdings kann auch dieser Ansatz nicht garantieren, dass alle Jugendlichen profitieren – für manche Mädchen oder Jungen mit sonderpädagogischem Förderbedarf könnte, stark abhängig vom jeweiligen individuellen Förderbedarf, trotz allem der Besuch einer Förderschule besser sein (insbesondere soziale Beeinträchtigungen, z.B. Autismus)

Dies ist auch eine der Fragen, denen ich in meinem Praktikum nachgehen wollen würde:

Vorausgesetzt ich befinde mich in einer Schule, die das inklusive Modell umsetzt, ergo Klassen mit 19 Schüler ohne und 5 SchülerInnen mit Behinderung, wäre es interessant, zu untersuchen, ob denn wirklich alle SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf von der Inklusion profitieren, und inwiefern sich der positive oder negative Einfluss äußert. Auch hier gerade mit Fokus auf Beeinträchtigungen im sozialen Bereich (Autismus, etc.) im Gegensatz zu körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Neben dem Fokus auf den Lehrer und der Frage, wie er oder sie mit der nochmals erweiterten Heterogenität umgeht, spielt es ja auch eine große Rolle, wie die SchülerInnen untereinander interagieren. Denn Inklusion allein vom System, ja auch allein von der Lehrkraft aus kann meiner Meinung nach immer nur so viel bewirken. Entscheidend ist die Aufnahme in die Klassengemeinschaft.

Und so wie ich in meiner ersten Beobachtungsaufgabe fragt man doch immer sehr nach den Vorteilen für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Aber was ist mit den Jungen und Mädchen ohne individuellen Förderbedarf? Sie können mit Sicherheit auch profitieren. Auch das wäre zu beobachten: in welchen Teilbereichen äußert sich das? Vor allem im sozialen Bereich, oder auch bezüglich der Unterrichtsgestaltung, Wissensvermittlung und letztendlich der schulischen Leistung?

 

Mehrsprachigkeit und Deutschunterricht

Welche Besonderheiten weist der Erwerbskontext Seiteneinstieg auf und inwieweit orientiert sich die Bremer Konzeption der schulischen und sprachlichen Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler daran?

Von den Kindern und Jugendlichen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und dort zur Schule gehen, sind SeiteneinsteigerInnen sicherlich die Gruppe, die vor die höchsten Herausforderungen gestellt wird. Allgemein bezeichnet der Begriff neu zugewanderte Jungen und Mädchen im schulpflichtigen Alter (ab 6 Jahren), mit nur sehr geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen, die ihre Schullaufbahn nicht im deutschen System begonnen haben. Innerhalb dieser Kategorie gibt es mehrere Untergruppen, die sich je nach Alphabetisierung oder Verlauf der Schullaufbahn vor der Einreise einteilen lassen. Besonders schwierig ist der Eintritt in das deutsche Schulsystem für SeiteneinsteigerInnen mit durch die Umstände in ihrem Herkunftsland oder durch Flucht begrenzter, oder unterbrochener schulischer Bildung, sogenannte „SLIFEs“.

Da in Bremen die Schulpflicht unabhängig vom Aufenthaltsstatus der geflüchteten Kinder greift, mussten Möglichkeiten gefunden werden, diese sprachlich auf den Unterricht in deutschen Schulen vorzubereiten. Die Stadt setzt hierzu auf das sogenannte „teilintegrative Modell“, welches ein sukzessives Übergehen in die Regelklasse, also eine „gleitende Integration“ ermöglichen soll. Die SchülerInnen besuchen demnach bereits während ihrer Vorkurse einige Kurse in den Regelklassen, zunächst insbesondere in solchen Unterrichtsfächern, in denen Sprachbarrieren keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen, wie beispielsweise Musik, Kunst, oder zu einem gewissen Grad auch Mathematik. Nach einem Jahr findet dann der komplette Übergang in den Regelunterricht statt. Durch dieses schrittweise Vorgehen können die Seiteneinsteiger bereits Einblick in den zukünftigen Alltag des deutschen Schulsystems erhalten, das sie so nicht kennen und auch Kontakte knüpfen, während die besonders schwierigen Aspekte wie der Spracherwerb intensiv in den Vorkursen betreut werden können.

