RV05: Heterogenitätskategorie Geschlecht in Schule und Ansätze zur Entwicklung einer geschlechtersensiblen Pädagogik

Aufgabe 1: Das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf  Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule.

Die Bedeutung des Genderns hat in den letzten Jahren stark zugenommen, besonders im Kontext der Schule. Geschlecht ist nicht nur biologisch, sondern auch sozial bedeutsam und beeinflusst maßgeblich die Interaktionen und Rollenverteilungen in der Gesellschaft (vgl. Jäckle, 2009). In der Vorlesung haben wir uns mit dem Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule auseinandergesetzt. Die Inszenierung bezieht sich auf einen bewussten Prozess, bei dem Geschlechterrollen konstruiert, vermittelt und bewahrt werden, zum Beispiel durch Unterrichtsmaterialien. Das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen diesen Prozessen und äußert sich in vielfältigen Weisen. Während die Inszenierung eine bewusste Darstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit umfasst, ist die Zuschreibung ein unbewusster Prozess, bei dem Kinder sich an gesellschaftliche Normen für ihr Geschlecht anpassen (vgl. RV05: Folie 30). In der Genderpädagogik ist es von zentraler Bedeutung, sich mit diesem Spannungsfeld auseinanderzusetzen, um Geschlechterstereotype abzubauen und eine inklusivere Lernumgebung zu schaffen (vgl. Jäckle, 2009). Ein theoretischer Ansatz dafür ist das Gender Mainstreaming, das darauf abzielt, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Gender Mainstreaming bedeutet, geschlechterbezogene Themen und die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen in den Schulalltag zu integrieren (vgl. UN-WOMAN, 2023). Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung komplex ist und auch implizite Vorurteile und Stereotypen einschließt (Fantini, 2019). Sowohl Lehrkräfte als auch Schüler*innen können unbeabsichtigt Stereotypen internalisieren, die die Lernerfahrungen und die Entwicklung der Schüler*innen beeinflussen (vgl. Ackermann, 2015).

 

Aufgabe 2: Reflektion der bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.

Meine bisherigen Praxiserfahrungen aus meiner eigenen Schulzeit und meinem ersten Praktikum haben mir ein tieferes Verständnis für das schulische „Genderplay“ vermittelt. Während meiner Schulzeit habe ich häufig beobachtet, wie bestimmte Geschlechterstereotype sowohl von Lehrkräften als auch von Mitschüler*innen reproduziert wurden. Beispielsweise wurden Mädchen oft in Fächern wie Deutsch oder Kunst ermutigt, während Jungen eher in den Bereichen Mathe und Physik unterstützt wurden. Ein weiteres Beispiel das mir noch stark präsent ist, wäre dass ausschließlich Jungs bei schwereren Arbeiten wie Tische und Stühle tragen gefragt bzw. aufgefordert wurden. Diese impliziten Botschaften haben dazu beigetragen, ein Umfeld zu schaffen, in dem bestimmte Geschlechterrollen verstärkt wurden und andere unterrepräsentiert blieben. Während meines ersten Praktikums habe ich ähnliche Dynamiken beobachtet. Lehrkräfte hatten oft unbewusste Erwartungen an das Verhalten und die Leistung von Schüler*innen basierend auf deren Geschlecht. Diese Erwartungen wurden manchmal subtil durch sprachliche Ausdrücke verstärkt. Beispielsweise wurden Mädchen oft als „ruhig“ oder „empathisch“ bezeichnet, während Jungen als „aktiv“ oder „durchsetzungsstark“ beschrieben wurden. 

 

Aufgabe 3: Formulierung einer Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“.

Für kommende Praktika bietet sich eine Beobachtungsaufgabe an, die darauf abzielt, die Wechselwirkungen zwischen der Kategorie Gender und anderen Dimensionen von Heterogenität zu erkunden. Eine interessante Beobachtungsaufgabe könnte daher sein, die Art und Weise zu beobachten, wie Lehrkräfte mit verschiedenen Schüler*innen kommunizieren und interagieren, wobei besonderes Augenmerk auf geschlechtsspezifische Sprachmuster gelegt wird.

