Rvl 5, Heterogenitätskategorie Geschlecht in Schule und Ansätze zur Entwicklung einer geschlechtersensiblen Pädagogik
9. Mai 2024 by Hanna
Blogbeitrag: Heterogenitätskategorie Geschlecht in Schule und Ansätze zur Entwicklung einer geschlechtersensiblen Pädagogik
1.Inszenierung und Zuschreibung meint hier zwei Prozesse die mit der Genderidentifikation und den damit zusammenhängenden gendertypischen Merkmalen zusammenhängen. Es werden Jungen beispielsweise häufig Charakteristika wie Stärke, Härte und weniger Emotionalität zugeschrieben, während Mädchen gesellschaftlich häufig eher als ruhiger, schwächer, brav und emotional beschrieben werden (vgl. Folien Rvl 5, S. 26). Diese fundamentalen Rollenbilder bekommen Kinder auch aus ihrem familiären und sonstigen sozialen Umfeld wie der Schule etc. vorgelebt (vgl. Folien Rvl 5, S. 30) Kinder, die diesem Rollendenken der Gesellschaft nicht entsprechen befinden sich in dem thematisierten Spannungsfeld (vgl. Fantini, 2019, S. 12).
2. Während meiner vergangenen Praktika sind mir mehrere Situationen im Kopf geblieben, in denen die in der Vorlesung thematisierte Genderdynamik deutlich wird. Vor allem bezogen auf den Bereich der Leistung kann ich mich an einige Male erinnern, in denen ich das Gefühl hatte die Lehrkraft geht mit dem standardisiertem gender-Denken an eine Aufgaben Bewertung heran. Zum Beispiel im Kunstunterricht. Mädchen die schöne Bilder malen, ordentlich ausmalen etc, sind die Grunderwartung der Lehrkraft. Das Gegenteil ist bei Jungs der Fall. Dies ist mir zum Beispiel an der Verwunderung darüber aufgefallen, dass z.B.: ein Junge ein besonders ordentliches Bild abgeben hat. Ich habe auch schonmal eine sehr interessante Situation betrachtet, in der es eine Klassenarbeit zurückgab und sowohl ein Mädchen, als auch Junge so traurig über ihre Ergebnisse waren, dass sie beinahe geweint hätten. Interessant fand ich hier die Reaktionen der Klassenkameraden. Das Mädchen wurde von ihren beiden Sitznachbarinnen getröstet und aufgemuntert. Der Junge hingegen der neben einigen anderen Jungs saß wurde kurz mit Sätzen wie: „Heulst du jetzt etwa?“ aufgezogen. Man sieht also, wie stark schon Kindern genau bewusst ist welche Charakterzüge zu welchem Geschlecht „gehören sollten“.
3. Ich denke es könnte interessant sein sich in einem kommenden Praktikum den Zusammenhang zwischen „gendersensibler Pädagogik“ und dem soziokulturellen Hintergrund einiger Jungen anzuschauen. Mir ist in der Vergangenheit bereits häufiger ein Phänomen aufgefallen, was auch Marc Thielen in seinem Text „Jungen mit Migrationshintergrund in der Schule aus der Perspektive einer lebenslagen- und gendersensiblen Jugendforschung“ beschreibt. Jungs mit Migrationshintergrund laufen schnell Gefahr von Lehrkräften als „problematisch“ abgestempelt, bzw. wahrgenommen, zu werden. Man könnte vermuten, hier greift ein doppeltes Schubladendenken, einerseits über den stereotypisierten Jungen und über Kinder mit Migrationshintergrund.
„Jungen mit Migrationshintergrund erscheinen gegenwärtig im deutschen Schulsystem in doppelter Hinsicht als benachteiligt. […] Während (jedoch) Jungen ohne Migrationshintergrund in öffentlichen Debatten in einem Opferdiskurs bemitleidet werden, mit der Begründung, dass ihnen emotional zugewandte Väter und männliches Erziehungspersonal fehlten, werden männliche Migranten durch den Verweis auf deren Überrepräsentanz in der Kriminalstatistik eher als Täter markiert. Sie erscheinen gegenüber ihren nichtzugewanderten Geschlechtsgenossen als besonders problembehaftet“ (Thielen, 2012, S. 328)
Aufgrund dieser Problematik könnte man sich die Frage stellen: Inwiefern unterscheidet sich die Reaktion der Lehrkräfte auf Fehlverhalten im Unterricht von Jungs, mit und ohne Migrationshintergrund?