Diskutieren Sie Ihre Praxiserfahrungen mit der Sprachförderung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern vor bzw. nach dem vollständigen Übergang in den Regelunterricht. Gehen Sie dabei insbesondere auf binnendifferenzierende Maßnahmen ein.

Da ich selbst leider noch keine Praxiserfahrung aus Sicht einer Lehrkraft sammeln konnte, und während meiner eigenen Schullaufbahn die möglichen Maßnahmen, die vor dem Übergang der SeiteneinsteigerInnen in die Regelklasse getroffen wurden, nicht bewusst wahrgenommen habe, kann ich nur die Maßnahmen schildern, die nach dem Übergang getroffen wurden. Denn weder in meiner Grundschulklasse, noch in meiner Gymnasialklasse habe ich Erfahrungen mit einem Modell wie dem teilintegrativen Modell gemacht. Woran ich mich erinnere, ist, dass zu Ende der 1. Klasse ein Schüler in meine Grundschulklasse kam, der so gut wie kein Deutsch sprach. Auch andere Kinder hatten Migrationshintergrund und zum Teil Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, allerdings glaube ich nicht, dass diese als SeiteneinsteigerInnen klassifiziert werden würden. Die binnendifferenzierenden Maßnahmen, die also im Rahmen dieser Situation getroffen wurden, waren, soweit ich mich erinnern kann, eher spärlich. Tatsächlich wurden eher den besseren SchülerInnen Zusatzaufgaben gegeben, als dass den Kindern mit sprachlichen Problemen eigene Aufgaben gestellt wurden. Mir ist allerdings ein Deutschtest in Erinnerung geblieben, bei dem wir eine Geschichte nacherzählen sollten, die die Lehrkraft uns zuvor vorgelesen hatte. Das Leseverständnis wurde demnach bei allen SuS als ausreichend vorausgesetzt, allerdings hatten die Jungen und Mädchen, denen der schriftliche Ausdruck schwer fiel, die Möglichkeit, statt zu schreiben eine kurze Bildergeschichte zu zeichnen. So wurden sie aufgrund eventueller Probleme mit dem Schreiben der deutschen Sprache nicht benachteiligt.

Abgesehen davon war die Sprachförderung von SeiteneinsteigerInnen wohl außerhalb des Regelunterrichts vorgesehen- oder die Sprachkompetenz sollte sich vorwiegend durch den regelmäßigen Kontakt mit deutschsprachigen Mitschülern einstellen. Der anfangs von mir erwähnte Schüler stellt vermutlich eine Ausnahme von der Regel dar, aber im Gegensatz zu meinen Grundschulmitschülern mit LRS hat dieser Seiteneinsteiger im Juni 2015 mit mir zusammen das Abitur abgelegt. Ob das etwas über die Qualität der vorgenommenen Maßnahmen aussagt- darüber lässt sich streiten.

Suchen Sie eine Unterrichtsaufgabe (das Fach können Sie frei auswählen), die als Ersatz- bzw. Erweiterungsaufgabe besonders für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler im Regelunterricht entwickelt wurde. Vergleichen Sie diese Aufgabe mit der „regulären“, also der, die für andere Schülerinnen und Schüler eingesetzt wird. Welche Unterschiede finden Sie? Was halten Sie für hilfreich, was für problematisch?

Ich bin mir nicht sicher, ob das als eine Art Erweiterungsaufgabe zählt, aber mir ist ein Konzept bekannt, das vor allem im Sachunterricht (Biologie, Geographie etc.) angewandt wird und SeiteneinsteigerInnen das Textverständnis erleichtern soll:

Während die Kinder mit Deutsch als Muttersprache einen „normalen“ Sachtext erhalten, wird SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache ein vereinfachter Text vorgelegt, der zwar den gleichen Inhalt enthält, allerdings beispielsweise weniger Fachwörter, kürzere Sätze, keine Formulierungen im Passiv, kaum indirekte Rede, etc.

