Aufgabe 1
a) Theoretische Erkenntnisse zu fachdidaktischen Aspekten
1. Genderdynamiken und Geschlechterrollen:
Ein zentraler theoretischer Aspekt aus den Texten ist die Differenzierung zwischen Inszenierung und Zuschreibung von Geschlechterrollen in der Schule. Inszenierung bezieht sich auf die bewusste Darstellung von Geschlecht, während Zuschreibung unbewusste Annahmen und Stereotypen umfasst, die in der Schule und in der Gesellschaft vorherrschen (vgl. RV05: S. 26-30).
So wird Jungen oftmals zugeschrieben, dass sie vergesslicher oder unorganisierter seien, wohingegen Mädchen unter anderem als besonders schützenswert gelten (vgl. Faulstich-Wieland 2005: S. 13)
In der fachdidaktischen Praxis hat dies mehrere Konsequenzen:
– Mathematik: Genderstereotypen können die Wahrnehmung der mathematischen Fähigkeiten von Schüler:innen beeinflussen. Studien zeigen, dass Mädchen oft weniger Vertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten haben, was teilweise durch stereotype Zuschreibungen wie „Mathematik ist etwas für Jungen“ bedingt ist. Lehrer:innen könnten durch geschlechtsneutrale Aufgabenstellungen und Gruppenarbeiten sowie durch aktives Eingreifen gegen stereotype Zuschreibungen eine gerechtere Lernumgebung schaffen.
– Deutsch: Geschlechterrollen beeinflussen auch die Textauswahl und die Art und Weise, wie Themen behandelt werden. Wenn Lehrer:innen stereotypische Rollenbilder in der Literatur nicht hinterfragen, können sie unbeabsichtigt bestehende Gender-Stereotypen verstärken. Die Auswahl von Texten, die verschiedene Perspektiven und Rollenbilder darstellen, kann dazu beitragen, ein ausgewogeneres Bild zu vermitteln.
– Kunst: In der Kunst können Geschlechterrollen durch die Auswahl der Künstler:innen und der Themen beeinflusst werden. Wenn Kunstunterricht überwiegend Werke von männlichen Künstlern behandelt oder sich auf traditionell „männliche“ Themen konzentriert, kann dies stereotype Sichtweisen verstärken. Ein bewussterer Ansatz, der auch Künstlerinnen und vielfältige Ausdrucksformen berücksichtigt, fördert ein gerechteres Bild von Geschlechterrollen.
2. Inklusive Unterrichtsprinzipien:
Ein weiteres bedeutendes Konzept ist die Anerkennung der Individualität und Sozialität im inklusiven Unterricht. Prof. Dr. Simone Seitz betont in ihrem Interview, dass die Anerkennung von Persönlichkeiten, sozialen Interaktionen und der Komplexität von Lernproblemen zentral für inklusiven Unterricht ist. Die Prinzipien der Anerkennung und des gemeinsamen Lernens als Chance sind relevant für die Gestaltung eines inklusiven Unterrichts, der alle Schüler:innen berücksichtigt und fördert.
– Mathematik: Im Mathematikunterricht könnte dies bedeuten, dass die Lehrkraft den individuellen Lernstand jedes Kindes anerkennt und differenzierte Aufgaben bietet, die verschiedene Niveaus berücksichtigen. Gemeinsames Lernen kann durch kooperative Aufgaben gefördert werden, die den Austausch und das gegenseitige Verständnis stärken.
– Deutsch: Im Deutschunterricht sollte die Lehrkraft die unterschiedlichen Sprach- und Lesefähigkeiten der Schüler:innen berücksichtigen. Durch differenzierte Lesetexte und Aufgabenstellungen sowie durch Partnerarbeit können Schüler:innen individuell gefördert werden und gleichzeitig voneinander lernen.
– Kunst: Im Kunstunterricht kann das Prinzip der Anerkennung durch projektorientierte Aufgaben umgesetzt werden, bei denen Schüler:innen ihre individuellen Ideen und Stile einbringen können. Dies fördert nicht nur die kreative Entfaltung, sondern auch den sozialen Austausch und das gemeinsame Lernen über verschiedene künstlerische Ausdrucksformen hinweg.
b) Generelle Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht
1. Einfluss von Lehrkräften auf Lernleistungen:
Ein bedeutendes Konzept ist der Einfluss der Lehrkräfte auf die Lernleistungen der Schüler:innen. In der Vorlesung, dass Lehrkräfte rund 21% der Variabilität in den Lernleistungen der Schüler:innen beeinflussen können (vgl. Zierer 2015). Diese Erkenntnis impliziert, dass eine positive und unterstützende Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung entscheidend für den Lernerfolg ist. Lehrkräfte müssen sich der unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler:innen bewusst sein und entsprechende Förderstrategien entwickeln.