 

Literatur:

  • Ackermann, Fabian  (2015): Gehören nun die Männer an den Herd? – Anmerkungen zum Wandel der Rollenbilder von Mann und Frau. In: Sprachreport Jg. 31 (2015), Heft 4, S.12-15
  • Fantini, C. (2019): Männlichkeitsentwürfe in widersprüchlichen Verhältnissen – das Beispiel Grundschule. Universität Bremen.
  • Jäckle, M. (2009). Schule M(m)acht Geschlechter: Eine Auseinandersetzung Mit Schule und Geschlecht Unter Diskurstheoretischer Perspektive. Verlag Für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91344-5
  • UN-WOMAN (2023): Gender Mainstreaming. [Online]  URL: https://www.un.org/womenwatch/osagi/gendermainstreaming.htm [Stand: 09.05.2024].
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Ein Kommentar

  1. 1) Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderthematiken und -pädagogik in der Schule

    Bei der Inszenierung wird wie bereits in dem Blog genannt von einem bewussten Vorgehen mit Hilfe von Unterrichtsmaterialien oder dem Vorhaben im Unterricht gesprochen. Du definierst die Zuschreibung als unbewussten Prozess, wobei sich den gesellschaftlichen Normen in Bezug auf Gender angepasst wird. Dem stimme ich zu und möchte hinzufügen, dass dies auch anhand des Beispiels von Fantini deutlich wird.
    „Und schon hier fiel auf, dass vier der neun Jungen – aber keines der Mädchen – ihre Phantasien zum Thema des Männermangels an Grundschulen neben den eher zu erwartenden, stereotypen Annahmen, was Männer ebenso machen (vor allem mit Maschinen umgehen, oder „Baumfäller und Geheimagent“ werden …), in Worte kleideten, die unmissverständlich in die Rubrik „schlauere Mädchen/Frauen“ einzuordnen waren. Weitere klare Aussage dieser Kategorie zum Beispiel: „Frauen mögen eher so Wissen.“, oder „Die (Männer) wollen nicht so viel studieren, um das erst machen zu können […]“.“ (Fantini 2019: 2).

    Anhand dessen können wir erkennen, dass die Kinder die teils gesellschaftliche Norm der „schlauen Mädchen“ und „handwerklichen Jungs“ annehmen und in ihrem Gewissen verinnerlicht haben.
    Den theoretischen Ansatz des Gender Mainstreamings und die damit verbundene Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist eine von dir genannte Methode, wobei diese Themen im Unterricht integriert werden. Das Gender Mainstreaming bietet dabei eine gute Grundlage um bei dem Problem anzusetzen und ein Entgegenwirken zu ermöglichen. Hinzufügen möchte ich, dass die materielle Gleichheit dabei im Fokus stehen sollte, damit die Chancengleichheit richtig umgesetzt und daran gearbeitet werden kann (Vgl. Cordes 2010: 925). Die materielle Gleichheit sollte demnach besonders beachtet und angestrebt werden, um die Chancengleichheit und Gleichstellung anzustreben.

    2) bisherige Praxiserfahrung in Bezug auf mindestens ein weiteres Heterogenitätsfeld (Sprache, Sozialkultureller Background, Leistung, Inklusion)

    Ich teile in diesem Punkt ähnliche Erfahrungen wie dein Erlebtes. Besonders die Nutzung Genderstereotype erlebte ich in meiner Schulzeit ebenfalls, da teilweise Mädchen oder Jungen zugesprochen wurde, dass sie in einem bestimmten Fach aufgrund ihres Geschlechts grundsätzlich besser abschneiden würden. Die typische Aussage „Ich brauche jetzt ein paar starke Jungs zum Tragen der Tische.“ habe ich ebenso wie du regelmäßig gehört. Dies erzeugte automatisch das Bild, dass Mädchen nicht stark genug seien, um beim Tragen der Tische zu helfen. Als eine zusätzliche Erfahrung würde ich anmerken, dass ich in meiner Schulzeit auch wahrgenommen habe, dass im Bezug auf das Lernen der deutschen Sprache teilweise Jungen nicht zugemutet wurde, dass sie die Sprache so schnell wie die Mädchen mit gleichem sprachlichem Hintergrund erlernen würden, wobei es sich um eine Erfahrung im Heterogenitätsfeld Sprache und Leistung handelt.

    3) Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „Gendersensible Pädagogik“

    Die Beobachtungsaufgabe in Bezug auf die Kommunikation und geschlechtsspezifische Sprachmuster finde ich besonders interessant. Ich würde dem noch beifügen, dass zusätzlich beobachtet werden kann, wenn es wirklich zu solchen genannten geschlechterspezifischen Sprachmustern kommt, wie die Kinder darauf reagiert und inwiefern diese Aussagen einen Einfluss auf sie haben. Dabei kann beobachtet werden, ob dies sich auf die Leistungen oder die Motivation der Kinder auswirkt. Dazu müsste jedoch vermutlich ein längerer Zeitraum gewählt werden.

    Quellenangabe:
    Cordes, Mechthild (2010): Gleichstellungspolitiken: Von der Frauenförderung zum Gender Mainstreaming. In: (Hrgs.) Kortendiek, Beate; Becker, Ruth: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

    Fantini, C. (2019): Männlichkeitsentwürfe in widersprüchlichen Verhältnissen – das Beispiel Grundschule. Universität Bremen.

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