In der heutigen Vorlesung stellte uns Prof. Dr. Frank J. Müller mögliche Konsequenzen bei der Aussonderung von SuS mit sonderpädagogischen Förderbedarf vor.
Zunächst erscheint eine homologe Lerngruppe von SuS mit sonderpädagogischen Förderbedarf als „sinnvoller“ oder auch „einfacher“. Jedoch zieht eine solche Kategorisierung bzw. Aussonderung oft auch viele Nachteile mit sich.
Generell orientieren sich SuS an anderen Mitschülern, das heißt, dass sie ihre Klassenkameraden studieren und möglicherweise Verhaltensweisen übernehmen. Durch Nachahmung ihrer ebenfalls beeinträchtigten Mitschüler können somit zusätzlich neue (vll. unerwünschte) Verhaltensweisen entstehen.
Den SuS fehlen „richtige“ Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Ohne Vorbilder fällt es den SuS schwerer sich weiterzuentwickeln, zu bilden oder auch soziales Verhalten zu erlernen.
Anschließend an die Ringvorlesung 7 wird den SuS mit dem Label „sonderpädagogischer Förderbedarf“ nicht nur Ressourcen zur Verfügung gestellt, sondern es bedeutet auch gleichzeitig, dass ihnen oft Chancen auf Bildung verbaut werden. So erhalten viele SuS keinen oder nur einen geringen Schulabschluss, obwohl sie in der Lage wären, eine Regelklasse zu besuchen und einen Abschluss zu erreichen.

Die Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung“ kann die Information enthalten, dass der SuS kognitiv eingeschränkt ist. Außerdem können auch sprachliche oder soziale Probleme bestehen. Bei dem „Förderschwerpunkt Lernen“ bestehen möglicherweise Konzentrationsprobleme sowie Sprach- oder Schreibschwächen.

Aber wie geht man mit solchen Diagnosen um?

Vorerst muss man klarstellen, dass es bei einer Diagnose immer ein Ressourcen-Etikettiergungs-Dilemma gibt. Denn durch die Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung“ wird nicht ersichtlich, in welcher Weise sich dieser Förderbedarf zeigt. Es herrscht also eine begrenzte Aussagekraft der einzelnen Kategorien.
Am wichtigsten ist es, sich ein Bild von dem SuS zu machen. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten.

Man kann zum einen mit dem Schüler selbst sprechen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Zum anderen gibt es die Möglichkeit sich den Diagnosebericht durchzulesen oder Mitschüler zu befragen.

Die wichtigsten Verbündeten stellen aber die Eltern dar. Neben der Schule verbringen die Kinder die meiste Zeit mit ihren Eltern. Diese können oft am besten beurteilen, welche Methoden klappen könnten und welche nicht. Außerdem können sie oft gut beschreiben, worin die generellen Probleme beim Lernen oder der emotional-sozialen Ebene bestehen. Mit der Einverständniserklärung der Eltern kann man sich auch an Kollegen wenden, die schon Erfahrungen mit dem SuS im Unterricht sammeln konnten.

Generell gibt es kein Rezept, das alle Schwierigkeiten löst, aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Unterricht, so gut es geht, vorzubereiten.
Das A und O ist dabei der regelmäßige Austausch mit Eltern, Kollegen, ggf. zuständigen Sonderpädagogen, aber auch besonders mit den SuS selbst. Die SuS können am besten sagen, ob sie über- oder unterfordert sind. Außerdem sollte man generell akzeptieren, dass die SuS vielfältige Bedürfnisse haben, auf die man als Lehrer eingehen muss.
Durch gestaffelte Lerninhalte oder Aufgabenzettel haben die SuS die Möglichkeit, in ihrem eigenen Arbeitstempo oder Schwierigkeitsgrad zu arbeiten und somit auch das Lernen individuell zu gestalten. Man sollte sich dabei immer die Frage stellen, ob die Unterrichtsinhalte für jeden SuS zugänglich sind, das heißt, ob zum Beispiel die Sprache angemessen ist. Das gilt nicht nur in einer Klasse mit SuS, die einen Förderbedarf haben, sondern sollte generell immer vorhanden sein. Denn jeder SuS mit oder ohne Förderbedarf ist individuell und hat verschieden Stärken und Schwächen.