Dies kann den SchülerInnen mit Schwierigkeiten in der deutschen Sprache helfen, sich mehr auf den Inhalt zu konzentrieren, da sie weniger Zeit mit der Entschlüsselung des Textes verbringen müssen. Allerdings sind natürlich besonders im Fachunterricht bestimmte Fachbegriffe wichtig und nötig, die die Jugendlichen dann separat lernen müssten und nicht aus dem Textzusammenhang kennen.

Eine Freundin hat mir hierzu jedoch ein Modell erklärt, das diese Problematik abschwächen könnte: Nachdem die SchülerInnen den Text gelesen haben, werden Gruppen aus MuttersprachlerInnen und Mädchen und Jungen mit Deutsch als Zweitsprache bzw. SeiteneinsteigerInnen gebildet. Die Kinder mit DaZ erklären den MuttersprachlerInnen, was sie dem Text entnommen haben, und diese ergänzen dann eventuell fehlende relevante Informationen, beseitigen Missverständnisse und ergänzen und erläutern Fachbegriffe. So wird SeiteneinsteigerInnen nicht nur das Verständnis von Texten im Sachunterricht erleichtert, sondern auch die Beziehungen innerhalb der Klasse werden gestärkt und die Kinder mit Deutsch als Muttersprache profitieren eventuell ebenfalls, da sie durch das Erklären des Textes sich erneut mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen und diesen so besser verinnerlichen.

Empirische Forschung zu Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht

1. Maßnahmen zum Umgang mit der zum Teil enorm großen Leistungsheterogenität einzelner SchülerInnen im Unterricht rücken immer mehr in den Fokus. Die Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze ist allerdings nicht immer leicht und eindeutig feststellbar. Eine mögliche Herangehensweise wäre die der äußeren Differenzierung, also eine Einteilung der SchülerInnen in leistungshomogene Gruppen und unterschiedliche Unterrichtskonzepte je nach Niveaustufe. Ein extremes Beispiel hierfür ist das in weiten Teilen Deutschlands vertretene dreigliedrige Schulsystem, also die Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Innerhalb einer Schule (Gesamtschule) kann dieses Konzept beispielsweise im Angebot von Niveaukursen angewandt werden. Der Konsens der empirischen Daten über den Effekt einer solchen Aufteilung zeigt allerdings, dass dadurch im Mittel kaum bis wenig Wirkung auf die Leistungen der SchülerInnen erzielt werden. Es gibt allerdings eine Tendenz dazu, dass leistungsstarke Kinder in geringem Ausmaß profitieren, während leistungsschwächere Kinder dadurch eher einen Abfall ihrer Leistungen erleben.

Bei Gruppenbildung innerhalb der Klassen, also Binnendifferenzierung, zeigen Daten, dass Leistungsschwache von heterogenen Gruppen stark profitieren, während SchülerInnen mittleren oder hohen Leistungsniveaus dort weniger Motivation zeigen. Sie profitieren dagegen leicht von einer homogenen Zusammensetzung der Gruppen.

Bei solchen Maßnahmen der inneren Differenzierung sollte also nach Möglichkeit darauf geachtet werden, eine Abwechslung zwischen homogener und heterogener Gruppenbildung herbeizuführen, so dass dieses Konzept SchülerInnen aller Leistungsstufen zuträglich ist.

2. Ein „wirkungsvollstes“ Unterrichtsmuster kann ich so für mich nicht beschreiben, da ich der Meinung bin, dass dies stark vom jeweiligen Unterrichtsfach abhängt. Natürlich sollte zwischen verschiedenen Unterrichtsmodellen abgewechselt werden: Nur Frontalunterricht ist immer kritisch. Doch auch andere Extreme, wie das dauerhafte Selbsterarbeiten in Gruppen, führen nicht zum gewünschten Effekt. Eine Erfahrung, die ich nach meinem Abitur gemacht habe war die des Einzelunterrichts im Rahmen eines Sprachkurses. Und in diesem Zusammenhang hat mir die individuelle Förderung ganz eindeutig geholfen. Das liegt allerdings an mehreren Faktoren:

Zum einen hatte ich die Entscheidung bewusst getroffen, und war deshalb motivierter als man es von SchülerInnen in der Schule erwarten kann.

