Irgendwo zwischen Bücherstapeln, zu vielen Schuhen und nicht endenden Zalando-Bestellungen, da bin ich: Marei.
Ich studiere Medien- und Kommunikationswissenschaften im Profilfach und Kulturwissenschaften im Komplementärfach an der Universität in Bremen. Ich liebe Fotografie, das Leben, die weite Welt, kleine Herzigkeiten und gute Bücher. Neben einer Schwäche für die schönen, oberflächlichen Dinge des Lebens bin ich auch gerne mal ganz nachdenklich. Mit einem Buch auf der Couch oder mit dem Kopf bei all den großen Problemen dieser Welt.
Während mein Freund mir beim Schreiben über die Schulter schaut, habe ich ihn gefragt, wie er mich mit drei Wörtern beschreiben würde, weil mir selber keine Wörter einfallen wollen. Er lehnt sich rüber, küsst meinen Scheitel und sagt das ginge nicht: „Du bist so viel mehr als drei Wörter“. 

Aber sind wir nicht alle so viel mehr als drei Wörter?
Als es im Rahmen des Seminars darum ging, sich selbstständig ein Thema zu überlegen, wusste ich sehr genau, was mich interessieren würde. Seit Beginn der Corona-Pandemie halte ich mich, wie wir alle, sehr viel Zuhause auf. Trotz meiner Leidenschaft für das Reisen war mein Zuhause schon immer etwas ganz besonders, etwas, dass mir kein Ort auf der ganzen Welt bisher bieten konnte. Zuhause ist all das, was mit etwas bedeutet: es sind materielle und persönliche Dinge, die nicht in einen Koffer passen oder die mir zu wertvoll sind, um sie durch den Regenwald von Laos zu schleppen, es ist meine Familie und vor allem ist es ein Gefühl. Das Gefühl zu Hause zu sein. 

Vor allem aus dieser engen Verbundenheit mit meinem eigenen Zuhause habe ich mich schon immer gefragt, wie es sich anfühlen muss, keines zu haben. In meinem Umkreis habe ich schon des öfteren den Satz gehört „in Deutschland muss niemand auf der Straße leben“. Es würde Sozialleistungen geben und Hilfe für alle denkbaren Lebenslagen. Doch warum gibt es dennoch Menschen, die keine eigene Wohnung haben oder gar obdachlos sind?
Mit unserer Arbeit an dem Thema möchte ich Obdachlosen gerne eine Stimme geben. Ihnen die Möglichkeit geben, ihre Geschichte zu erzählen. Obdachlosigkeit hat viele Geschichten. Menschen, die auf der Straße leben sind ebenfalls nicht nur obdachlos, Junkies und verwahrlost. Auch sie sind mehr, als nur drei Wörter. 

Obdachlose, die ganz unten angekommen zu sein scheinen, dürfen nicht herabgewürdigt werden. Wie im Grundgesetzt verankert: die Würde des Menschen ist unantastbar. Ferdinand von Schirach schreibt in seinem Buch Kaffee und Zigretten dazu:

„Die Würde des Menschen ist die strahlende Idee der Aufklärung, sie kann den Hass und die Dummheit lösen, sie ist lebensfreundlich, weil sie von unserer Endlichkeit weiß, und erst durch sie werden wir in einem tiefen und wahren Sinn zu Menschen.“ 

Und so möchte ich nach Schirach im wahren Sinn ein Menschen sein, in dem ich auch die Würde eines obdachlosen Menschen wahre. Immer, aber jetzt, während einer Pandemie, mitten im Winter, ganz besonders.
Ich tippe die letzten Wörter ab und mein Blick wandert in Gedanken immer wieder aus dem Fenster, um den Schneeregen anzuschauen, während mein Freund wieder in das Zimmer kommt. „Mir ist etwas eingefallen! Wärmflasche. Du sitzt am Schreibtisch immer mit deiner Wärmflasche an den Füßen.“
Ich schaue ihn an und finde die Situation bezeichnender, als mir lieb ist. Ich sitze in meinem gemütlichen Zuhause mit einer Wärmflasche an den Füßen, um nicht zu frieren, während draußen jemand bei Temperaturen um die 0 Grad mit einem Schlafsack ausgestattet nach einem Platz zum schlafen sucht, im Freien.