Individualisierung von Unterricht als schulpädagogische Antwort auf Leistungsheterogenität

SuS werden im Rahmen der Inklusion immer weniger nach der Kategorie Leistung vorsortiert und auch der sogenannte Frontalunterricht wird zunehmend als negativ eingestuft. Die schulpädagogische Antwort auf den Umgang mit Leistungsheterogenität ist individualisierter Unterricht, d.h. SuS werden individuell und entsprechend ihres Leistungsstandes beschult. Individualisierter Unterricht bildet damit alternative Unterrichtsstrukturen und Lernangebote zum Frontalunterricht, der noch das Ziel verfolgte, SuS im Kollektiv bzw. im Klassengespräch zu homogenisieren. Der individualisierte Unterricht hingegen setzt einerseits Heterogenität innerhalb der Schülerschaft voraus und bringt andererseits ebenso Heterogenität hervor, da jede/r individuelle/r SuS eine möglichst angepasste Förderung erhält. LehrerInnen widmen sich einzelnen SuS sowie Teilgruppen und gehen auf individuelle Lerninhalte ein, anstatt eine gesamte Klasse auf einmal zu unterrichten.

Problematisch kann es dann werden, sobald der/die LehrerIn sich einem/einer Schüler/in zuwendet und die anderen in diesem Augenblick außer Acht lässt oder „vernachlässigt“. Fühlen sich einige SuS unbeobachtet oder nicht „kontrolliert“, so kann die Konzentration und auch die Motivation dieser SuS sofort nachlassen und der Lernerfolg bleibt erst einmal aus.Zwar gilt die Individualisierung als vermeintliche Lösung der systemischen Unterrichtsstrukturprobleme, sie bringt jedoch einige Spannungsfelder mit sich. So müssen LehrerInnen einerseits möglichst kompetent mit der Steigerung der Unterrichtskomplexität umgehen, andererseits benötigen sie auch diagnostische, pädagogische und didaktische Fähigkeiten, um Unterricht individuell und passgenau zu gestalten. Diese diagnostischen Feststellungen sind zwar Grundlage der pädagogischen Förderung, sie können jedoch gleichermaßen im Zuge der Individualisierung zum Teil eine Etikettierung von SuS sein. Grundsätzlich gesehen besteht ein Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Standardisierung. Während Standardisierung definierte Kriterien bezeichnet, die für alle gelten, wie z.B. Erwartungshorizonte, beschreibt die Individualisierung den individuellen Lernfortschritt der SuS. LehrerInnen stehen also vor dem Problem, ein Gleichgewicht zwischen individualisierten und standardisierten Unterrichtsinhalten sowie Unterrichtszielen zu finden.

Für kommende Praktika würde mich interessieren, inwieweit LehrerInnen SuS individuell beschulen und in welchen Bereichen oder Situationen Schwierigkeiten zwischen Individualisierung und Standardisierung aufkommen. Grundsätzlich bin ich darauf gespannt, wie Schulen den Schulalltag der SuS gestalten, ob z.B. ähnliche alternative Lernangebote wie in der Bremer Gesamtschule Mitte realisiert werden, in der hauptsächlich in Projekten, Werkstätten und Lernbüros gearbeitet wird. Wichtig wäre es dabei zu beobachten, wie die SuS mit dieser großen Wahlfreiheit im Unterricht umgehen, ob sie sich konzentrieren können, genug Motivation besteht und wie der Lernfortschritt durch solche „freien“ Lernmethoden beeinflusst wird. Dazu fände ich es interessant, wie die LehrerInnen die SuS bei ihren Lernprozessen eingreifen.

 

 

Genderperspektiven – Heterogenitätskategorie Geschlecht/ Gender in Schule

In unserer letzten Vorlesung ging es um die Heterogenitätskategorie Geschlecht/Gender in der Schule. Zum Spannungsfeld von Inszenierung und Zuschreibung bezogen auf Gender (-pädagogik), stellte Dr. Fantini zunächst eine Grundschülerbefragung vor. Grundschüler wurden gefragt, warum es so wenig Männer innerhalb der Grundschullehrerschaft gäbe. Interessanterweise gingen alle Antworten in dieselbe Richtung: „Männer sind stark und Frauen schlau.“ oder „Männer interessieren sich mehr für Sport und Frauen für Wissen“. Diese Antworten zeigen ganz deutlich, wie stark Grundschüler in Stereotypkategorien denken. Oftmals fühlen sich Menschen von diesem sogenannten „stereotype threat“ wortwörtlich bedroht, handeln schließlich selbst genau diesen Genderklischees entsprechend und erfüllen letztendlich selbst solche Klischees. Es ist ein Teufelskreis.

So hört man immer wieder passend dazu von vielen LehrerInnen, dass Jungs gut in Sport und Mathe sind, dafür aber den Rest des Unterrichts stören. Im Gegensatz dazu heißt es über Mädchen, sie seien gut in Sprachen und Kunst, dafür aber im naturwissenschaftlichen Bereich nicht so talentiert. Ist ein Junge dann einmal gut in Französisch oder hat ein Mädchen Erfolg in Physik, so gelten diese Vorkommnisse gerne als „Ausnahme“.

Desweiteren ging es in unserer Vorlesung um das Thema Koedukation, also das gemeinsame Beschulen von Mädchen und Jungen. Was heute ganz selbstverständlich angesehen wird, war für viele Menschen vor 1960 undenkbar. Es hieß, Mädchen würden die Jungen vom Unterricht ablenken, es würde eine sexuelle Überreizung geben und homogene Lerngruppen seien ja sowieso besser. Heutzutage weiß man, wie sehr sich diese Menschen damals geirrt haben. Dennoch scheint sich dieses Muster besonders angesichts aktueller Inklusionsdebatten zu wiederholen. Während vor den 1960er Jahren Schule noch nach der Kategorie Geschlecht aufgeteilt war, so wird heutzutage über Sinn und Unsinn diskutiert, SchülerInnen nach Leistung einzuordnen.

Bezogen auf meine Schulzeit ist mir aufgefallen, dass tatsächlich viele Jungen meiner Klasse besser in Sport und den Naturwissenschaften waren als die meisten Mädchen. So war es gleichermaßen zu beobachten, dass der Großteil der Mädchen interessierter an Sprachen waren als an Naturwissenschaften. Offenbar lag dieses Phänomen, wie bereits angesprochen, an dem sogenannten „stereotype threat“ und diese SuS wollten der jeweiligen Gendererwartung gerecht werden bzw. nicht auffallen oder gar „aus der Reihe tanzen“.

Für kommende Praktika fände ich es interessant zu beobachten, inwieweit LehrerInnen zwischen Jungen und Mädchen unterscheiden und ob grundsätzlich in Klischees gedacht wird. Wird ein bestimmtes Geschlecht bevorzugt, anders benotet oder auch anders behandelt? Darüber hinaus würde mich interessieren, wie die SuS mit dem anderen Geschlecht umgehen, inwiefern Geschlecht eine Rolle spielt und ob sie sich in der Schule gerecht behandelt fühlen.