Zum anderen war ich alt genug, um die Vorzüge von relativ autonomen Einzelunterricht zu verstehen, und zu wissen, dass mein Pflichtbewusstsein, mein Organisationstalent und meine Prioritätensetzung in diesem Fall entscheidend ist. Hier stimme ich also völlig dem zu, was in der Vorlesung angesprochen wurde: Je älter man ist, desto mehr Sinn hat individueller Unterricht, hat autonomer Unterricht und hat Einzelunterricht.

Und schlussendlich liegt es auf der Hand, dass es bei der Vermittlung einer Fremdsprache von Vorteil ist, wenn ein/e SchülerIn sich dauerhaft allein mit der Lehrkraft in der Fremdsprache austauscht. So erzielt man den größten Effekt durch Übung, und durch die Notwendigkeit für den/die Lernende/n, die gelernten Wörter und Regeln anzuwenden.

Verglichen damit habe ich zum Beispiel im Biologieunterricht gute Erfahrungen mit Frontalunterricht gemacht, in Chemie mit Demonstrativexperimenten, und ich hätte mir gewünscht, dass in Geschichte und Sozialkunde mehr Diskussion in Gruppen oder im allgemeinen Raum stattfindet.

Mein Fazit allgemein also: Es hängt sehr stark vom Unterrichtsfach ab, welche Methode der Wissensvermittlung am besten funktioniert. Nichtsdestotrotz ist Abwechslung ein entscheidender Faktor. Aber auch Frontalunterricht hat, wie in der Vorlesung angesprochen, sein negatives Image nicht verdient.

3. Ich muss gestehen, dass es mir einige Probleme bereitet hat, mir eine Aufgabe mit 3 gestuften Lernhilfen für den Fremdsprachenunterricht einfallen zu lassen. Ganz außer acht gelassen die Tatsache, dass ich zunächst in Erfahrung bringen musste, was damit gemeint ist, habe ich selbst während meiner Schulzeit, soweit meine Erinnerung mich nicht trügt, nie solche Aufgaben vorgelegt bekommen. Falls ich also das Konzept richtig verstanden habe, bedeutet das, dass ich SchülerInnen mit einer Problematik konfrontiere, die sie lösen sollen, indem sie a) verschiedene Ansätze oder auch Tipps benutzen, die ihnen von mir zur Verfügung gestellt werden und b) von mir Rückmeldung oder Bestärkung erhalten, je nach Definition der Bedeutung von „Lernhilfen“

Auch wenn ich den Ansatz an sich äußerst interessant und gelungen finde, bereitet es mir tatsächlich große Probleme, ihn auf die Fremdsprachendidaktik anzuwenden. Das einzige, was mir in diesem Bereich eingefallen ist, wären grammatikalische Phänomene, die mit gewissen Hilfen von den Schülern selbstständig erarbeitet werden können.

So zum Beispiel der Unterschied zwischen futur proche und futur simple im Französischen. Das futur proche oder futur composé wird normalerweise als erste Möglichkeit, das Futur auszudrücken, vermittelt. Hat man nun den Schülern die Formen des futur simple beigebracht, ist es wichtig, festzustellen, in welcher Situation welche der beiden Zeiten benutzt wird.

Um die SchülerInnen dies selbstständig erarbeiten zu lassen, schlage ich eine Aufgabe des folgenden Formats vor:

Den SchülerInnen werden ein oder mehrere Texte vorgelegt, in denen Beispiele der jeweiligen Zeitformen simultan auftreten. Man kann zudem davon ausgehen, dass die SchülerInnen bereits einige Regeln zum Gebrauch des futur proche kennen.

Aufgabenstellung: Erarbeite anhand der folgenden Beispiele und Hilfestellungen die unterschiedlichen Gebrauchssituationen des futur proche und des futur simple

1. Schritt: Erinnere dich an die bereits bekannten Regeln zum Gebrauch des futur proche

2. Schritt: Suche nach bestimmten Ausdrücken (insbesondere Zeitangaben), nach denen Formen der jeweiligen Futurformen auftreten. Es gibt Wörter und Phrasen, nach denen besonders häufig eine bestimmte Zeit verwendet wird.

