Sinnhaftigkeit von Lernstandserhebungen mit digitalen Medien

In den letzten Tagen habe ich Recherche bezüglich der Argumente für und gegen den Einsatz von digitalen Medien zum Dokumentieren des Lernprozesses betrieben. Dabei ist die Liste der Argumente für eine Digitalisierung lang, während Contra-Argumente oft nur in Zusammenhang mit bestimmten Plattformen und Programmen Erwähnung finden. Trotzdem werden die Argumente einmal gegenüber gestellt, sodass die Sinnhaftigkeit der Nutzung von digitalen Medien für Lernstandserhebungen diskutiert werden kann.

Das Für und Wider – Medienpädagogik

Medienbildung ist als solche bereits in den Curricularen der jeweiligen Bundesländer gefordert, da die Schülerinnen und Schüler von Anfang an mit digitalen Medien aufwachsen und sie im Berufsleben heutzutage essentiell sind. Insofern ist eine Entwicklung von Medienkompetenzen im schulischen Bildungskontext sinnvoll. Doch inwieweit dies auch für Lernstandserhebungen gilt, ist nun zu diskutieren.

Mithilfe von digitalen Medien soll die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden. Sie sollen eine Unterstützung bieten, damit Schülerinnen und Schüler eigene Lernkulturen und -strategien entwickeln können, um selbstständig eigene Stärken und Schwächen herauszuarbeiten (vgl. Heinen/Kerres 2015: 4). Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, mithilfe von digitalen Medien die Lernprozesse der Lernenden zu unterstützen; darunter fallen etwa die Veranschaulichung von Texten durch Bild und Ton, interaktive Aufgaben, mit welchen der Lernprozess beobachtet werden kann oder die Zusammenarbeit mit Mitschülerinnen und -schülern, indem an Dokumenten und digitalen Präsentationen zusammengearbeitet wird (vgl. Heinen/Kerres 2015: 6-7). Zum Bereich der Lernstandserhebung zählen Formate, mit denen das „Lernen sichtbar“ (Heinen/Kerres 2015: 7) gemacht werden kann; hierbei werden das Erarbeiten eines Portfolios oder die Reflexion von Weblogs vorgeschlagen. Das bedeutet, dass Lernstandserhebungen einen Beitrag zur individuellen Förderung leisten können, sofern diese transparent gemacht und reflektiert werden.

Digitale Medien zeigen weitere Vorzüge, denn dadurch können Lernzeiten und -orte flexibel gestaltet werden (vgl. Heinen/Kerres 2015: 8). Eine entsprechend transparent gestaltete Lernstandserhebung kann die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, da sie prinzipiell zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort an Inhalten arbeiten können, die ihnen Schwierigkeiten bereiten. Dies kann zu einem intensiveren Lernen führen und die Motivation der Schülerinnen und Schüler steigern. Durch die verschiedenen Möglichkeiten, die sich mit digitalen Medien bieten, können zusätzlich Medienkompetenzen erworben werden, die für das spätere Leben verfügbar sein werden, unter anderem instrumentale Fähigkeiten und das Verschaffen von Zugängen zu Wissen (vgl. Heinen/Kerres 2015: 8-9).

Allerdings sind die Möglichkeiten begrenzt, denn es braucht gewisse Voraussetzungen, damit solches Lernen funktionieren kann. Die mitunter wichtigste Voraussetzung für flexibles Lernen ist ein Internetzugang, da einige Programme einer Internetverbindung bedürfen, um diese nutzen zu können (vgl. Novack 2020: 4). Wenn keine Internetverbindung gewährleistet ist, können Lernzeit und -ort nur eingeschränkt gestaltet werden, da sich das Lernen dann meist auf die eigenen vier Wände nach der Schule und Freizeitaktivitäten beschränkt. Zudem spielen auch die Kosten eine wichtige Rolle: Hierbei ist die Frage, ob die Geräte von der Schule gestellt werden oder diese selbst anzuschaffen sind (vgl. Novack 2020: 4). Wenn die Lernstandserhebungen digital erfolgen sollen, so werden Schülerinnen und Schüler abgehängt, die das Geld für ein solches Gerät nicht aufbringen können. Dies schafft Ungleichheiten innerhalb der Klasse oder auch des Jahrgangs, sodass es nicht nur zu Mobbing kommen könnte, sondern auch eine faire Bewertung der Leistung nicht gewährleistet werden kann. Sollte der digital erhobene Lernstand nur für Schülerinnen und Schüler mit entsprechenden Endgeräten zur Verfügung stehen, können benachteiligte Lernende nicht darauf zugreifen, was zur Folge hat, dass die Lehrkraft sie auch ohne ihr Wissen schlechter bewerten könnte. Weiterhin steht die Frage im Raum, inwiefern ein technischer Support vorhanden ist, damit im Problemfall eingegriffen werden kann (vgl. Novack 2020: 4). Sollte es keine Möglichkeit geben, einen technischen Support zu kontaktieren, so ist auch die digitale Lernstandserhebung nicht möglich, wenn nicht darauf zugegriffen werden kann.

