RVL06- Schule ganz anders oder einfach gut? Grundlagen Inklusiver Pädagogik im Kontext von Be-hinderungen
17. Mai 2024 by Hanna
Blockbeitrag RVL 06 – Schule ganz anders oder einfach gut? Grundlagen Inklusiver Pädagogik im Kontext von Be-hinderungen
1.Welche theoretischen Hinweise aus der Vorlesung passen zu den Inhalten des Videos (oder sind widersprüchlich)?
Das Video auf welches im Verlauf Bezug genommen wird, behandelt das Thema der Begabungsförderung im inklusiven Unterricht in der Schule. Es werden Fragen wie: „Wie funktioniert inklusive Begabungsförderung?“, „Was ist das Besondere an Begabungsförderung?“ und die Einstellungen der interviewten Person zum Thema besprochen. Interviewt wird hier Prof. Dr. Simone Seitz. Sie beschreibt, dass Schulen, Lehrkräfte und damit der Unterricht die Aufgabe hat, im Rahmen inklusiver Lehre die Potentiale der Kinder zu erkennen, zu sehen und zu fördern (vgl. Video Inklusive Begabungsförderung, Min. 14 ff) Seitz verwendet hier lieber den Begriff des „Potentials“ als den Begabungsbegriff, da letzterer die Gefahr mit sich bringt, dass sich die Bezeichnung „Begabungen der Kinder“ statisch festgesetzt und eventuell zugeschrieben anhören (vgl. Video Inklusive Begabungsförderung, Min. 13.45) Insgesamt sollen alle Kinder einer Klasse durch z.B.: offene Aufgabenkonzepte (vgl. Video inkl. Begab., Min. ) die Möglichkeit haben ihr eigenes Potential zu entfalten (vgl. Video inkl. Begab., Min 15.30). Es geht laut Seitz nicht darum bei einzelnen Kindern besondere Eigenschaften, Leistungen oder Begabungen zu erkennen und demnach zu fördern, sondern allen Kindern von Anfang an Potential zuzuschreiben und allen ein interessengeleitetes Lernen zu bieten (vgl. Video inkl. Begab. Min. 4 f).
Zum Thema Begabungsförderung im Inklusionskontext beschreibt Elisabeth Stiehm in einem Sammelband über Potentialentwicklung und Begabungsförderung eine Art Ablauf bzw. Konzept für das gemeinsame Lernen in einer inklusiven Klasse. Sie bezieht sich auf die Durchführung der Begabungsförderung in einer irischen Grundschule, welche im Text als positiv Beispiel herangezogen wird.
„Teilhabe ermöglichen – Potentiale aktivieren – vorbereitete Lernumgebung – hohe Erwartungen – Störungen vermeiden durch Prävention“ (Stiehm, 2017, S. 208)
Es geht darum, alle Kinder in den schulischen Alltag einzubeziehen und jedem Kind individuelle Entfaltung zu ermöglichen (vgl. Stiehm, 2017, S. 209).
Die Inhalte des ausgewählten Videos passen gut mit den Inhalten und zentralen Aussage der Vorlesung zusammen. Ein passendes Beispiel findet sich auf Folie 8, auf welcher zwei Zeichnungen die unterschiedlichen Voraussetzungen von Kindern zeigen sollen und wie man mit diesen umgehen kann. Die abgebildeten Tiere bekommen bekommen zuerst (im Negativbeispiel) die Aufgabe auf den Baum zu klettern. Da sie dabei aber ganz unterschiedliche Voraussetzungen hätten und es eine unfaire Aufgabenstellung wäre, wird in Zeichnung zwei ein besserer Ansatz geböten. Der abgebildete Lehrer möchte von den einzelnen Tieren hören welche Herausforderungen das „Klettern auf den Baum“ für sie bürgen würde. Außerdem sollen sich die Tiere nun selbst Aufgaben überlegen, wie man an das „Klettern auf dem Baum“ heran gehen könnte. Das Prinzip der Begabungsförderung greift hier ganz gut. Denn sowohl die Tiere als auch der Lehrer haben hier die Möglichkeit die unterschiedlichen Stärken und Potentiale der einzelnen Tiere zu erkennen und sich mit Ihnen auseinanderzusetzten. Ein inklusives Lehren im Unterricht, wie es auch in der Vorlesung beschrieben wurde, geht mit einer aufmerksamen Begabungs- und Potentialförderung einher.
Dazu passt ein weiteres Zitat aus dem Text „Inklusive Begabungsförderung als Aufgabe und Herausforderung“:
„Im Sinne einer Potentialorientierung, die sich nicht an den Schwächen der SuS orientiert (Ruf 2008, S. 16-17), sondern an den Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten der oder des Einzelnen, lässt sich ein zentrales Element der pädagogischen Haltung in Schule und Unterricht ausmachen, das sich als tragend für inklusive Bildung herausstellen könnte.“ (Fischer/Veber/Rott 2013, S.23)
Auch in dieser Quelle zeigt sich, Inklusion und Begabungsförderung gehen Hand in Hand.