3. Schritt: Achte auf Unterschiede in den Bedeutungen der jeweiligen Aussagen, die durch die Verwendung der bestimmten Zeiten entstehen. Besonders wichtig ist, wie sicher der Sprecher sich darüber ist, dass eine Sache auch wirklich eintritt.

Natürlich können diese Arbeiten auch in Gruppen stattfinden, und ich als Lehrerin sollte als Ansprechpartnerin zur Verfügung stehen, um verbal weitere Lernhilfen und grundsätzliche Rückmeldung geben zu können. Allerdings scheint mir diese Methode trotz allem besser für den Naturwissenschaftsunterricht geeignet zu sein, allein schon weil dort ganz andere, anschaulichere Mittel zur Verfügung stehen. Zumindest die Aufgabe, die mir eingefallen ist, ist ja doch relativ trocken, und ich würde andere Methoden vorziehen, um diese Thematik zu vermitteln. Das kann natürlich allerdings auch an meinem Ansatz und einem möglichen Missverständnis der Aufgabenstellung meinerseits liegen.

4. Sollte ich in meiner zukünftigen Schullaufbahn mit einer solchen Aussage konfrontiert werden, hoffe ich, dass ich mich an die in der Vorlesung thematisierten Ergebnisse Differenzierung erinnere, und somit antworten kann: „Natürlich kann es für leistungsschwächere SchülerInnen am Gymnasium zunächst schwer sein. Aber eigentlich zeigen empirische Daten, dass alle SchülerInnen, egal welcher Niveaustufen, davon profitieren, wenn der Gesamtkurs leistungsstark ist. Besonders die leistungsschwächeren zeigen in einer solchen Umgebung mehr Motivation.“

Maßnahmen zum Umgang mit Heterogenität

Wir alle sind uns bewusst, dass zunehmende Heterogenität zu unserem Alltag gehört. Gerade die jüngeren Entwicklungen im Hinblick auf Migration haben den Fokus wieder auf Fragestellungen der Integration und der Inklusion gelenkt. Hierbei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass Heterogenität und die Aufgaben, die in diesem Zusammenhang für das Schulsystem entstehen, sich nicht nur über die Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen und Religionen definiert, sondern dass auch Aspekte wie die Herkunft aus verschiedenen sozialen Schichten, körperliche oder andere Beeinträchtigungen und Gender- Zugehörigkeit gerade innerhalb einer Schulklasse eine große Rolle spielen.

Ich, als Kleinstadtkind aus Bayern, habe in meiner Schulzeit mit Sicherheit deutlich weniger Erfahrungen im Bereich der soziokulturellen Heterogenität gemacht als KommilitonInnen aus größeren Städten, wo die Diversität bezüglich der Herkunftsländer der Einwohner, aber oftmals wohl auch das Spannungsverhältnis verschiedener Schichten stärker ausgeprägt ist. Das soll dabei allerdings nicht heißen, dass diese Themen nicht auch in meiner Schule präsent waren. Gerade meine Grundschulklasse setzte sich ja, wie bereits in meinem letzten Blogeintrag beschrieben, zum Großteil aus Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund oder Lernschwäche zusammen. Diese nahmen auch zusammen an den wöchentlichen Sonderstunden teil. Der Fokus lag demnach weder speziell auf dem Migrationshintergrund, noch auf der Lernbeeinträchtigung der einzelnen SchülerInnen, sondern beide Aspekte wurden gleichwertig behandelt. Während die Zusammensetzung der Gruppe also eher einen Ansatz zeigt, der mit dem der Diversity Education übereinstimmt, so lag das Ziel doch eindeutig darin, letztendlich alle SchülerInnen auf ein gemeinsames Level zu befördern. Die Maßnahmen, das bedeutet Sprachförderung und Leistungsförderung anstelle von Beziehungsarbeit, zeigen demnach Parallelen zum Konzept der Ausländerpädagogik auf.

