Weißkohl und Bratapfel

„Your faith was strong but you needed proof, you saw her bathing on the roof, the moonlight and the beauty overthrew you“

Es ist ein grauer Freitagmorgen, Pentatonix läuft in meiner Playlist und ich werde nachdenklich. Neulich erst haben wir die Sinne in einem Seminar thematisiert. Wie privilegiert wir eigentlich sind, ohne es wirklich wahrzunehmen. Dass fällt uns erst auf, wenn wir mit der Nase darauf gestoßen werden.

Jeden Tag sehe ich meine Umgebung, nehme die Eiseskälte, den Wind und leider manchmal auch den Regen wahr. Rieche, wenn irgendjemand kilometer weit entfernt grillt, den Duft von Bratäpfeln, die gerade aus dem Ofen kommen und doch beschwere ich mich, sobald sich ein unangenehmer Duft den Weg zu meiner Nase gebahnt hat. Sollte ich nicht viel mehr dafür dankbar sein, dass ich all die positiven Seiten wahrnehmen kann, anstatt mich über die Ausnahmen aufzuregen?

Ich höre den Lärm der Großstadt, welcher manchmal negativ aber fast immer beruhigend auf mich wirkt. Das Singen meiner Mutter, während sie gerade Brot backt, dass Lachen meines Freundes und vieles weitere. Aber diese Fähigkeit befähigt mich nicht nur dazu, Situationen richtig zu erfassen, sondern schützt mich gleichzeitig auch. Oft war ich mit den Gedanken ganz woanders und bin nur dank des Hupens eines Autos nicht über eine rote Ampel gelaufen. Also danke, Hörsinn, dass ich dich habe.

Ich gehe mal davon aus, dass jeder von uns dieses Gefühl kennt, sich abends in ein frisch bezogenes Bett zu legen, einen warmen Pullover anzuziehen oder nach einem langen Tag endlich die unbequeme Jeans gegen eine gemütliche Jogginghose tauschen zu können. Dass ist für mich jedes mal das Pure Glück. Aber auch die Fähigkeit des Schmeckens würde mir unfassbar fehlen. Sowohl mein Lieblingsessen als auch Weißkohl (und das will schon etwas heißen).

So richtig wird mir also jetzt erst bewusst, wie gut ich es habe. Tagtäglich nehme ich diese Fähigkeiten als gegeben und selbstverständlich an, obwohl sie dies nicht sind. Vielleicht wird es also mal Zeit mehr darüber nachzudenken und sich dessen zu erfreuen.

 

2 Comments on “Weißkohl und Bratapfel

  1. Toller Text! Vor allem die Idee mit dem Zitat am Anfang finde ich super. Ich hab mich bis jetzt noch nicht wirklich mit dem Thema Sinne auseinandergesetzt, aber ich kann deine Empfindungen sehr nachvollziehen.

  2. Beim Lesen deines Textes kann man alles fühlen was du beschreibst, klasse!

    Ich höre häufig Menschen die sagen: „Ich darf mich nicht beschweren, anderen geht es schlechter““.
    Diese Haltung ist nicht immer der richtige Ansatz um ein zufriedenes Leben zu führen.
    Auch wenn man sich im klaren über die eigenen Privilegien sein sollte, darf man trotzdem Dinge kritisieren welche die eigenen Lebensumstände erschweren. Nur wenn es tief Phasen im Leben gibt, erlebt man Höhepunkte.
    Menschen unter schwierigen Lebensumständen z.B in anderen Kulturkreisen oder sozialen Schichten erleben diese schwankenden Empfindungen auf einer anderen Grundlage.

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