Social Media

Die Rolle von Social Media während des Konzertsommers 2024 und welche Effekte Konzertaufnahmen auf die Sozialen Medien haben

Wer im Jahr 2024 ein Smartphone besitzt und aktiv Social Media nutzt, wird um sie nicht herumgekommen sein – Aufnahmen von Konzertbesuchen. Mitschnitte von teils nur wenigen Sekunden, aufgenommen mit wackligem Bild, im Hintergrund Stimmen, die Texte mitschreien. Diese Videos gehen regelmäßig viral auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Besonders auf letzterer Plattform gehören Konzertvideos zu den Videos mit Top Aufrufen. Wie diese Videos seit der Corona Pandemie an Beliebtheit gewinnen und wie sich Social Media auf Konzerte bestimmter Künstler*innen auswirkt, werde ich nun zu erklären versuchen.

Corona und die Videoberichterstattung

Die ersten Höhen der Videoberichterstattung finden auf Social Media gerade nach der Pandemie statt. Durch die soziale Isolierung, welche auch den Verzicht auf Konzertbesuche mit sich zog, beginnen die Leute sich vermehrt nach sozialen Interaktionen zu sehnen. Da das physische Anwesendsein in dieser Zeit nicht möglich ist, greifen die Menschen auf das Internet, besonders Social Media zurück, um sich an vergangene Veranstaltungen zu erinnern und die kommenden herbeizusehnen. Somit steigt der Konsum Sozialer Medien.

Nach der Pandemie ist das Bedürfnis danach, aus dem Haus zu kommen und an Veranstaltungen teilzunehmen höher denn je, der Andrang auf Konzerte riesig. Wo sich in einem gewissen Maße schon immer einige Konzertvideos auf der “For you Page” tummelten, schießt die Anzahl der Videos nun erst recht in die Höhe. Besonders beliebt sind hierbei Mitschnitte der großen internationalen Acts. Gerade diese der sogenannten “Love on Tour” des englischen Sängers Harry Styles, welche im September 2021 begann, werden immer mehr hochgeladen und gehen regelmäßig viral. Im Folgejahr dann die “After Hours” Tour des kanadischen Sängers TheWeeknd und die “Renaissance” Tour von der US-amerikanischen Sängerin Beyoncé im Jahr 2023. Doch eine Künstlerin im Besonderen trägt zu dem internationalen Boom an Konzertvideos bei.

Die “Eras Tour” und ihre Einflüsse auf Social Media

Die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift geht von März 2023 bis Dezember 2024 auf große Welttournee. Die “Eras Tour”, welche eine dreistündige Show ist, die all ihre Alben und somit ihre gesamte Karriere abdeckt, wird bereits nach etwa einem halben Jahr Laufzeit zu der umsatzstärksten und erfolgreichsten Tournee aller Zeiten gekürt.

Bereits bei der Ankündigung der Tournee ist die Aufregung groß. Tickets verkaufen sich wie heiße Semmeln, Preise steigen. Auch nach Deutschland zieht es die Sängerin. Gleich an mehreren Tagen pro Stadt tritt sie in Hamburg, Gelsenkirchen und München auf. Dies zog auch nicht an Bremen vorbei. Bei Straßenumfragen, die wir nach Abschluss der Tournee in der Innenstadt vollzogen, konnten wir feststellen, dass auch viele Bremer*innen Interesse daran hatten, die Shows zu besuchen, auch wenn diese in teils weit entfernten Städten stattfanden. Auch einige, die keine Fans der Sängerin sind, hätten gerne Tickets erworben. Aus eigener Erfahrung kann ich, als nicht-Swiftie (Swiftie nennen sich die Ultrafans der Sängerin) von mir behaupten, sehr gerne zu der Tour gegangen zu sein.

