Willkommen auf meinem Blog!

Wer bin ich und wer darf ich eigentlich sein? Vermutlich würden die meisten Menschen diese Fragen mit ‘’All das, was du eben sein magst“ beantworten.

Doch wie groß ist der Spielraum, in dem wir uns bewegen (dürfen) denn eigentlich? Ist unser Sein nicht längst vorgegeben, fast schon vorgeschrieben? Wie realistisch ist es, sich seinem individuellen Identitätsprozess hinzugeben, wenn äußerliche Faktoren allgegenwärtig scheinen. 

Nichts prägt ein Individuum so stark wie dessen Sozialisation, insbesondere die frühkindliche. Prägend bedeutet allerdings nicht, dass keine Veränderung mehr stattfinden kann. Identität ist nämlich nicht angeboren, nur eben stark von der Vergangenheit des Individuums gezeichnet.

Welchen Prozess durchlaufen Personen, die sich entgegen ihrer zugeschriebenen Position in der sozialen Welt, entgegen von Erwartungshaltungen und Rollenzuschreibungen von ihrer Außenwelt sowie entgegen ihren individuellen Sozialisationsprozessen auf die Suche nach sich selbst machen und sich in ein Territorium des Ungewissen begeben?

All diese Dinge werde ich  ausschließlich anhand von Erfahrungen, Erzählungen und Eindrücken darstellen. Weit weg also von Wissenschaft und Theorie.

 

Für mein Vorhaben habe ich zwei Menschen interviewt. Ihre individuelle Geschichte soll anonym in einem geschützten Rahmen erzählt und betrachtet werden. 

Ausgesucht habe ich mir Personen, die mich aufgrund ihrer individuellen Biografie, aber vor allem aufgrund ihres Seins prägen. 

Gekennzeichnet von kulturellen, sozialen sowie geschlechtsbasierten Aspekten soll ihr persönlicher Identitätsprozess ausschnittsweise dargestellt werden. 

Hierbei geht es in keinem Fall darum, mit Klischees vor allem von kultureller Natur zu spielen. Vielmehr geht es darum, die zu porträtierten Personen in einer bestärkenden Perspektive zu verkörpern.

 

Der Grad für das Vorhaben ist sehr schmal. 

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass ich selbst eine Person bin, die täglich mit  Intersektionalität konfrontiert wird. Damit besitze ich selbstverständlich keinen Freifahrtschein oder bin frei von rassistischen Gedanken oder Äußerungen, viel mehr will ich damit sagen, dass ich mir über die Verantwortung bewusst bin und alles daran gesetzt habe, mein Vorhaben gewissenhaft und verantwortungsvoll umzusetzen.

 

Gegenstand

Bei meinem Projekt setzte ich mich mit den Thematiken, Identitäts- und Identifikationsprozessen auseinander. Anhand von Erzählungen sollen Biografien besonders unter dem Aspekt der Sozialisierung näher betrachtet werden. Hierbei geht es insbesondere um das Wohnumfeld, Familie und Bekannte. 

Konfliktpotenzial stellen damit einhergehend Erwartungshaltungen, Rollenbilder, Klischees und Zuschreibungen von außen dar.

Anhand von Porträts sollen Geschichten von Menschen dargestellt werden, die sich entgegen Erwartungshaltungen ihres sozialen Umfelds sich ihrer eigenen Identität bewusst sind und diese nach außen tragen können oder um Personen, die dabei sind, sich diesem Prozess zu widmen.

 

Fragestellung

Inwiefern beeinflusst Sozialisierung die Identität? Welche Konsequenzen zieht es mit sich, wenn Zuschreibungen und Erwartungshaltungen von außen mit eigenen Lebensvorstellungen nicht zusammenpassen? Wie kann ein Leben entgegen von vorbestimmten Rollenbildern aussehen?

Diese offenen Fragen werden im Verlauf des Porträts beantwortet.