2.Welche eigenen Praxiserfahrungen sind Ihnen zum Thema des Videos in den Sinn gekommen? Es können konträre oder vergleichbare Aspekte sein.
Wenn ich an meine eigene Erfahrung mit dem Thema Begabungs- bzw. Potentialförderung denke, fallen mir einige Situationen aus meinem Orientierungspraktikum ein. Ich erinnere mich sowohl an Momente, in welchen die Lehrkraft der Klasse gut durchdachte, differenzierte Aufgaben zur Verfügung gestellt hat, als auch an Arbeitsaufträge die viele Kinder, meiner Meinung nach, in der Bearbeitung gebremst haben. Ein positives Beispiel wäre hier eine Aufgabe die die Kinder zum Beginn einer Woche, am Montag Morgen bearbeiten sollten. Es gab 4 verschiedene Arbeitsblätter zur Auswahl. Das Übergeordnete Ziel der Aufgabe war, dass die Kinder von ihrem Wochenende berichten sollten, beziehungsweise ihr Wochenende selbst reflektieren sollten. Auf dem einen Arbeitsblatt sollten die Kinder ein paar Sätze über ihr Wochenende schreiben. Auf dem nächsten gab es die Möglichkeit ein kleines Bild zu malen und einige Sätze zu schrieben. Das nächste Arbeitsblatt hatte bereits ein größeres Feld zum Malen der Wochenenderlebnisse und es sollten darunter nur einige Wörter geschrieben werden und es gab noch ein viertes Arbeitsblatt, auf welchem die Kinder nur malen sollten, was sie gemacht hatten, ohne etwas schreiben zu müssen. Schön fand ich, wie die Lehrkraft das Angebot an unterschiedlichen Materialien dargestellt hat. Sie sagte den Kindern, sie können sich frei für eins der Arbeitsblätter entscheiden, je nachdem wie sich gerade fühlen, wodurch ich den Eindruck hatte die Kinder bekamen nicht vermittelt, dass es „leichtere und schwerere“ bzw. „bessere und schlechtere“ Blätter zur Auswahl gab. Deshalb hatte ich den Eindruck die Kinder haben tatsächlich überlegt, wie sie selber das am Wochenende Erlebte am besten zum Ausdruck bringen können. Kinder, die mit dem Schreiben Probleme haben, hatten trotzdem die Chance ihre Erlebnisse kreativ darzustellen. Somit wurden mit diesem Aufgabenangebot sowohl im Sinne der Vorlesungs- als auch des Videoinhalts eine gute Aufgabe für Alle gestellt.
Im Gegensatz dazu ein Negativ-Beispiel, bildete in meinen Augen die Arbeit in normalen Arbeitsheften. Es war mehrmals zu beobachten, wie viele Kinder Anderen seitenweise voraus waren und andere Kinder viele Seiten zurück lagen. Die Aufgaben in den Arbeitsheften bieten oft nur eine Bearbeitungsmöglichkeit und selbst wenn man als Lehrkraft vermittelt, dass es unwichtig ist wer auf welcher Seite ist und dass jeder in seinem eigenen Tempo arbeiten soll, reicht das nicht aus, um eine gute inklusive Erarbeitung zu ermöglichen. Wie bereits oben erwähnt eignen sich hier offene Aufgabenformate deutlich besser, in denen die Kinder selbständiger Entscheidungen über ihre Arbeit treffen. Wenn verschiedene Wege der Bearbeitung angeboten werden, können die Kinder ihre Potentiale besser entfalten.
3.Welche Fragen an ihre (zukünftige) Praxis ergeben sich aus dem Video? Fokussieren Sie auf sich als Lehrperson.
Das Thema des Videos ist inspirierend für die eigene zukünftige Praxis. Ich denke es ist besonders bedeutsam und deshalb hier erneut hervorzuheben, dass man als Lehrperson die Aufgabe hat bei jedem Kind von Begabungen und Potential auszugehen, dass gefördert werden kann und soll. Wichtig ist es nun herauszufinden, wie man diesem Anspruch gerecht wird. So ergeben sich die Fragen: „Welche Aufgaben eignen sich in welchen Bereichen besonders gut?“, „Welche Begabungen/Potentiale fördere ich wie am besten?“, oder „Wie können die Prinzipien des optimal differenzierten, inklusiven Unterrichts in der Realität umgesetzt werden (In Gedanken an eventuell mangelnde Ressourcen in einer Klasse, sowohl vom Personal als auch zeitlich)?“. Die Antworten auf diese Fragen haben alle etwas gemeinsam. Sie ergeben sich aus mehr und mehr praktischer Erfahrung, vermutlich auch aus dem was wir, als Studierende, in den nächsten Jahren unseres Studiums lernen werden und der intrinsischen Motivation diese wichtigen Konzepte durchzusetzen.