Bezüglich des Erfolgs dieser Sonderförderung kann ich erneut auf meinen letzten Blogeintrag verweisen: Das Leistungsgefälle innerhalb der Klasse und die Differenz zwischen den Niveaus der Kinder blieben erheblich. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass drei derjenigen SchülerInnen, die den für das Gymnasium nötigen Notendurchschnitt erreichten, einen Migrationshintergrund hatten. Einer dieser Schüler, der 2015 zusammen mit mir das Abitur ablegte, hatte, als er gegen Ende des ersten Schuljahres zu mir in die Klasse kam, kein Wort Deutsch gesprochen. Im Gegensatz dazu erreichte keines der Kinder mit LRS den nötigen Schnitt für den Zugang zum Gymnasium oder der Realschule.

Daraus ergeben sich also einige Fragen:

Waren die pädagogischen Maßnahmen mehr auf die Förderung der Kinder mit Migrationshintergrund ausgerichtet als auf die der Kinder mit Lernbeeinträchtigung?

Oder waren die (verhältnismäßig wenigen) Kinder mit Migrationshintergrund meiner Grundschulklasse, die das Abitur schafften, einfach Ausnahmen von der Regel?

Hat die Sonderförderung demnach überhaupt irgendetwas gebracht?

Oder hätte ein anderes Konzept, möglicherweise der Ansatz der Diversity Education, bessere Ergebnisse erzielt?

Diese Fragen sind sehr schwer zu beantworten, insbesondere da ich selbst nach meiner Grundschulzeit nicht mehr mit Ansätzen der heterogenen Pädagogik in Kontakt gekommen bin und so keine Möglichkeit bekommen habe, andere Konzepte auf ihre Wirksamkeit hin zu beurteilen.

Gerade deshalb wäre es für mich interessant, andere pädagogische Methoden und Maßnahmen im Rahmen der Heterogenität innerhalb späterer Praktika zu beobachten, denn bisher kann ich mir unter Aspekten wie „Beziehungsarbeit“ leider nur wenig vorstellen. Die Bremer Oberschulen öffnen durch ihre Struktur sowohl Möglichkeiten als auch Notwendigkeiten für besondere pädagogische Konzepte des Umgangs mit soziokultureller Heterogenität. In diesem Umfeld gäbe es demnach sehr viel Gelegenheit, konkrete Projekte für Interkulturalität oder gegen Rassismus innerhalb der Schule nachzuvollziehen und ihren Erfolg zu beurteilen. Und natürlich fragt sich, welches Konzept den jeweiligen Strategien zugrunde liegt.

Ich meine damit weniger Exkursionen wie den Besuch von Moscheen oder Synagogen, wenngleich auch diese den SchülerInnen neue Einblicke vermitteln, sondern vielmehr Strategien innerhalb des Klassenzimmers. Aber wie legt man den Fokus auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Schülern, wenn nicht durch gemeinschaftliche Unternehmungen?

Meiner Meinung nach müssen die SchülerInnen sich dafür mehr gegenseitig miteinander beschäftigen. Dies kann natürlich in Form von vermehrten Gruppenarbeiten stattfinden; allerdings liegt hierbei möglicherweise das Problem darin, dass, da die SchülerInnen sich die Zusammensetzung dieser Gruppen oft selbst aussuchen dürfen, auch hier kaum neue Beziehungen aufgebaut werden. Selbst bei einer Zuteilung durch den Lehrer wird es oftmals innerhalb der Gruppen wieder Grüppchenbildung geben, und der eigentliche Austausch wird hintenangestellt.