 

Identität

Identität, eine dieser Thematiken, die wahrscheinlich jedes Individuum betrifft. Ich werfe die Vermutung in den Raum, dass sich früher oder später jede/jeder aktiv mit dieser Thematik befasst, zumindest hoffe ich das. 

Passiv befassen wir uns wahrscheinlich seit unserem Dasein damit.

Der soziologische Begriff für Identität lautet: ‘’Für die Antwort auf die Frage, wer wir sind’’ (Abels 2017, S.2).

Eine von unzähligen Definitionen, bei dieser gehe ich teilweise mit. 

Im Folgenden soll es aber gar nicht um theoretisch wissenschaftliche Betrachtungsweisen gehen, viel mehr um eine persönliche.

Der erste Gedanke bei dem Begriff, ist ehrlich gesagt Verwirrung, anschließend Sehnsucht und dann wieder Überforderung.

Überforderung in dem Sinne, da es schier unendlich Antwortmöglichkeiten gibt.

Identität erzählt bis zu einem gewissen Grad eine Geschichte. Eine Geschichte, geprägt von Erfahrungen, Werten und Normen.

Bis zu einem gewissen Punkt haben wir wahrscheinlich einen sehr geringen Einfluss auf unsere Identität, unser Sein also. Solange wir uns eben aktiv dafür entscheiden oder eben auch nicht dafür entscheiden, neue prägende Ereignisse wahr- und anzunehmen.

Wir sind also in unserer Identität in gewisser Weise vorbestimmt. Was auf der einen Seite ziemlich paradox ist, da Identität etwas unglaublich intimes ist. Etwas, das vermeintlich nur uns betrifft oder viel eher nur uns betreffen sollte.

Doch Identität ist veränderbar.

 

Portraits 

Zwei Menschen nennen wir sie Beti (39) und Hadnet (26).

Schwarze, weiblich gelesene Personen, aufgewachsen in den Randbezirken westdeutscher Großstädte. 

Menschen außerhalb dieses Kosmos würden die Gegend als Struktur schwach bezeichnen. Beti und Hadnet hatten während ihres Heranwachsens keinerlei Assoziationen hinsichtlich dessen. Im Nachhinein sieht das bei beiden etwas anders aus. 

Beti formuliert hierzu folgendes: ‘’..ich weiß nicht, ob ich es als Brennpunkt bezeichnen würde, rückwirkend vielleicht schon’’. Als Kind macht man sich eher weniger Gedanken über solche Thematiken. 

Aufgewachsen sind beide, umgeben von Plattensiedlungen, vielen Menschen unterschiedlicher Migrationsgeschichte sowie vieler verschiedenen Sprachen im direkten Umfeld und umgeben von Arbeiter*innen Familien.

Sozialisiert sind beide in einem Nordost-Afrikanischen Kulturkreis. 

Rollenbilder innerhalb der Familie werden eher traditionell gehalten, zumindest im gelebten Alltag. Abseits dessen wurde beim Heranwachsen viel Wert auf Bildung und ein gepflegtes Erscheinungsbild gelegt, umgesetzt durch meist strenge Erziehungsmaßnahmen und wenig Spielraum für Freientfaltungen.

 

Fürs erste war’s das mit den offensichtlichen Gemeinsamkeiten. 

 

Beti und Hadnet sind an ganz unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben. Der offensichtlichste Unterschied liegt in ihrem Alter und den dazugehörigen Lebenserfahrungen. Trotz allem eint die beiden sehr viel. Mehr sogar, Sie stehen in einem überaus engen Verhältnis zueinander, haben ähnliche und doch auch sehr unterschiedliche Erfahrungen in ihrem bisherigen Leben gesammelt. Stehen im ständigen Austausch und prägen sich auf eine Art und Weise gegenseitig.

Nennenswert an dieser Stelle ist, dass die Interviews unabhängig voneinander geführt wurden, die eine weiß nichts von der anderen und ihrem erscheinen in diesem Blog.

