- Erläutern Sie das in der Vorlesung thematisierte Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule. Nehmen Sie dafür Bezug auf die in der Vorlesung genannten theoretischen Ansätze (v.a. Folien 26-30).
In der Vorlesung wurde über das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreiben in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule geredet. Dabei handelt es sich bei der Inzinierung darum, dass die traditionellen Geschlechterrollen auf verschiedene Arten immer noch auf verschiedene Art und Weisen konstruiert werden (vgl. Kehlenbeck 2004: 40). Bei der Zuschreiben geht es darum, dass diese Konstruktionen so ausmaß nehmen können, dass die Schüler*innen selbst Interessen und sich selbst Fähigkeiten zuschreiben, die nach irrer Interpretation in ihre Rolle als Junge oder Mädchen passen (vgl. Leunig 2023: S.102). In der Vorlesung wurde auch darauf eingegangen, dass Mädchen besonders in den MINT-Fächern benachteiligt werden (vgl. Fantini 2024: rv05). Viehoff geht darauf ein und erläutert, dass Frauen so gut ausgebildet wie noch nie waren, jedoch immer noch eine deutliche Trennung von Geschlechtern bei der Auswahl des Studiengangs und des Berufs (vgl. Viehoff 2015: 79). Obwohl in einer Studie aus 2012 zeigt, dass Mädchen in den MINT-Fächern durchschnittlich bessere Ergebnisse erzielen als Jungs, landen die wenigsten Frauen in MINT-Studiengängen (vgl. ebd.). Viehoff gibt daran den immer noch bestehende Genderrollen und die damit fehlenden Vorbilder für junge Mädchen die schuld (vgl. ebd.).
2. Reflektieren Sie ihre bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.
Während meiner Schulzeit konnte ich einige Erfahrungen zum „Genderpaly“ sammeln. Zu einem wurden meistens immer nur Jungs genommen, um „schwere“ Sachen zu tragen oder aufzubauen, was mich schon in der Grundschule gestört hat, weil ich mich gefragt habe, woher die Lehrer*innen wissen wollen, dass ich „schwächer“ als ein Junge bin, nur weil ich ein Mädchen bin. Zudem habe ich seit der Grundschulzeit schon öfter gehört, dass Mädchen prinzipiell eine schönere Schrift hätten als Jungs und bessere in sprachlichen Fächern sind, Eingegensatz zu den Jungen, die wohl besser in den MINT Fächern seinen.
3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“, auch hier möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion, um deutlich zu machen, dass die Kategorie Gender nicht für sich steht, sondern andere Dimensionen von Heterogenität oftmals wesentlich mit beeinflusst (intersektionale Perspektive).
Beobachten Sie, wie Lehrer*innen den Schüler*innen Feedback geben und Leistungen bewerten. Achten Sie darauf, ob und wie „Genderplay“ dabei eine Rolle spielt und ob klassische Gender Stereotype Einfluss auf die Leistungsbewertung haben.
Literaturverzeichnis:
Augustin-Dittmann, Sandra/ Gotzmann, Helga (2015): MINT gewinnt Schülerinnen, Wiesbaden, Deutschland: Springer Verlag
Voigt-Kehlenbeck, Corinna (2004): Genderpädagogik ist eine Herausforderung: über die Inszenierung der nachfolgenden Generationen – oder: den Blick schärfen für die pädagogische Funktion von Frauen und Männern in Einrichtungen mit gemischtem Klientel, Sozial Extra 28, 40–45, [online] https://link.springer.com/article/10.1007/s12054-004-0071-x#citeas [abgerufen am 10.05.2024]
Fantini, Christoph (2024): Heterogenitätskategorie Geschlecht/Gender in Schule – im Spannungsfeld von Inzinierung und Zuschreibung
Hallo Laura,
danke für deinen Beitrag, in dem du das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule thematisierst. Dabei weist du darauf hin, dass traditionelle Geschlechterrollen weiterhin auf verschiedene Weisen konstruiert werden und Schüler*innen bestimmte Interessen und Fähigkeiten zuschreiben können, die in ihre Geschlechterrolle passen. Es wird auch darauf eingegangen, dass Mädchen in den MINT-Fächern benachteiligt sind und dass trotz besserer Leistungen in diesen Fächern viele Frauen nicht in MINT-Studiengängen landen, was auf bestehende Genderrollen und fehlende Vorbilder zurückgeführt wird.
