Antisemitimus im Schulalltag

  1. Welche Berührungspunkte hatten Sie bereits mit dem Thema Antisemitismus? Beschreiben Sie für Sie wichtig erscheinende Situationen und wie Sie diese vor dem Hintergrund dieser Vorlesung bewerten würden.
  2. Welche Fragen haben sich für Sie durch den Vortrag ergeben? In welchen Bereichen fühlen Sie sich noch unzureichend informiert oder vorbereitet, um sich mit Antisemitismus in der Schule als Lehrkraft zu befassen?
  3. Beschäftigen Sie sich mit folgendem Szenario: Ein Elternteil spricht Sie persönlich als Lehrkraft darauf an, dass ein Schüler Ihrer Klasse von verbalen antisemitischen Übergriffen betroffen war. Überlegen Sie, wie ein konstruktiver Umgang mit dieser Situation aussehen könnte

 

  1. Ich selbst hatte in vielfältiger Weise Berührungspunkte mit dem Thema Antisemitismus. Zum ersten kenne ich aus meinem weiteren Bekanntenkreis vor allem eine Form des linkspolitischen Antisemitismus. Dieser wird meistens versteckt hinter Kritik am Zins- und Bankensystem, der Annahme einer Art „Weltelite“ oder allgemein verschwöhrungstheoretischem Denken. Diese Form des Antisemitismus ist dabei meist gut als Kritik getarnt und auf den ersten Blick nicht augenscheinlich als klare antisemitistische Äußerung zu deuten. Gefährlich ist hierbei, dass der Antisemitismus zwar stets mitschwingt, jedoch nicht explizit geäußert wird und somit schwerer zu kritisieren wird. So ist eine Narrative von „die da oben“ oder „die im Hintergrund agierenden Eliten“, die in linkspolitischen Kreisen recht verbreitet ist, noch nicht explizit auf Juden bezogen. Jedoch handelt es sich dabei um eine verbreitete antisemitische Argumentationsstruktur, die unter anderem auch die „Protokolle der Weisen von Zion“ prägt (Jeffrey L. Sammons (Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und Kommentar. Wallstein, Göttingen 1998). Es ist schwierig, Personen, die auf diese Weise argumentieren, mit den antisemitischen Strukturen ihrer Äußerungen zu konfrontieren, da dies schnell als eine Unterstellung gewertet und damit das strukturelle Kernproblem ignoriert werden kann. Dies ist eine sehr gefährliche und sehr verbreitete Form des Antisemitismus, die sich vor allem im Bildungsbürgertum und anderen gehobenen Schichten oft findet, bei der explizit antisemitische Denkstrukturen gekonnt hinter scheinbar objektiver und wissenschaftlicher Kritik versteckt werden.

Im Gegensatz dazu war ich auch schön des Öfteren mit offensichtlicherem Antisemitismus konfrontiert. Diesen habe ich persönlich meist von Personen aus bildungsferneren Schichten kennengelernt. Besonders bin ich selbst damit in Kontakt gekommen, als ich beruflich viel Zeit mit männlichen muslimischen Personen aus dem arabischen Raum zu tun hatte. Dabei handelte es sich meist um eine Solidarisierung mit Palästina, die nach weiterem Nachfragen schnell zu einer klar antiisraelischen und auch antisemitischen Haltung wurde. Es handelte sich hierbei klar um einen israelbezogenen Antisemitismus (VL Folie 14), bei dem eine politische Kritik am Handeln des Staates Israel schnell zur Existenzkritik Israels und dann schnell zur Gleichsetzung des Judentums und Israels wurde. Ich persönlich fand es um einiges leichter, derart argumentierende Personen mit der Problematik hinter ihren Äußerungen zu konfrontieren, da diese Äußerungen meist explizit antisemitisch waren. Dies soll definitiv keine Aufforderung zum expliziten Antisemitismus darstellen, sondern vielmehr zeigen, dass Antisemitismus in allen Gesellschaftsschichten ein sehr verbreitetes Phänomen ist, dass nur verschieden explizit geäußert wird. Es sollte also Antisemitismus nicht als ein Unterschichts- oder gar ein muslimisches Problem betrachtet werden, sondern vielmehr der in der Mittel- und Oberschicht verbreitete implizite Antisemitismus dekonstruiert werden.

  1. Ich selbst habe mich persönlich bereits ausführlich mit dem Thema Antisemitismus in vielfältiger Weise beschäftigt. Dabei habe ich unter anderem viele Informationen aus dem 8-teiligen Werk „Handbuch des Antisemitismus“ von Brigitte Mihok Ich würde also behaupten auf sachlicher Ebene gut informiert zu sein. Weiterhin versuche ich jedoch konstant, meine eigenen Denkstrukturen diesbezüglich zu reflektieren. Dies halte ich für eine der elementaren Prozesse als Lehrperson.
  2. Zunächst einmal halte ich es für wichtig, präventiv zu handeln und nicht erst im Akutfall das Thema Antisemitismus aufzugreifen. Sollte es jedoch zu einem verbalen Übergriff auf einen Schüler der Klasse kommen, finde ich es wichtig, zunächst das Gespräch mit dem betroffenen Schüler zu suchen. Dabei sollten seine Perspektive sowie seine Bedürfnisse ausreichend Raum finden und das weitere Handeln der Lehrkraft danach ausgerichtet werden. Weiterhin sollte das weitere Vorgehen innerhalb der Klasse explizit mit der betroffenen Person besprochen werden. Im Konsens mit dem betroffenen Schüler halte ich es dann für ein gutes Vorgehen, die Täter*innen mit ihren Handlungen in Einzelgesprächen zu konfrontieren und dabei altersgemäß herauszustellen, welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Ich bin dabei der Überzeugung, dass bereits im jungen Alter der politisch/soziale Aspekt des Antisemitismus thematisiert werden kann und die verbalen Übergriffe nicht nur rein als eine Form des Mobbings gesehen werden sollte. Dabei sollte jedoch das Verhalten nicht rein dämonisiert werden, sondern im Dialog mit den Täter*innen nach Hintergründen und Denkmustern für die Tat gesucht werden. Anschließend können und müssen diese Denkmuster dekonstruiert werden. Dies sollte könnte zunächst im Rahmen der Einzelgespräche geschehen. Anschließend sollte jedoch im gesamten Klassenverband das Thema Antisemitismus besprochen werden und auf die Aktualität und die Verbreitung dieser Denkmuster hingewiesen werden. All dies ist jedoch meiner Meinung nach nur dann ein sinnvolles Vorgehen, wenn es im Konsens mit der von den Übergriffen betroffenen Person stattfindet. Anderenfalls sollte sich die Lehrkraft nach den Wünschen des betroffenen Schülers richten. In jedem Fall halte ich es aber für wichtig, das Geschehen im Kollegium und mit der Schulleitung zu besprechen und gemeinsam als Schule aktiv zu werden.

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