Doch woran liegt es, dass sogar nicht-Fans zu den Weltshows gehen wollen? Der wohl logischste Schluss wäre hier die sogenannte FOMO, also die “fear of missing out”, die Angst davor, etwas zu verpassen. Wer kein Fan ist, aber unbedingt gehen will, tut dies, weil das Thema in aller Munde ist. Grund dafür ist Social Media. Aufnahmen, die ja bereits seit der Pandemie viral gehen, werden schon bei den ersten Shows in den Vereinigten Staaten aufgenommen und Stimmen sind sich einig: Das Bühnenbild, die Choreographie, die Performance der Sängerin, schlichtweg alles ist groß und bunt und schön. Riesige Hallen, die von singenden Stimmen erfüllt sind, leuchtende Handys im Menschenmeer, da bekommt man Lust, Teil des Spektakels zu sein.

Was sich durch die ersten Shows in den USA zieht, baut sich so sehr auf, dass, als Taylor Swift erstmals internationalen Boden betritt, schon alle Welt (zumindest der Teil der Welt, der einen Social Media Account hat) die Aufnahmen der Eras Tour gesehen hat. Doch die Karten sind bereits alle verkauft. Da kann nur helfen, sich mit den Aufnahmen aus Europa und Co zufrieden zu geben. Regelmäßig werden Clips hochgeladen, die teilweise ganze Songs, oder den berühmten Countdown vor der Show zeigen. Zuletzt während des nur wenige Stunden andauernden TikTok Bans in den Vereinigten Staaten gehen Videos viral, die wie ein letzter Triumph gegen den bevorstehenden Ban teils stundenlange Aufnahmen der Tour zeigen, um dem Following die möglich zu geben, das Konzert mitzuerleben. Doch auch diejenigen, die Karten ergattern konnten, profitieren von der hohen Berichterstattung. So verbreiten sich schon nach kurzer Zeit Videos, in denen Interaktionen mit der Sängerin erklärt werden. Phrasen, die zu bestimmten Teilen der Lieder vom Publikum gerufen werden können, in einer Art “Call and Response”- Spiel mit der Sängerin, ziehen ihre Runden durch die Sozialen Medien.

Auch eine Strategie der Sängerin trägt zu den hohen Aufrufen der Konzertvideos bei. So singt sie zu jeder Show etwa zwei “Surprise Songs”, also Songs aus ihrem Katalog, die sonst nicht fest zu der Setlist gehören und die sich bei jeder Show unterscheiden. Zu erfahren, ob der persönliche Lieblingssong heute auf der Tour gespielt wurde, motiviert die Masse an Fans, welche nicht anwesend sein konnten, ihr Handy zu zücken.

 All dies sind Trends und in gewisser Weise Tools, um Klicks zu erzielen und Aufmerksamkeit auf die Konzerte zu lenken. Dessen sind sich auch die Veranstalter*innen der Konzerte bewusst. So wird bei dem Bau des Bühnenbilds und der Garderobe der Künstler*innen gezielt auf Interaktivität geachtet, auf kleine Überraschungen, die sich besonders gut filmen lassen.

Der Ticketjagd rund um Adele

Die englische Sängerin Adele hingegen setzt auf eine andere Form der Interaktivität. Nachdem im Sommer 2024 in München eine eigens auf die Sängerin abgestimmte Bühne errichtet wurde, wurde ebenfalls auf dem Gelände die sogenannte “Adele World” erbaut. Wie ein kleiner Ereignispark, der beinahe die gleiche Größe wie die Konzerthalle an sich hat, stehen dort einige Aktivitäten, beispielsweise ein Riesenrad, bereit um das Publikum beim Warten auf die Sängerin bei Laune zu halten. Die insgesamt zehn Münchner Konzerte konnten eine Menge Trubel auf sich lenken, so tritt die Sängerin hier das erste Mal wieder seit 2016 in Europa auf. Internationale Massen strömen in die Halle, so berichtet eine Besucherin im Interview mit mir, dass man viele verschiedene Sprachen aus der Menschenmasse heraushören konnte. Sogar aus Lateinamerika strömen Besucher*innen nach München, da Karten für die Las Vegas Show der Sängerin eben noch teurer zu sein scheinen als diese in Deutschland. So sei es nicht ungewöhnlich gewesen, fünfstellige Beträge für eine Karte zu zahlen.