Quellen:
Fantini, Christoph (2019). Männlichkeitsentwürfe in widersprüchlichen Verhältnissen – das Beispiel, Bremen: Univerität Bremen
Thielen, Marc: Jungen mit Migrationshintergrund in der Schule aus der Perspektive einer lebenslagen- und gendersensiblen Jugendforschung – In: Die Deutsche Schule 102 (2010) 4, S. 327-337
Veranstaltungsfolien: Heterogenitätskategorie Geschlecht/Gender in Schule – im Spannungsfeld von Inszenierung und Zuschreibung (Ringvorlesung UMHET)
1. Die beschriebenen Prozesse der Inszenierung und Zuschreibung von Geschlechterrollen sind gut dokumentiert und werden von verschiedenen Forschern und Theoretikern auf dem Gebiet der Geschlechterstudien untersucht. Eine alternative Perspektive könnte darauf hinweisen, dass Geschlechterrollen nicht ausschließlich sozial konstruiert sind, sondern auch biologische Grundlagen haben könnten. Diese Sichtweise wird oft in der Debatte über Natur vs. Kultur in Bezug auf Geschlechterunterschiede diskutiert.
Einige Forscher argumentieren beispielsweise, dass es biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die bestimmte Verhaltensweisen und Merkmale beeinflussen können. Zum Beispiel hat eine Studie von Lippa (2005) gezeigt, dass Männer im Durchschnitt höheres Interesse an systematischen Aktivitäten und Frauen im Durchschnitt höheres Interesse an empathischen Aktivitäten haben. Diese Unterschiede könnten sich aufgrund biologischer Faktoren wie Hormonen und Gehirnstrukturen entwickeln.
Dennoch wird betont, dass soziale und kulturelle Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und Ausprägung von Geschlechterrollen haben. Sozialisation durch Familie, Schule und Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Formung von Geschlechteridentitäten und -ausdruck. Eine ganzheitliche Betrachtung würde sowohl biologische als auch soziale Faktoren berücksichtigen, um ein umfassenderes Verständnis der Entstehung und Auswirkungen von Geschlechterrollen zu erreichen.
2. Die dargestellten Praxiserfahrungen zeigen deutlich, wie sich geschlechtsspezifische Stereotypen und Erwartungen im schulischen Umfeld manifestieren können. Solche Beobachtungen sind leider nicht ungewöhnlich und können in verschiedenen Fächern und Didaktiken auftreten.
In meinen eigenen Erfahrungen, während meiner eigenen Schulzeit in der Grundschule, habe ich ähnliche Dynamiken beobachtet, zum Beispiel im Bereich der Leistungsbeurteilung und des Verhaltens. Zum Beispiel gab es oft die Annahme, dass Jungen in mathematischen Fächern besser abschneiden sollten, während Mädchen in sprachlichen Fächern besser sein sollten. Lehrkräfte könnten daher dazu neigen, diese Stereotypen bei der Bewertung von Schülerleistungen unbeabsichtigt zu verstärken.
Darüber hinaus sind geschlechtsspezifische Reaktionen auf emotionale Situationen, wie Hanna sie beschrieben hat, ebenfalls nicht ungewöhnlich. Es ist beunruhigend zu sehen, wie früh Kinder lernen, welche Verhaltensweisen als akzeptabel für ihr Geschlecht gelten und wie stark sie diese Normen verinnerlichen.
3. Die beschriebenen Beiträge zeigen deutlich, wie sich geschlechtsspezifische Stereotypen und Erwartungen auf die das Verhalten und die Leistung von Schülern auswirken können. Diese Dynamiken stehen in direktem Zusammenhang mit dem Modulthema “Umgang mit Heterogenität in der Schule”, da Geschlecht eine Form der Heterogenität darstellt, die sich auf verschiedene Aspekte des Lernens und der sozialen Interaktion auswirken kann.
Literatur:
Lippa, Richard A.: Gender, Nature, and Nurture (2005)