
Der Industriehafen von oben. Quelle: Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Europa (2018: 22).
Zuletzt stand der Industriehafen aufgrund des entfachten Feuers auf dem Gelände eines Holzhandels an der Louis-Krages-Straße im medialen Interesse in Bremen und umzu. Wie das Feuer am Hafen, dass klein begann und sich zwischenzeitlich auf bis zu 300 Quadratmeter ausbreitete (Buten und binnen 2020), so verlief die Geschichte des Industriehafen – mit der Idee die Wirtschaft anzukurbeln. Mittlerweile, zehn Jahre nach dessen 100-jährigem Jubiläum (Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa 2010), konzentriert sich die Hälfte des stadtbremischen Seegüterumschlags im Industriehafen (Andryszak 2018: 2).
Die Idee eines Industriehafens kann bereits auf die 1880er Jahren datiert werden, als durch die Vertiefung der Unterweser versucht wurde, vorrangig für den Import aber auch für den Export geeignete Hafenbecken zu schaffen (Hoppe 1986: 193). Die hohe Arbeitslosigkeit und der Gedanke, dass Bremen vom Außenhandel sowie der Seeschifffahrt und durch das rasche Bevölkerungswachstum im deutschen Kaiserreich bestimmt sei, veranlasste bestimmte Persönlichkeiten, wie den bedeutenden Kaufmann Franz Schütte, sowie den Norddeutschen Lloyd zum Handeln (Hoppe 1986: 196). Dies gestaltete sich so, dass auf der einen Seite versucht wurde, wirtschaftsstarke Unternehmen von außerhalb Bremens „für hafenorientierte Be- und Verarbeitungen speziell überseeischer Rohstoffe für eine Ansiedlung in Bremen und an der Unterweser zu begeistern“ (Hoppe 1986: 196). Im Zuge der deutschen Industrialisierung wurde Bremen aber auf der anderen Seite auch für Unternehmen relevant, da sie auf den Import der Rohstoffe von Übersee für ihre eigene Produktion angewiesen waren – damit bestand ein Wechselwirkungsverhältnis zwischen ProduzentInnen und InitiatorInnen. Um diesem wirtschaftlichen Begehren gerecht zu werden wurde seit dem Jahr 1910 die Hafenkapazität erweitert und damit ein eigenständiger Hafenbereich angelegt – der Industriehafen (Heidbrink 2005: 139). Heute sind dort 50 Umschlags- und Logistikbetriebe sowie Unternehmen des industriellen Gewerbes ansässig, welche für die Produktion und die Verarbeitung der umgeschlagenen Güter sorgen (Bremenports 2016). Damit beschäftigen diese ungefähr 3000 Mitarbeiter (Hanuschke 2018).
Die heute verwendete Fläche des Industriehafens wurde dabei im Wissen und in Absprache mit dem damaligen Senat von Franz Schütte im Jahr 1906 schachbrettartig aufgekauft, um Spekulationen zu vermeiden. Anschließend stellte Franz Schütte das in Betracht kommende Gelände zu dem Preis, zu dem er dieses erworben hatte, der Stadt zur Verfügung.

Die Oslebshauser Schleuse. Quelle: Hanuschke (2018).
Eine Besonderheit des Industriehafens ist dabei die Abtrennung der Weser durch eine Schleuse, wodurch der Hafen tidefrei, das heißt, nicht von Ebbe und Flut betroffen ist (Andryszak 2018: 2). Ein solcher abgetrennter Hafen, der auch Dockhafen genannt wird, ist laut Heidbrink (2005) „einzigartig für die stadtbremischen Häfen“, insbesondere im Vergleich zur Hafenentwicklung in Bremerhaven. Durch den Einsatz einer Schleuse (namentlich Oslebshauser Schleuse) konnte außerdem der Kauf von teuren Kajen im neuen Hafenbecken vermieden werden, da der Wasserstand gleich gehalten werden konnte (Hoppe 1986: 197). Die Idee einen „besonderen Schleusenhafen sachgerecht und relativ billig anzulegen“ (Hoppe 1986: 197) geht dabei auf Baurat Eduard Suling zurück. Dieser sah sich aufgrund der Enge des Strombettes und der geringen Wasserführung der Weser gezwungen, an den Flussufern neue Industrien anzusiedeln (Hoppe 1986: 197). Das Schleusentor der Oslebshauser Schleuse, dass Hafen und Weser trennt, wiegt 600 Tonnen, ist 36 Meter lang und 16,70 Meter hoch. Zuletzt wurde dieses im Jahr 2018 ausgewechselt, um dessen Funktionsfähigkeit nicht zu gefährden (Hanuschke 2018). Durch die Oslebshauer Schleuse wird bis heute sichergestellt, dass Frachtschiffe den Industriehafen anlaufen können (Andryszak 2018: 2)
Die ersten Becken des Hafens entstanden in den Jahren 1907/10, genau wie die Schleuse selbst, sodass der erste Dampfer am 2.11.1910 am neuen Hafen anlegen konnte (Hoppe 1986: 197). Später folgten der Kalihafen und der Hafen E, die bis zum Jahr 1925 fertiggestellt und auch in Betrieb genommen wurden (Hoppe 1986: 199). Die Hafennamen des Hütten-, Kohle-, Kali und Ölhafen weisen außerdem bis heute darauf hin, wofür sie konzipiert wurden. Mit der Fertigstellung des Industriehafens kann damit auch von einem Ende der Entwicklung der stadtbremischen Häfen vor dem Zweiten Weltkrieg gesprochen werden (Heidbrink 2005: 139).