Quellenverzeichnis
Fischer, Christian/ Veber, Marcel /Rott, David (2013) Inklusive Begabungsförderung als Aufgabe und Herausforderung – auch für Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung, in: Sonderpädagogische Förderung in NRW 51. Jg. Heft 2, S. 22 – 30
Korff, Natascha, Ringvorlesungsfolien 06, Grundlagen Beitrag Inklusive Pädagogik mit Fokus Dis/Ability
Seitz, Simone (2021) Video zu: Inklusive Begabungsförderung, path2in, URL: https://www.youtube.com/watch?v=Z4w9b5qvWr0
Stiehm, Elisabeth (2017) Begabungsförderung in einer Schule auf dem Weg zur Inklusion am Beispiel einer irischen Schule, in: Fischer, Christian et. al. (Hrsg.) Potentialentwicklung. Begabungsförderung. Bildung der Vielfalt., Münster, New York: Waxmann Verlag GmbH, S. 201- 215
Hallo Hanna,
Dein Beitrag hat bereits äußerst relevante Aspekte aufgegriffen, welche ich gerne weiter vertiefen möchte. Unausweichlich scheint hier zwar die vorerst relevante Frage, welches die inklusive Schulentwicklung in Verbindung mit der Begabungsförderung bringt, wie einerseits auf Schüler/innen mit inklusiven Bedarf und andererseits auf Schüler/innen mit Potenzialen im Rahmen der Schule gleichzeitig eingegangen werden kann (vgl. Pfahl/Seitz 2014, S.47).
Ich stimme jedoch deinem Meinungsbild überein, denn Integration bezieht sich nicht auf die vermeintlichen Schwächen der Schüler/innen, sondern auf die konzeptionelle Integration der Teilhabe aller Schüler/innen, wobei die individuelle Leistung gefördert wird (vgl. Pfahl/Seitz 2014,
S.47).
„Hochbegabung ist dementsprechend ein konzeptioneller Baustein inklusive Praxis und kein
Gegensatz hierzu“ (Pfahl/Seitz 2014, S.47).
Somit ist es also von Relevanz, dass bei Inklusion und Begabungsförderung der Fokus auf der Gestaltung individueller Lernprozesse liegt, denn die Schüler/innen mit einer Hochbegabung benötigen ebenfalls individuelle Förderungen und sind somit im Heterogenitätsspektrum der Inklusion mit inbegriffen (vgl. Elke/Preuß 2012, S.18).
In meinem Orientierungspraktikum habe ich ähnliche Erfahrungen wie du machen können. In der Klasse, der ich zugeteilt wurde, wurde mit einem Arbeitsheft für alle Schüler/innen gearbeitet, wodurch klare Unterschiede in den Lernständen entstanden. Einige Schüler/innen waren
beispielsweise schon mit den Hausaufgaben der Stunde fertig, während andere Schüler/innen die Hausaufgaben der vergangenen Woche nicht in der Stunde fertig bekamen. Dies resultiert daher, dass jede/r Schüler/in ein individuelles Lerntempo aufweist und das Arbeiten in der Grundschule mit nur
einer Bearbeitungsmöglichkeit, in Form desselben Arbeitsmaterials für alle Schüler/innen, dem Prinzip der Chancengleichheit widerspricht.
Zu diesem Gedanken und der Kritik an den identischen Lernmaterialien für alle Schüler/innen der Klasse, könnte man hier auch noch einen Zusammenhang ziehen zu einem anderen Thema der Vorlesung: Zur sprachlichen Heterogenität. Schüler/innen mit Bedarf an Inklusion oder
Begabungsförderung, sowie auch Schüler/innen mit Deutsch als Zweitsprache würden von einem Angebot vielfältiger Bearbeitungsmöglichkeiten für Aufgabenstellungen in der Grundschule profitieren. Schüler/innen, welche die deutsche Sprache (noch) nicht erfolgreich beherrschen, könnten dem Unterricht trotzdem folgen, indem sie die Aufgabenstellungen auf verschiedene Arten bearbeiten könnten.
Viele Grüße,
Liv Binger
Literatur:
ELKE/PREUß, Bianca/Marie-Luise: Hochbegabung, Begabung und Inklusion: Schulische Entwicklung im Mehrebenensystem. In: Springer Verlag, 2012.
PHAHL/SEITZ, Lisa/Simone: Inklusive Schulentwicklung als Impuls für die Begabungsförderung.
In: Hackl, Armin (Hrsg.), Imhof, Carina (Hrsg.), Steenbruck, Olaf (Hrsg.), Weigand, Gabriele (Hrsg.): Begabung und Traditionen. Frankfurt am Main, 2014.