Sinnvoller wäre es deshalb meiner Ansicht nach, eine Art Lerntandem zu fördern. Das heißt, ein Schüler/ eine Schülerin mit besonders guten Kenntnissen in einem Unterrichtsfach versucht, einem anderen Mitglied der Klasse, das in diesem Bereich Probleme hat, einen oder mehrere Aspekte, die in diesem Fach behandelt werden, zu erklären. Im Gegenzug kann der/die andere TeilnehmerIn des Tandems seinem Partner/ seiner Partnerin in einem anderen Fach, in dem wiederum er/sie seine Stärke sieht, helfen. Nach einigen Wochen werden die Tandems neu zusammengesetzt und der Prozess wiederholt sich. So wird die möglicherweise festgefahrene Struktur einer Klasse gebrochen und die SchülerInnen werden dazu angeregt, sich individuell miteinander beschäftigen. Zudem liegt der Fokus hierbei auf den Stärken der einzelnen Kinder, denen gleichzeitig mehr Verantwortung übertragen wird, denn sie sollen ihr Wissen vermitteln und ihrem/ihrer TandempartnerIn helfen.

Natürlich ist der Erfolg eines solchen Konzepts von vielen Umständen abhängig: SchülerInnen müssen kollaborieren, Lehrkräfte, Jugendliche und Eltern müssen sicher sein können, dass der Unterrichtsstoff ausreichend und angemessen vermittelt wird. Doch für einige Schulstunden pro Woche könnte ein Ansatz, der darauf basiert, dass SchülerInnen einander gegenseitig helfen, sowohl für den Lernprozess, als auch für die Klassengemeinschaft und die Offenheit einzelner Mitglieder gegenüber einander durchaus hilfreich sein.

Heterogenität und Homogenität

Homogenität und Heterogenität, oder vereinfacht gesagt vielleicht: Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Vereinheitlichung und Verschiedenheit. Unsere ganze gesellschaftliche Ordnung ist geprägt von einem Wechselspiel dieser beiden Aspekte. Wir sind alle verschieden, in unserem Aussehen und unserer Einstellung, kommen aus verschiedenen Elternhäusern oder Ländern, unterscheiden uns in Religionszugehörigkeit oder Musikgeschmack. Und doch suchen wir auch nach Gemeinsamkeiten, wollen Menschen treffen, die unsere Interessen teilen, bilden Gruppen von Gleichgesinnten.

Ein Bereich unserer Gesellschaft, in dem der Ausgleich zwischen Heterogenität und Homogenität besonders wichtig, jedoch auch besonders schwierig ist, ist der der Schule und der Bildung. Denn auch wenn die SchülerInnen innerhalb einer Klasse sich in einigen Punkten ähneln – so zum Beispiel im Alter, oder allein in der Tatsache, dass sie alle dieselbe Jahrgangsstufe besuchen und somit mit den selben Unterrichtsstoffen konfrontiert sind – so sind sie doch in vielen Aspekten sehr verschieden. LehrerInnen können sich durch diese Vielfalt hinsichtlich Interessen, Lerntypen, Sozialverhalten etc. schnell überfordert fühlen. Viele PädagogInnen greifen – auch unbewusst – angesichts dieser Herausforderung auf Prinzipien der Homogenisierung zurück, das heißt, sie teilen Schüler gedanklich in Gruppen von schwächeren oder stärkeren Schülern, von Problemschülern usw. ein. Dieser Vorgang wird auch als „Komplexitätsreduktion“ beschrieben (Luhman 1975).

Interessant ist, dass diese Methode nicht nur (bewusst oder unbewusst) von Mitgliedern des Lehrkörpers innerhalb bestimmter Klassen verwendet wird, sondern dass das ganze Schulsystem in der Mehrzahl der deutschen Bundesländer auf einer Einstufung und Klassifizierung von SchülerInnen in leistungsstärkere und -schwächere Kinder und Jugendliche beruht. Unter dieser Aufteilung in Sonder-, Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien leiden insbesondere Kinder aus sozial schwächeren Familien. Sie besuchen viel seltener das Gymnasium als Mädchen und Jungen aus der Mittel- und Oberschicht, deren Eltern in vielen Fällen ebenfalls das Gymnasium durchlaufen haben.

Doch genau dieser Aspekt wird im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht berücksichtigt. Dieses legt fest, dass niemand aufgrund seiner ethischen Herkunft, seines Geschlechts, seines Alters, seiner Religion oder aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden darf. Doch gerade die Komponente der sozialen Herkunft, welche die Bildungschancen besonders stark beeinflusst, bleibt ungenannt.

