1. Stellungnahme zum Übergang von Seiteneinsteiger*innen in die Regelklasse
Die Entscheidung, ob Schüler*innen mit nicht vollständig entwickelten bildungssprachlichen Deutschkenntnissen in die Regelklasse aufgenommen oder an eine Oberschule verwiesen werden, darf nicht allein auf sprachliche Defizite gestützt werden. Andrea Daase (2025) betont, dass der Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen in konkreten schulischen Kommunikationssituationen geschieht – also gerade durch die Teilnahme am Regelunterricht. Ein Verweis auf fehlende Sprachkenntnisse kann somit zu einem Ausschluss von Lerngelegenheiten führen, anstatt gezielt beim Erwerb zu unterstützen. Wird zudem der Schulwechsel in ein sozial belastetes Umfeld vollzogen, droht zusätzliche Benachteiligung. Sprache darf nicht als Selektionsinstrument, sondern muss als pädagogischer Auftrag verstanden werden.
2. Eigene Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit im Unterricht
In einer eigenen Unterrichtssituation erlebte ich, wie eine mehrsprachige Schülerin einem seiteneingestiegenen Schüler durch Übersetzung und Erklärung half. Diese Form des Translanguaging (Kirsch & Mortini, 2016) eröffnete dem Schüler wichtige Zugänge zum Unterricht, führte aber auch zu einer gewissen sozialen Isolation, da er sich zunehmend nur an diese eine Person hielt. Diese Erfahrung zeigt, dass Mehrsprachigkeit gezielt und pädagogisch begleitet werden muss, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen und zugleich neue Ausschlüsse zu vermeiden.
3. Konsequenzen für meine zukünftige Unterrichtsgestaltung
In meinen Fächern Mathematik und Sport begegnet mir sprachliche Heterogenität auf besondere Weise. Der Mathematikunterricht bietet durch Zahlen und Symbole alternative Zugänge, während der Sportunterricht durch körperliche Bewegung auch mit geringem Sprachanteil funktionieren kann. Dennoch zeigen beide Fächer auch sprachliche Anforderungen, etwa bei Aufgabenstellungen oder Regelverständnis. Deshalb möchte ich stärker auf sprachsensible Vermittlung achten – durch Visualisierungen, klare Anleitungen und ein bewusstes Sprechen in verschiedenen Registern, wie es im Vortrag von Daase (2025) gefordert wird.
4. Schule in einer mehrsprachigen Gesellschaft gestalten
Eine Schule, die Mehrsprachigkeit gerecht wird, muss sprachliche Vielfalt als Normalität anerkennen. Fürstenau (2011) fordert, jeder Sprache – unabhängig von ihrem Status – einen Eigenwert zuzuschreiben. Das bedeutet, Erstsprachen können und sollen in den Unterricht eingebunden werden, etwa zur Begriffserschließung. Studien wie die von Prediger et al. (2019) zeigen, dass dies auch im Fachunterricht – z. B. in Mathematik – kognitive Prozesse unterstützt. Entscheidend ist, dass Schulen strukturell die Verantwortung für den Spracherwerb übernehmen, statt ihn externalisiert als Hürde zu behandeln.
Literatur
• Daase, A. (2025). Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung. Vortrag im Rahmen der BAUMHET-Ringvorlesung, Universität Bremen.
• Fürstenau, S. (2011). Mehrsprachigkeit als Voraussetzung und Ziel schulischer Bildung. In: Fürstenau & Gomolla (Hrsg.), Migration und schulischer Wandel. Wiesbaden: VS Verlag.
• Kirsch, C. & Mortini, S. (2016). Translanguaging als Lehr- und Lernstrategie. Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur in Luxemburg 365, 23–25.
• Prediger, S. et al. (2019). Mehrsprachigkeit als Ressource im Fachunterricht. In: Lernende Schule (86). Velber: Friedrich Verlag.
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