2. Lehrer:innen-Erwartungen und Leistungsbeurteilung:
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rolle der Lehrer:innen-Erwartungen in der Leistungsbeurteilung. Die Wahrnehmung und Erwartungen der Lehrkräfte können die Bewertungen und die Motivation der Schüler:innen beeinflussen (vgl. Laßmann 2017). Hierbei ist es wichtig, transparente und faire Bewertungskriterien zu entwickeln, um Verzerrungen zu vermeiden und die Schüler:innen objektiv zu fördern.
Aufgabe 2
Faktoren im Umgang mit Heterogenität:
1. Schulstrukturen und Unterrichtsformen:
Schulstrukturen wie die Klassenstärke, Schulform und das Vorhandensein von Fördermaßnahmen prägen den Umgang mit Heterogenität stark. In meiner Schulzeit war der Unterricht oft auf homogene Leistungsgruppen ausgerichtet, was zu einem wenig differenzierten Förderansatz führte. Heute zeigen sich positive Beispiele von integrativen Ansätzen, bei denen heterogene Gruppen und individualisierte Förderangebote gezielt genutzt werden, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Schüler:innen gerecht zu werden. Die Vorlesungsinhalte, wie etwa die Vermeidung von Trennung nach Leistungsgruppen, unterstützen die Reflexion über die Notwendigkeit einer inklusiven und differenzierten Unterrichtsgestaltung.
2. Lehrer:innen-Handeln:
Das Handeln von Lehrkräften hat einen wesentlichen Einfluss auf den Umgang mit Heterogenität. Positive Erfahrungen machen wir durch Lehrkräfte, die bewusst individuelle Stärken und Schwächen berücksichtigen und entsprechend differenzierte Aufgaben anbieten. Weniger gelungen sind Ansätze, die starre Bewertungsmaßstäbe anwenden und wenig Raum für individuelle Förderungen lassen. Die Vorlesung hat die Bedeutung eines flexiblen und unterstützenden Lehrerhandels betont, um eine gerechte Lernumgebung zu schaffen.
Bezug zu Vorlesungsinhalten:
– Konzepte der Differenzierung und Inklusion: Die Vorlesungsinhalte, die die Notwendigkeit der Vermeidung von Leistungsgruppen und die Förderung von Individualisierung im Unterricht thematisieren, helfen dabei, die eigene Einschätzung von gelungenem und weniger gelungenem Umgang mit Heterogenität zu reflektieren.
Aufgabe 3
Fragestellungen für das Grundschullehramtstudium:
1. Einfluss der Lehrer:innen-Erwartungen auf den Lernerfolg:
Ich möchte mehr über die spezifischen Mechanismen erfahren, durch die Lehrer:innen-Erwartungen den Lernerfolg von Schüler:innen beeinflussen. Dies könnte durch empirische Studien oder detaillierte Fallanalysen geschehen, um zu verstehen, wie Erwartungen geformt werden und welche konkreten Auswirkungen sie auf die Leistungsentwicklung haben.
2. Effektivität von Differenzierungsmaßnahmen im inklusiven Unterricht:
Ein weiteres Interesse besteht in der Erforschung der Wirksamkeit verschiedener Differenzierungsmaßnahmen im inklusiven Unterricht. Hierzu könnten spezifische Unterrichtsstrategien und deren Auswirkungen auf die Lernmotivation und -leistung von Schüler:innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen untersucht werden.
Begründung:
Diese Fragestellungen sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung eines fundierten Verständnisses für die Umsetzung von Inklusion und Differenzierung im Unterricht. Sie ermöglichen es, gezielte Strategien zur Verbesserung der Lernbedingungen für alle Schüler:innen zu entwickeln und anzuwenden.
Literaturquellen:
- Faulstich-Wieland, H. (2005). „Spielt das Geschlecht (k) eine Rolle im Schulalltag?“ Vortrag in der Reihe Gender Lectures an der Humboldt-Universität Berlin.
- Laßmann, S.; Trumpa, S. (2017): „Erzwingen kann man das ja nicht “–Hypothesen zu Einflüssen auf den sozialen Status im Gemeinsamen Unterricht. Leistung inklusive? Inklusion in der Leistungsgesellschaft, S. 60.
- Zierer, K. (2015): Kernbotschaften aus John Haitis Visible Learning, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=c943ad48-df39-d2f1-aa54-80d5f432815a&groupId=252038, entnommen am 07.06.24.
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