Viele Lehrerinnen empfinden ergänzend dazu, dass sie ihre Beziehungen zu den Schüler*innen zu ihrer Hauptaufgabe machen, obwohl dies nicht zwangsläufig dem eigentlichen Sinn oder Zweck ihres Berufs entspricht. Diese Tendenz resultiert aus der Unterwerfung unter bestimmte Genderdynamiken, die sowohl von den Lehrkräften selbst als auch von der Gesellschaft erwartet werden (vgl. Flaake 1990, S. 161ff). Gleichzeitig haben Lehrer oft Schwierigkeiten, angemessen mit der Nähe und Zuwendung von Kindern umzugehen, und dies gilt in beiden Richtungen gleichermaßen (ebd.). Daher üben familiäre Beziehungsfaktoren, die von den Lehrkräften übertragen werden, einen starken Einfluss auf die Schülerschaft aus, indem sie Lehrer dazu bringen, sich in gewisser Weise als Mutter- oder Vaterfiguren zu sehen, ohne diese Annahme kritisch zu hinterfragen (vgl. RV05, S. 28f). Es ist wichtig, diesen vorgefertigten Rollen und Erwartungen der Gesellschaft oder der Schüler*innen entgegenzuwirken, um eine professionelle Beziehung aufrechtzuerhalten. Dementsprechend sollten Lehrkräften keine festen Rollenvorstellungen zugeschrieben werden, und dies gilt ebenso für die Schüler*innen. Das Ziel sollte sein, jedem Kind die Möglichkeit zu bieten, sich frei zu entfalten, ohne den vorgegebenen Strukturen oder Vorstellungen anderer zu unterliegen (vgl. Noack-Napoles 2014, S.49ff.).
Deine Erfahrungen zum schulischen „Genderplay“ finde ich sehr relevant, da ich ähnliche erlebt habe. In vielen Projekten und Festen während meiner Schulzeit wurden die Aufgaben von den Lehrkräften je nach Geschlecht aufgeteilt. Jungs wurden oft gebeten, schwere Sachen zu tragen, während Mädchen als Zuständige für „einfache Mädchen Sachen“, wie Dekorieren, Basteln und Malen, angesehen wurden. Darüber hinaus herrschte oft die Annahme, dass Jungs besser in Sport seien als Mädchen. Ich erinnere mich daran, wie die Lehrkräfte automatisch die Jungen für Fußballmannschaften auswählten, während die Mädchen eher für Sportarten wie Volleyball oder Basketball vorgesehen waren. Diese Annahme hat mich gestört, da viele Mädchen in meiner Klasse gerne Fußball gespielt haben und oft das Gefühl hatten, nicht die gleiche Chance zu bekommen. Die Erfahrung, dass bestimmte Aktivitäten oder Fähigkeiten automatisch einem Geschlecht zugeordnet werden, kann frustrierend und einschränkend sein.
Für die Beobachtungsaufgabe bezüglich gendersensibler Pädagogik in kommende Praktika ist es relevant zu untersuchen, wie sich diese Ansätze auf die Leistungsbewertung und -förderung von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichem Hintergrund auswirken. Besonders wichtig ist es dabei zu beachten, ob geschlechtsspezifische Erwartungen oder Vorurteile die Wahrnehmung von Leistungen beeinflussen und ob gendersensible Methoden dazu beitragen können, diese Unterschiede zu mindern oder zu verstärken.
Literaturverzeichnis:
Augustin-Dittmann, Sandra; Gotzmann, Helga (2015): MINT gewinnt Schülerinnen, Wiesbaden, Deutschland: Springer Verlag
Flaake, Karin (1990): Geschlechterverhältnisse, geschlechtsspezifische Identität und Adoleszenz. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie.
Noack-Napoles, Juliane (2014): Schule als Ort des Aufwachsens, der Entwicklung und der Identität. In: Hagedorn, Jörg (Hrsg.): Jugend, Schule und Identität. Selbstwerdung und Identitätskonstruktion im Kontext Schule. Wiesbaden: Springer Verlag.
RV05: Heterogenitätskategorie Geschlecht/Gender in Schule – im Spannungsfeld von Inszenierung und Zuschreibung. Ringvorlesung UMHET.