Bremen hat sich dieses Problems durch eine Umstellung des Schulsystems, genauer gesagt durch die Einführung der Oberschulen, angenommen. In dieser Schulform wird nach Beendigung der Grundschule keine Selektion durchgeführt. Stattdessen besuchen die Jugendlichen bis zur 10. Klasse gemeinsam den Unterricht; danach wird der freiwillige Besuch einer Oberstufe angeboten, die mit dem Abitur abgeschlossen wird. Dadurch soll mehr SchülerInnen die Chance gegeben werden, den höchsten Bildungsabschluss zu erreichen.

Diese neue Ausrichtung bringt viele Vorteile mit sich, sorgt sie doch für mehr Homogenität bezüglich der Chancengleichheit und bekämpft die oben genannte Benachteiligung von Kindern aus einem sozial schwächerem Umfeld. Gleichzeitig steigt bei diesem Ansatz die Heterogenität innerhalb der einzelnen Klassen, es gibt nun mehr unterschiedliche Leistungsniveaus, vermutlich auch mehr Lerntypen etc.

Das bringt uns zu der essenziellen Frage: Können Lehrkräfte es schaffen, in einem so heterogenen Umfeld allen SchülerInnen gerecht zu werden?

Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass der Ansatz der Inklusion mit allen Vorteilen doch auch sehr viele schwierige Momente mit sich bringt. Meine Grundschulklasse war das Modell eines neuen Inklusionskonzepts. Sie bestand zu über 80% aus Kindern mit Migrationshintergrund und/oder LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche). Für diejenigen SchülerInnen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben hatten, wurden ein- bis zweimal wöchentlich Extraklassen angeboten, die außerhalb der regulären Unterrichtszeit stattfanden. Interessanterweise hatte ich nie das Gefühl, dass die Klassengemeinschaft dadurch gestört oder die leistungsschwächeren Kinder gehänselt wurden. Allerdings ist natürlich auch das schon wieder ein Beispiel für Gruppenbildung angesichts von Verschiedenheit: Es fand eine Homogenisierung statt durch die Aufteilung in Kinder, die zusätzliche Klassen besuchen mussten, und in Kinder, die dies nicht mussten. Gleichzeitig denke ich, dass diese Extrastunden durchaus notwendig waren. Denn es gab auch so bereits ein extremes Leistungsgefälle innerhalb der Klasse: Das Lerntempo war nur für sehr wenige Kinder tatsächlich angemessen, der Großteil war entweder über- oder unterfordert. Und das zeigte sich auch in der Aufteilung nach der 4. Klasse. Ich würde schätzen, dass nur etwa 15% der SchülerInnen die Realschule, dafür 55% die Hauptschule und 30% das Gymnasium besuchten. Es wurde also in diesem Fall trotz bestimmter Zusatzmethoden nicht geschafft, die sehr verschiedenen Herangehensweisen der einzelnen Kinder an den Unterrichtsstoff oder ihre jeweiligen verschiedenen Vorkenntnisse und -prägungen sowie Interessen zu berücksichtigen.

Es stellt sich also für die Zukunft die Frage, wie der zunehmenden Heterogenität in Schulklassen begegnet werden soll. Insbesondere die Unterschiede des Leistungsniveaus, und die Verschiedenheit der Lerntypen müssen berücksichtigt werden. Inwiefern könnte es helfen, eine Klasse auch in gewissen Aspekten zu homogenisieren? Wo zieht man die Grenze? Angehende LehrerInnen wie wir müssen sich demnach intensiv damit beschäftigen, welche Methoden der Unterrichtsgestaltung es uns ermöglichen, individueller auf einzelne SchülerInnen einzugehen, ohne von der Masse an Individualität überwältigt zu werden.

Eine Möglichkeit bezüglich verschiedener Lerntypen wäre eventuell, Stunden grundsätzlich so aufzubauen, dass sie jeden Lerntypus ansprechen, demnach visuelle, auditive sowie Bewegungselemente enthalten. Solche Ansätze können in zukünftigen Praktika ausgearbeitet und verfolgt werden.