 

Aber nun von vorne.

 

Beti ist in Asmara, Eritrea geboren. Zu dieser Zeit bestimmte der Unabhängigkeitskrieg zum Nachbarland Äthiopien das Leben der Menschen vor Ort. 

Im Alter von ca. 5 Jahren verließen Beti, ihr Bruder und die Mutter das Land, um perspektivisch auf ein besseres Leben zu zielen. Der Vater hatte hierfür Jahre zuvor das Land verlassen. Zu dritt verbringen sie also knapp zwei Jahre im Sudan, bevor sie im Alter von 7 Jahren nach Deutschland emigrieren.

 

Szenenwechsel 

 

Köln-Chorweiler. 

 

3 Jahre verbringen die drei in der Siedlung. Die Beziehung zum Vater kommt langsam ins Rollen. Dieser arbeitet in Rheydt, Mönchengladbach und ist nur sporadisch physisch anwesend. Um ein geregeltes Familienleben zu realisieren, ziehen die drei zum Vater nach Mönchengladbach, wo sie fortan die nächsten 20 Jahre verbringen.

 

Bis dahin war ihr Leben also geprägt von ihrer Mutter, dem älteren Bruder, der Abwesenheit ihres Vaters, drei verschiedenen Ländern und Sprachen sowie unterschiedlichen Kulturkreisen. 

Vom einfachen Leben auf dem Land hinein in Plattenbausiedlungen in einer Großstadt. 

 

Fremdes Klima, fremde Länder, fremde Menschen, fremde Sprachen.

 

Eine Geschichte, mit der sich sicherlich sehr viele Menschen mit Migrationsbewegungen identifizieren können.

 

Der erneute Umzug veränderte ein paar dieser Merkmale. 

 

Die Häuser weniger hoch, die Menschen weniger bunt, aber vor allem ein geregeltes Familienleben. Der Besuch des örtlichen Gymnasiums spiegelte die bisher gelebte Realität nicht wirklich wider. 

Kaum Menschen mit Migrationsgeschichte, zumindest mit keiner offensichtlichen, Menschen ‘’Afrikanische Herkunft kann ich in Prozent gar nicht ausdrücken. Also es waren nicht mal eine Handvoll Leute, die eine etwas dunklere Hautfarbe hatten auf der Schule. Bei ca. 700-800 Schüler*innen’’ (Beti).

Das Lebensumfeld verändert sich, die Lebensverhältnisse zumindest sozioökonomisch eher weniger, ‘’Es ging uns jetzt nicht schlecht, aber es war jetzt auch nicht so viel Geld da, also das Einkommen würde ich sagen, war jetzt aber nicht übermäßig’’.

 

Es folgten das Abitur, ein Freiwilliges Soziales Jahr sowie ein duales Studium der Gesundheitsökonomie bis hin zur Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten.

 

Betrachtet man die gegebenen Bedingungen, ein wahrscheinlich nicht allzu typischer Werdegang, zumindest zu dieser Zeit nicht und eigentlich auch zur jetzigen Zeit nicht.

An dieser Stelle möchte ich auf keinen Fall eine vermeintliche Erfolgsgeschichte eines Migrantenkindes darlegen. Von diesen verfälschten Geschichten gibt es genug. 

 

Trotzdem finde ich diese Informationen nennenswert, um dies in das große Ganze eingliedern zu können:

Welchen Raum haben die oben genannten Erfahrungen, Merkmale und Lebensumstände denn nun eingenommen?

