- Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.
- [bearbeitet bitte 2a UND 2b als jeweils eigenständige Aufgabe] Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um
- Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen,
- gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren. (ACHTUNG! Ein * genügt dafür nicht!)
1.Kategorisierungsdilemma: Der Versuch, Unterricht inklusiver und individueller zu gestalten, stellt auch immer eine Gefahr der subjektiven und wertenden Kategorisierung der Schüler*innen durch die Lehrperson dar. Dabei gab es lange den theoretischen Ansatz, zwischen Bedarf und Bedürfnis zu unterscheiden. Das Bedürfnis beschreibt dabei die „subjektiv empfundenen Wüsche“ (Bach 1996, S.43) der beschulten Person. Der Bedarf hingegen ist Das, was der Schüler*in durch die Lehrperson scheinbar auf einer professionellen Ebene zugeordnet wird. Dabei bleibt der zugeordnete Bedarf jedoch den Werteunterscheidungen der Lehrperson unterworfen und ist „keineswegs ein objektiver Sachverhalt, wie zumeist suggeriert wird“ (Bach, 1996, S.43). Auch wenn also Kategorisierung eng mit der Gefahr der Etikettierung verwoben ist, führt eine fehlende Kategorisierung der Schüler*innen zur falschen Grundannahme einer Heterogenität in der Klasse, die keine Individualität zulässt. Zum Konzept der Dekategorisierung schreibt Rainer Benkmann: „Dekategorisierung, der Verzicht auf die Verwendung von Behinderungskategorien ist pädagogisch gesehen wünschenswert, darf aber auf keinen Fall den Verzicht auf besondere Hilfe zur Folge haben.“ (Benkmann, 1996, S.10). Es ist also als Lehrperson wünschenswert, so gut wie möglich individuelle Förderungen zu gewährleisten, ohne dabei wertend zu kategorisieren. Dies kann nur geschehen, indem die Lehrperson selbst ihre eigenen Werte und ihr Weltbild ständig selbstkritisch reflektiert, um gegen subjektive Wertungen vorzugehen. Als wichtig empfinde ich es auch, mit den beschulten Personen im Dialog zu stehen, um deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.
Autonomiedilemma: Als Teil des Individualisierungskonzeptes von Unterricht wird immer mehr auf autonomes Lernen gesetzt. Dies hat zum Vorteil, dass Schüler*innen darin gefördert werden, selbstständig zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Weiterhin kann die Schüler*in das Lernen mehr auf ihre eigenen Interessen anpassen. Problematisch hierbei ist, dass insbesondere leistungsstarke und bereits selbstständig agierende Schüler*innen gefördert werden. Schüler*innen, die – aus welchen Gründen auch immer – Schwierigkeiten beim Lernen haben, können potentiell mit einem stark autonomen Konzept überfordert sein. Insbesondere sehe ich eine große Gefahr in der Verstärkung von Leistungsgefällen basierend auf der sozialen Herkunft der Schüler*innen. So können Schüler*innen aus sozial starken Haushalten von ihren Eltern mit höherem Bildungsstand und finanziellen Mitteln besser gefördert werden als Personen aus sozial schwachen Haushalten. Da ohnehin die soziale Herkunft der Person einer der Hauptfaktoren für deren Bildungschancen darstellt, halte ich ein stark autonomiebasiertes Unterrichtskonzept für eine Verstärkung dieser Problematik.
Individualförderung-statt-Unterricht-Dilemma: Eine individualisierte Förderung ist zwar erstrebenswert, um so vielen Schüler*innen wie möglich so gerecht wie möglich zu werden, jedoch ergibt sich die Gefahr der Separierung. Vor allem die räumliche Trennung führt zu einer Intensivierung von Unterschieden sowie zu einem potentiellen Ausschluss der betroffenen Personen aus der Klassengemeinschaft. Besonders wichtig ist hier der Blick auf die Auswirkungen von separierenden Bezeichnungen, wie „IP-Schüler*innen“. Die Klassengemeinschaft sowie das Zusammenhaltsgefühl wird durch diese Separierungshandlungen eher geschwächt. Die Rolle der Lehrperson ist in diesem Fall, trotz teils notwendiger individualisierter Unterrichtsmaßnahmen, die Klassengemeinschaft und das Gruppengefühl durch unterschiedliche Maßnahmen zu bestärken.
2a. Vielsprachigkeit als Ressource im Geschichtsunterricht
Im Geschichtsunterricht lässt sich auf vielfältige Art und Weise Vielsprachigkeit als Ressource nutzen. So kann zum Beispiel auf historische Quellen auf verschiedenen Sprachen zurückgegriffen werden. Dabei kann entweder gemeinsam eine Übersetzung ins Deutsche erstellt werden, falls sich dies im Kontext anbietet, oder der Text kann von vornherein mit deutscher Übersetzung angeboten werden. Auch das spezifische Arbeiten mit einzelnen Wörtern aus verschiedenen Sprachen kann als Methodik gewählt werden. Dabei kann auch die Sprach- und Wortentwicklung in den Blick genommen werden, um historische Prozesse aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es könnte zum Beispiel herausgearbeitet werden, inwiefern das Jiddische die moderne deutsche Sprache geprägt hat und wie sich dies Anfang des 20. Jahrhunderts verändert hat. Durch die Arbeit mit Fremdwörtern in der deutschen Sprache können allgemein Migrations- und Wanderbewegungen gut abgebildet werden. Insgesamt halte ich es für eine der Hauptaufgaben als Geschichtslehrerin, die vorherrschende stark eurozentrisch geprägte Geschichtsschreibung zu relativieren, indem die Perspektive über den westlichen Tellerrand hinaus erweitert wird. Hierbei ist die Einbindung von Vielsprachigkeit eine wertvolle Unterstützung.
2b. Gendersensible Unterrichtsgegenstände im Geschichtsunterricht.
Die vorherrschende Art der Geschichtsschreibung, die momentan meist Basis des Geschichtsunterrichts ist, ist stark männlich geprägt. Es sollte also durch die Lehrperson ein starkes Augenmaß auf die Repräsentierung von Genderdiversität zu legen. Es ist dabei eine Aufgabe, Frauen in der Geschichte sichtbar zu machen, aber auch, den Blick der Schülerinnen hin zu einem differenzierteren Geschlechterbild abseits von „Mann“ und „Frau“ zu stärken. Dafür kann in vielerlei Hinsicht und in verschiedensten historischen Kontexten an vorherrschenden Geschlechterbildern sowie deren Entwicklung geforscht werden. Auf diese Weise kann den Schüler*innen der konstruktivistische Charakter von Gender vermittelt werden. Wichtig ist jedoch auch, die verschiedenen Bedürfnisse und Interessen der Schüler*innen im Geschichtsunterricht zu berücksichtigen. Dafür ist es als Lehrperson wichtig, mit den Schüler*innen in den Austausch und in Diskussion zu gehen, um Personen aller Gender an der Thematik interessiert zu halten. Insbesondere in der neueren Geschichte kann weiterhin ein Augenmerk auf zum Beispiel Geschichte von LGBTQ*- Bewegungen zu legen.