Insgesamt ist rein aus medienpädagogischer Sicht ein hoher Aufwand nötig, um Schülerinnen und Schüler an Medienkompetenzen heranzuführen und diese gemeinsam mit ihnen zu entwickeln. Jedes kleine Problem kann die Technik lahmlegen, sodass eine transparente Lernstandserhebung schwierig wird. Dennoch bieten digitale Lernstandserhebungen Möglichkeiten zum selbstständigen Lernen „unabhängig“ von Ort und Zeit und zum Erwerb von Medienkompetenzen.

Es gibt nun aber auch einige Methoden, mit denen Lernstandserhebungen durchgeführt werden können. Einige sind in Artikeln explizit erwähnt worden, sodass auch einzelne Methoden näher beleuchtet werden können.

 

Argumentation hinsichtlich bestimmter Methoden der Lernstandserhebung mit digitalen Medien

Bei meinen Recherchen bin ich auf einen Artikel auf der Seite der Eberhard Karis Universität Tübingen gestoßen, in welchem Vorteile und Möglichkeiten der Lernstandserhebungen mit digitalen Medien erläutert werden. Ein Vorteil besteht in der verbesserten Möglichkeit der Selbsteinschätzung von Schülerinnen und Schülern. Tendenziell schätzen sie sich eher besser ein als ihre Leistungen wirklich sind. Durch eine transparent gestaltete, digitale Alternative könnten die Lernenden einen Überblick über ihren aktuellen Lernstand bekommen und herausfinden, was sie schon gut können und worin noch Nachholbedarf besteht (vgl. Lachner 2020). Ebenfalls können je nach Art der Lernstandserhebungen zwischen den Schülerinnen und Schülern Feedback und Kritik ausgetauscht werden, um das gemeinsame Lernen und den Zusammenhalt in der Klasse zu stärken (vgl. Lachner 2020). Dies gelinge zum Beispiel mit Online-Tests, die geschlossene und offene Aufgaben gleichermaßen beinhalten.

Es gibt allerdings bestimmte Gelingensbedingungen, damit dies auch für die Schülerinnen und Schüler sinnvoll ist. Darunter fällt zum einen, dass diese Methode kontinuierlich im Unterricht eingesetzt werden muss und sich nicht am Ende einer Unterrichtseinheit sammelt, damit sich Wissen besser festigen kann (vgl. Lachner 2020). Weiterhin ist auch die Motivation von Schülerinnen und Schülern für dieses Unterfangen relevant, sich regelmäßig „Prüfungen“ zu unterziehen, was sicherlich auch für sie eine Herausforderung darstellen kann (vgl. Lachner 2020). Zum anderen bedarf es bei offenen Aufgaben gezielte Leitfragen, um die Bearbeitung zu erleichtern. In Summe gibt es also bei dieser Methode viele Aspekte zu beachten, damit eine entsprechende Lernstandserhebung funktionieren kann.

 

Aus einem weiteren Artikel von Middendorf geht hervor, dass eine digitale Lernstandserhebung im Vergleich zu einer analogen Lernstandserhebung Möglichkeiten zur Interaktivität und Wiederverwendbarkeit bietet, um Lektionen bei Wiederholungsbedarf nochmal zu absolvieren (vgl. Middendorf 2022: 3). Dabei kann die lernende Person eigene Wissenslücken erkennen und an ihnen gezielt arbeiten. Durch ein Feedback erfährt sie dann auch, ob ein Leistungsfortschritt vorhanden ist (vgl. Middendorf 2022: 3).