Mit einem simplen Bühnenbild, und einem klar gesetzten Fokus auf die Stimme der Sängerin, so die interviewte Besucherin, schienen die Auftritte um einiges schlichter im Vergleich mit der “Eras Tour”. Doch natürlich wurden auch hier interaktive Elemente geboten, um das Publikum zu begeistern. So wurden Flyer bereitgelegt, auf denen ein QR-Code gedruckt ist, über den man Bilder und Nachrichten einsenden konnte, die während der Show auf den Leinwänden neben der Künstlerin eingeblendet werden. Zu sagen, dass das eine Möglichkeit ist, das Publikum zum Posten auf Instagram und Co zu motivieren, wäre hierbei bestimmt nicht falsch. Dass das eigene Foto groß zu sehen neben der Sängerin ist, gilt es eben festzuhalten und zu teilen.

Wodurch die Münchner Konzerte der Sängerin allerdings am meisten auf den Sozialen Medien vertreten waren, ist vermutlich die Verlosungsaktion, über die man an Karten gelangen konnte. Da einige der Konzerte nicht ausverkauft waren, was vermutlich mit sehr hohen Preisen zusammenhing, so besagte Besucherin, wurden zur Zeit der Konzerte jeweils montags über eine Plattform Tickets für nur 35€ angeboten, für welche man sich anmelden konnte. Diese wurden dann zufällig verlost, was zu einem großen Aufruhr auf Social Media führte. Von Besucher*innen, die Tickets für viel Geld im Vornherein kauften und unzufrieden darüber waren, dass die gleichen Plätze nun für viel weniger Geld verteilt wurden, bis zu Gewinner*innen der Karten, welche spontan teil des Spektakels rund um den Weltstar wurden, war hier alles vertreten.

Coldplay’s ungewöhnlicher Konzertansatz

Anders allerdings handhabt es die britische Pop-Rock-Band Coldplay. Die Band unter dem Sänger Chris Martin steht oft im Diskurs, da sie nun seit einigen Jahren versuchen, ihre Tourneen emissionsärmer zu gestalten – und das erfolgreich. Schon im Jahr 2023 schaffen sie es, 47% der entstehenden Emissionen einer Welttournee, im Vergleich zu ihren vorherigen Auftritten zu kürzen. Bis 2025 steht nun das Ziel, diese ganz zu streichen und somit eine vollends nachhaltige Konzerterfahrung, sowohl für das Team als auch für das Publikum zu gestalten. Ein Vorhaben, das auch in den Sozialen Medien gut ankommt.

Worin sich jedoch ein großer Unterschied zu anderen Acts feststellen lässt, ist der Versuch, das Publikum dazu zu bringen, ihre Smartphones zu zücken und die festgehaltenen Eindrücke zu posten. Natürlich bedeutet das nicht, dass ein eindrucksvolles Bühnenbild vermieden oder den Konzertgänger*innen die Erfahrung vermiest wird. Stattdessen regt die Band nun schon seit Jahren ihr Publikum dazu an, ihre Smartphones auszulassen, im Moment zu leben und das Konzert zu genießen, ohne stets auf den Bildschirm in ihrer Hand zu starren, um ein möglichst eindrucksvolles Video für Social Media aufzunehmen. Auch auf wechselnde Outfits und Easter Eggs wird verzichtet, der Fokus der Band scheint eher auf dem Genießen im Hier und Jetzt zu liegen, weniger im Genießen des Anschauens von Videomaterial.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Sozialen Medien, besonders seit der Pandemie einen großen Einfluss auf die Konzertkultur haben. Besonders im Jahr 2024 lassen sich verschiedene Ansätze feststellen, mit denen Aufmerksamkeit auf die Konzerte gelenkt werden soll. Mit auffälligen Gestaltungen in Sachen Bühne und Kleidung, bis zu ausgeklügelten Ticketaktionen wird für alle gesorgt. Auch wenn sich hier die Ziele verschiedener Künstler*innen unterscheiden können, gilt dennoch, dass die Sozialen Medien eine wichtige Rolle in der Vermittlung eben dieser Ziele spielt.

Autorin: Merle Stadtlander