8. und 9. März 2018 im Haus der Wissenschaft, Bremen

Literatur als Erfahrung, als Hörerlebnis, als Kompetenzfeld oder als theoretischer Gegenstand: Zwischen Königs-Erläuterungen und Textdekonstruktion sind die Analyse und Rezeption literarischer Texte ein umkämpftes Terrain von Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik in der Schule, in der Hochschule und in der literarischen Öffentlichkeit. Schon die Definition dessen, was Literatur ist, ist eine Herausforderung und eine Bestimmung, was man mit ihr zu tun und zu lassen hat, ist nicht einfacher. Auch wenn es einige Schnittmengen gibt, so sind die Forschungsziele von Literaturwissenschaften und Literaturdidaktiken durchaus disparat.

Literaturwissenschaftliche Forschungsprojekte setzen grosso modo einen Fokus auf die theoretische und methodologische Auseinandersetzung mit literarischen Texten, entwickeln insbesondere nach der kulturwissenschaftlichen Wende hochkomplexe neuere Literaturtheorien, während Anwendungsbezüge und literaturpraktische Anliegen eher marginal sind. Ihnen wird folglich oftmals nachgesagt, sie seien hermetisch, metatheoretisch und selbstreferenziell. Literaturdidaktische Forschungsanliegen hingegen setzen ihre Schwerpunkte im Gegensatz dazu eher in den Rezeptionserfahrungen, in den Möglichkeiten sowie Ausrichtungen der
Rezeptionsentwicklung und bildungspolitischen Platzierungen des literarischen Lernens im schulischen Literaturunterricht und widmen sich weniger literatur- oder kulturtheoretischen Fragestellungen. Diese unterschiedlichen Fokussierungen lassen die Schnittmengen zwischen den Disziplinen oftmals unsichtbar werden und befördern nachgerade eher deren fachkulturelle Trennungen. Überspitzt formuliert: Theoretisierte Literaturwissenschaft und praxisorientierte Literaturdidaktik stehen sich – bis hin zur Kontroverse – gegenüber. Und beide universitäre Fachkulturen vernachlässigen weitestgehend das literarische Feld, da sie die Rolle der Literatur in der kulturellen Öffentlichkeit nicht systematisch im Blick haben. Weder hier noch da werden Formate wie Lesungen, Literatursendungen, literarische Podcasts, Audio- oder EBooks oder
Vlogs beständig als Formen der Literaturvermittlung in den Blick genommen.
Studierende der Philologien erleben diese Kontroversen oftmals in der Abkopplung von
literaturwissenschaftlichen Seminaren und jenen der Literaturdidaktiken und stehen damit häufig allein vor der Herausforderung, ihre disparaten Gegenstände und Fragestellungen miteinander in Beziehung zu setzen. Aber auch für Forschende und Lehrende bedeutet diese Form der Koexistenz weitestgehend die wechselseitige Unkenntnis – wenn nicht gar Ignoranz. So werden in den Literaturdidaktiken neuere literaturtheoretische Ansätze und Textgattungen eher selten oder bestenfalls mit großer Verzögerung rezipiert und auf ihr didaktisches Potenzial befragt. Und von literaturwissenschaftlicher Seite werden rezeptionstheoretische Ansätze skeptisch betrachtet und praxisnahe Fragen der Literaturvermittlung eher stiefmütterlich behandelt. Noch stärker zeigt sich diese Trennung auf der Ebene von LehrerInnen und schulischem Sprachunterricht, werden doch praxisorientierte Fachzeitschriften, Unterrichtsmaterialien und auch Fortbildungen überwiegend aus Unterrichtspraxis und den jeweiligen Fachdidaktiken gestaltet.

Das Bremer Projekt „Literaturvermittlung hoch3“ nimmt diese Kontroversen auf und sucht wieder nach jener Schnittmenge, in der Literaturwissenschaft und –didaktik in freundlicher Konfrontation innovative Ansätze formulieren können. Das Projekt nimmt die fehlende interdisziplinäre Verzahnung sowie den eingeengten Blick auf Literaturpraxis zum Anlass, einen interdisziplinären Austausch zwischen Literaturwissenschaften, Literaturdidaktiken, dem Praxisfeld des Literaturunterrichts aber auch des literarischen Feldes anzuregen. Ziel ist es, die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Praxisfelder in Dialog zu bringen, indem es
die Literaturwissenschaften motiviert, Literaturvermittlung im Hinblick auf schulische
und literarisch-kulturelle Anwendungskontexte in den Blick zu nehmen und im Zuge
dessen neuere Rezeptionstheorien zu rezipieren und zu reflektieren

  • für die Literaturdidaktiken neue Ansätze der Literaturvermittlung durch den gezielten literaturtheoretischen Input und durch die Erweiterung der Anwendungsbezüge auf das außerschulische literarische Feld entwickelt
  • auf hochschuldidaktischer Ebene neue Konzepte und Lehrformate universitärer
    Literatur(vermittlungs)lehre entwickelt, die sich ausnahmslos durch eine enge
    interdisziplinäre Kooperation auszeichnen
  • ganz bewusst enge Kooperationen und gemeinsame Projekte mit schulischer Praxis und Literaturöffentlichkeit anstrebt.

Die Tagung KONTROVERS: Literaturwissenschaft meets Literaturdidaktik wendet sich daher gleichermaßen an LiteraturwissenschaftlerInnen und LiteraturdidaktikerInnen (Romanistik, Germanistik, Anglistik) sowie an LehrerInnen (der Fächer Deutsch und Fremdsprachen) und VertreterInnen des außerschulischen literarischen Feldes und lädt zu einem interdisziplinären Dialog ein. Die Tagung verfolgt drei Schwerpunktbereiche, in denen folgende Themen oder Fragestellungen diskutiert werden könnten:

  • Fokus I: Literatur lesen! Anregungen zu einem interdisziplinären Dialog zwischen
    Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik
    o Vorstellung neuerer und neuester Rezeptionstheorien (nach der Konstanzer
    Schule, Posthermeneutik, „Tod des Lesers“? etc.) und ihrer Anwendungen
    o Was ist und soll Literaturvermittlung? Neuere Theorien der Interpretation,
    Analyse, Deutung und Literaturerfahrung
  • Fokus II: Literatur lesen lehren! Hochschuldidaktische Perspektiven für eine stärkere
    Verzahnung von literaturwissenschaftlicher und literaturdidaktischer Lehre
    o Kontroversen als hochschuldidaktische Verfahren: Interdisziplinarität als Dialog
    von Disziplinen
    o Von der Hospitation über das Team-Teaching bis zum Flipped Classroom:
    Hochschuldidaktische Verfahren für die Literaturlehre in der Universität
  • Fokus III: Literatur leben! Anregungen für die Praxisfelder Schulunterricht und
    literarisches Feld und für die Brücken zwischen schulischer und außerschulischer
    Literaturvermittlung
    o Berührungspunkte von Literaturunterricht und kultureller Literaturvermittlung
    o Lesungen in der Schule – nicht mehr zeitgemäß?

Bitte senden Sie ein kurzes Abstract im Umfang von max. 200 Wörtern zu Ihrem
Beitragsvorschlag (ca. 20 Minuten Vortrag und 10 Minuten Diskussion) bis zum 30.11.2017 an Helen Cornelius (helen.cornelius@uni-bremen.de), die auch für weitere Fragen gerne zur Verfügung steht.
Eine Rückmeldung erfolgt bis zum 24.12.2017.

Der Call zum Herunterladen:
CfP_KONTROVERS_LitWiss_meets_LitDiD_011