‘’Ich wollte gerade sagen, das hat mich nicht großartig beeinflusst, das ist aber völliger Quatsch..Ich habe das nicht als nachteilig oder negativ empfunden, weil das war halt der Zustand und ich kannte es auch nicht anders und ich hatte jetzt auch nicht das Gefühl irgendwas zu vermissen, dadurch das es nicht so wahr. Es ist mir halt aufgefallen, war halt immer besonders, aber das ist auch etwas, was sich wie ein roter Faden durchzieht, wenn man halt anders ist als die anderen. Sei es jetzt was die Herkunft angeht oder die Optik, 

einfach auch vom Werdegang auch.’’ (Beti)

 

Hadnet, die in Deutschland geboren ist und sicherlich in mancherlei Hinsicht mit ähnlichen Dingen konfrontiert wurde, hat teilweise übereinstimmende Meinungen hierzu.

 

Für sie war es eher der Versuch, in beiden Kulturkreisen zu funktionieren, sich unterzuordnen und vor allem anzupassen. Es waren weniger die Erwartungen, die von einer weißen Mehrheitsgesellschaft an Migratinnenkinder gestellt werden, als der eigene familiäre Anspruch, einen Ausgleich zwischen zwei Welten zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.  

 

Eben jener Ausgleich, der an einen gestellt wird. 

Der Druck, gewisse Erwartungen zu erfüllen, hat einen großen Teil ihres Lebens eingenommen. Teilweise sogar das Leben bestimmt. 

Das ständige Anpassen hat so viel Raum eingenommen, dass die aktive Suche nach Identität völlig untergegangen ist. So sehr, dass für sie selbst es gar nicht zur Debatte stand, sich ihrer eigenen widmen zu können. 

 

Das Gefühl von ‘’Mein Werdegang und somit mein Sein ist längst vorbestimmt’’ (Hadnet). 

 

Das Gefühl von ‘’Ich muss Erwartungen von außen erfüllen, um erfüllt zu sein’’ (Hadnet). 

 

Das Gefühl von ‘’Versagen, wenn ich mich von einem Kulturkreis entferne, um mich selbst zu verwirklichen’’ (Hadnet). 

Alles vor dem Hintergrund, dass einem ständig genau das zum Vorwurf gemacht wurde. 

 

Die Frage, wie sie sich selbst verwirklichen kann, ohne die Erwartungen von außen völlig beiseite zu stellen. 

Der Druck abzuliefern. 

Der Druck zu funktionieren.

Der Druck, allem und jedem gerecht zu werden.

 

Für sie schien es lange Zeit kaum möglich, sich unter diesen Bedingungen auf sich selbst und seine Wünsche für das Sein zu konzentrieren.

 

Der Input anderer hat beide Frauen stark geprägt. Beti vermeintlich weniger als Hadnet. Beide nehmen in ihren Familien sogenannte Sonderrollen ein. Ob dies nun freiwillig passiert, mal dahin gestellt.

‘’Ich habe das  Gefühl, gerade im familiären Kontext wird die Entwicklung auch nicht immer zugelassen oder wahrgenommen,  da muss man dann aktiv gegenhalten und dann kann man auch  aufbrechen, aber ist halt kein Selbstläufer.’’ (Beti)

 

Ab einem gewissen Punkt haben sich beide aktiv dafür entschlossen, sich zurückzuziehen. Neue Menschen und neue Erfahrungen in ihr Leben zu lassen. 

 

Von da an prägen beide Dinge wie das Studium, der Auszug aus dem Elternhaus, Umzüge in neue Städte, neu entdeckte Subkulturen. 

 

Die aktive Gestaltung der eigenen Identität.

 

Demografische und biografische Erinnerungen verändern ihre Persönlichkeit und gleichermaßen ihre Identität. 

Selbstbestimmt und immer ihrer Unabhängigkeit bedacht, widmen Sie sich neuen Lebensabschnitten.

Identität

Für mich ist das halt ganz viel, einmal trägt die Biografie zur Identität bei, der Lebensweg trägt zur Identifikation bei und Charaktereigenschaften eines Menschen. 

Das sind für mich die drei wichtigsten Säulen, die Identität ausmachen. 

Und dazu gehört natürlich auch das Umfeld in allen Bereichen.

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