1. Als Seiteneinsteiger werden Schüler und Schülerinnen bezeichnet, die in erste Generation nach Deutschland kommen. Ihre Erstsprache ist daher in den meisten Fällen nicht Deutsch und muss zwecks Integration, z.B. dem Besuch einer deutschsprachigen Schule, als Zweit- (oder auch Dritt-, Viert-)Sprache erlernt werden. Problematisch ist, dass die Schüler und Schülerinnen dabei nicht über dasselbe Maß an Vorkenntnissen verfügen. Je nach ihrem ursprünglichen Herkunftsland oder der Dauer und Art ihre Fluchterfahrung bzw. Migrationserfahrung gestaltet sich die Schulbiographie unterschiedlich. Teilweise liegen sehr ausführliche Schulerfahrung vor, die Schüler und Schülerinnen sind alphabetisiert (zu meist in einer anderen Sprache und anderem Alphabet). Das Erlernen einer weiteren Sprache in Schrift und Artikulation scheint daher leichter als bei Schülern und Schülerinnen, die zunächst die allgemeine Fähigkeit des Lesens und Schreibens erlernen müssen. Gemeinsam mit den unterschiedlichen Altersstufen und verschiedenen Grundbegabungen hinsichtlich des Erlernens einer Sprache führt dies zu einer großen Spannbreite an Bedürfnissen. Eine vollständige Teilnahme am Unterricht sowohl im sozialen als auch inhaltlichen Bereich ist erst mit ausreichenden Sprachkenntnissen möglich.
Diese werden in den bremischen Konzepten zum Teil berücksichtigt. Schüler und Schülerinnen, die noch nicht lesen und schreiben können, lernen diese zunächst unabhängig von der Deutschensprache. Erst später besuchen sie einen Vorkurs und auch ihre Regelklasse. Schüler und Schülerinnen, die schon in einer anderen Sprache lesen und schreiben gelernt haben besuchen diese Kurse sofort. Nach einem Jahr wird der Übergang in ihre Regelklasse vorgenommen.
2. Ich verfüge über keinerlei Praxiserfahrungen. Ich habe meine Schulzeit über ein Gymnasium besucht, welches bis zur „Flüchtlingswelle“ aus dem Jahre 2015 keine Vorklasse anbot. Erst im Jahr 2016 wurde eine solche Klasse eingerichtet. Ich selber stand zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Abitur und hatte daher keinen Kontakt zu Schüler und Schülerinnen dieser Klasse im Unterricht. Aus der Erfahrung meines Bruders, der dieselbe Schule drei Jahrgänge unter mir besuchte (bzw. aktuell besucht), weiß ich das der Aufbau der Vorklasse nach dem in der Vorlesung besprochen Modells organisiert war. Die Vorklasse wurde von Schüler und Schülerinnen ganz unterschiedlicher Herkunft und Altersstufe besucht. Nach und nach wurden diese Schüler und Schülerinnen in die Regelklassen integriert, zunächst stundenweise in bestimmten Fächern, später ganz. Wie genau diese Sprachförderung gestaltet war, kann ich allerdings nicht sagen.
3. Meine Tante unterrichtet die Fächer Geschichte und Musik an einer Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein. In ihrer eigenen Klasse (Jahrgangstufe 6) befinden sich aktuelle zwei Schülerinnen, die den Vorkurs an ihrer Schule besucht habe und jetzt vollständig am Regelunterricht teilnehmen. Ihren Beobachtungen zu Folge ist die Lesekompetenz der beiden Schülerinnen nach einem Jahr Vorklasse noch nicht soweit entwickelt das ein problemloses teilnehmen am Regelunterricht möglich ist. Sie betont dabei, dass es keinesfalls am Willen der beiden Mädchen mangelt und sie viel mehr der Meinung ist, dass ein Jahr Vorkurs nicht ausreicht um die deutsche Sprache zu erlernen. Auch für vermeintlich weniger sprachintensive Fächer wie Musik oder Mathe scheinen die Lesekompetenzen nicht auszureichen um ein unproblematisches teilnehmen am Unterricht zu ermöglichen.
Ihre Erfahrungen scheinen sich mit dem in der Vorlesung besprochenen Inhalten zu decken. Die dort vorgestellten Studien aus den USA sprechen von einer durchschnittlichen Zeit zwischen 5-10 Jahren die Schüler und Schülerinnen in der neu erlernten Zweitsprache brauchen, um die Unterschiede zu den anderen Schülern und Schülerinnen vollständig aufzuholen.