Problematisch bei einer der Nutzung von digitalen Medien, um Lernstandsdiagnosen machen zu können, kommen Geräte und Programme an ihre Grenzen: Jedes Programm leistet unterschiedliche Formen, mit denen ein Lernstand erhoben werden kann (vgl. Middendorf 2022: 5). Exemplarisch gibt es Programme, die nur auf Tests ausgelegt sind, womit in den Fremdsprachen aber keine Aussprache geübt werden kann. Auch Programme, mit denen Naturwissenschaften und Mathematik hervorragend bearbeitet werden können, bieten keine Möglichkeit, Kompetenzen im Bereich der Kreativität zu entwickeln (vgl. Middendorf 2022: 5). Je nach Anlass kann es dementsprechend zu einer Nutzung vieler verschiedener Programme kommen, womit auch der Überblick einerseits für die Lehrkraft, andererseits auch für Schülerinnen und Schüler verloren gehen könnte. Andernfalls müsste ein Programm gefunden werden, welches viele sinnvolle Möglichkeiten abdeckt, sodass nur eines, maximal zwei Programme genutzt werden müssen.

 

Fazit und Ausblick für kommende Beiträge

An dieser Stelle kann schon zusammengefasst werden, dass eine Nutzung von digitalen Medien zur Lernstandsdiagnostik sinnvoll ist, jedoch die Vor- und Nachteile abhängig sind von den jeweilig genutzten Programmen. Im Allgemeinen bieten diese allerdings die Möglichkeiten, bestimmte Kompetenzen mit ihnen zu erwerben. Auch kann das Lernen dadurch verbessert werden, indem die eigenen Leistungen transparent dargestellt werden und Wiederholungsmöglichkeiten bei Wissenslücken bestehen. Folglich sollten diese also genutzt werden, allerdings ist eine kontinuierliche Nutzung wichtig, sodass auch die Lernenden einen Vorteil darin sehen können, indem sie ihren Lernprozess genau beobachten. Zudem müssen allgemeine Voraussetzungen geschaffen werden, damit ein solches Unterfangen möglich ist, wie etwa eine Internetverbindung und Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler.

An dieser Stelle stellt sich dann die Frage, welche Programme es gibt und auf welche Art und Weise mit ihnen ein Lernstand diagnostiziert werden kann. Dies wird in einem neuen Beitrag behandelt.

 

 

 

Literaturreferenz

Heinen, Richard/Kerres, Michael (2015): „Individuelle Förderung mit digitalen Medien. Handlungsfelder für die systematische, lernförderliche Integration digitaler Medien in Schule und Unterricht“; in: Bertelsmann-Stiftung <https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_IB_iFoerderung_digitale_Medien_2015.pdf> [Letzter Zugriff: 10.08.2024]

Lachner, Andreas (2020): „Evidenzbasierte Hinweise zum Einsatz digitaler Medien im Lehr-Lernkontext. Lernstand diagnostizieren mit digitalen Medien“, in: Eberhard Karis Universität Tübingen <https://lms-public.uni-tuebingen.de/ilias3/ilias.php?baseClass=ilwikihandlergui&cmdNode=181:sf&cmdClass=ilobjwikigui&cmd=viewPage&ref_id=6687&page=Lernstand_diagnostizieren_mit_digitalen_Medien> [Letzter Zugriff: 31.07.2024]

Middendorf, Wiliam (2022): „Zu der KMK-Forderung nach digital gestützter Diagnostik und Lernförderung in Schule“; in: predocs <https://www.pedocs.de/volltexte/2022/23907/pdf/Middendorf_2022_Zu_der_KMK-Forderung.pdf> [Letzter Zugriff: 03.08.2024]

Novack, Ericka (2020): „Digitalisierung an Schulen: Welche Möglichkeiten und Hürden gibt es für den Einsatz von digitalen Medien in Schulen?“; in: ResearchGate <https://www.researchgate.net/profile/Erika-Novack/publication/341353862_Digitalisierung_an_Schulen_Welche_Moglichkeiten_und_Hurden_gibt_es_fur_den_Einsatz_von_digitalen_Medien_in_Schulen/links/5ebbf551299bf1c09aba0a67/Digitalisierung-an-Schulen-Welche-Moeglichkeiten-und-Huerden-gibt-es-fuer-den-Einsatz-von-digitalen-Medien-in-Schulen.pdf origin=publication_detail&_tp=eyJjb250ZXh0Ijp7ImZpcnN0UGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uIiwicGFnZSI6InB1YmxpY2F0aW9uRG93bmxvYWQiLCJwcmV2aW91c1BhZ2UiOiJwdWJsaWNhdGlvbiJ9fQ> [Letzter Zugriff: 10.08.2024]


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