Heute konzentriert sich die Hälfte des stadtbremischen Seegüterumschlags im Industriehafen, nicht umsonst plädiert der ehemalige Senator Martin Günther: „Wer eine starke Wirtschaft im Land Bremen will, muss in die Häfen investieren“ (Andryszak 2018: 2). Neben Baustoffen, Holz und Massengütern bis hin zu Containern sowie Stahlerzeugnissen – die Bandbreite an umgeschlagenen Gütern ist vielfältig (Andryszak 2018: 2). Nicht immer war der Industriehafen aber für jegliche Art von Gütern als Umschlagsplatz geeignet, so zum Beispiel bei der Spezialverladung von Autos und Seeschiffen. Zwar wurden seit der ersten gefertigten Anlage für dieses Vorhaben im Jahr 1961 400.000 PKWs in den ersten drei Monaten umgeschlagen. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass der Industriehafen für die Verschiffung von Fahrzeugen aufgrund wenig vorhandener Aufstellfläche im Hafen selbst nicht geeignet war (Heidbrink 2005: 145).
Der Bremer Industriehafen verändert sich bis heutige stetig weiter und ist seit Januar 2020 nun auch eine Plattform für ein neues Projekt: H2B – Roadmap für eine graduelle Defossilisierung der Stahlindustrie und urbaner Infrastrukturen mittels Elektrolyse-Wasserstoff in Bremen. Das vom Fachgebiet Resiliente Energiesysteme und Forschungsgruppe Innovations- und Strukturökonomik der Universität Bremen initiierte Projekt ist der Antriebsmotor. Durch dieses soll der Industriehafen zur Energiewende beitragen. Die Idee ist, den Ausstoß von Kohlendioxid einzudämmen, indem keine fossilen Rohstoffe mehr verbrannt werden. An dieser Stelle dockt die Forschungsgruppe an und macht Wasserstoff durch Stromerzeugung (Windenergie) zum entscheidenden Element im Projekt (Bremen innovativ 2020).
Auch das Feuer dieses Projektes begann mit einem Funken und kann sich bis Ende seiner Laufzeit am 31.12.2022 zu einem „erfolgreichen Feuer“ für die Energiewende entfachen – genau so wie die wirtschaftliche Relevanz des Industriehafens selbst.
Literatur:
- Andryszak, Peter (2018): Die Stadt mit den vielen Häfen. In: Schiffahrt Hafen Bahn undTechnik, 2.
- Bremen innovativ (2020): Das Projekt H2B im Bremer Industriehafen. In: Bremen innovativ vom 31.01.2020. Text abrufbar unter: https://www.bremen- innovativ.de/2020/01/das-projekt-h2b-im-bremer-industriehafen/ (Zugriff am 17.05.2020).
- Bremenports (2016): Zentrum des Hafen- und Logistikgewerbes Industriehafen. Text abrufbar unter: https://bremenports.de/hafen/bremen/ (Zugriff am 16.05.2020).
- Buten und binnen (2020): Löscharbeiten im Bremer Industriehafen dauern heute an. In: buten und binnen am 29.04.2020. Text abrufbar unter: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/kurz-notiert/feuerwehr-bremen- feuer-100.html (Zugriff am 16.05.2020).
- Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Europa (2018): Umweltbericht 2018. Bremische Häfen.
- Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa (2010): Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. In: Pressestelle des Senats vom 22.10.2010. Text abrufbar unter: 100 Jahre Industriehafen. Text abrufbar unter: https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?id=35961 (Zugriff am 16.05.2020).
- Hanuschke, Peter (2018): Ein 600-Tonnen-Tor für den Industriehafen. In: Weser Kurier am 14.06.2018. Text abrufbar unter: https://www.weser- kurier.de/bremen/bremen-wirtschaft_artikel,-ein-600tonnentor-fuer-den- industriehafen-_arid,1739092.html (Zugriff am 17.05.2020).
- Heidbrink, Ingo (2005): Bremen und die Häfen. In: Elmshäuser, Konrad / Wittheit Bremen (Hrsg.), Der Stadtstaat – Bremen als Paradigma. Geschichte – Gegenwart – Perspektivan. Bremen: Hauschild, 129-154.
- Hoppe, Helmut R. (1986): Die Entwicklung des Industrie- und Handelshafens : ein wenig bekannter und verschiedentlich verkannter Zeitabschnitt bremischer Wirtschaftsgeschichte. In: Bremisches Jahrbuch, Band 64. Bremen: Schünemann, 193-204.
Danke für diesen interessanten Beitrag! Die Industriehäfen haben wir ja wegen ihrer Lage oft gar nicht so im Blick, obwohl sie die umschlagsstärksten stadtbremischen Häfen sind. Bei gutem Wetter lohnt ein Fahrradausflug in das Gelände! Vom Schleusenweg aus hat man einen guten Blick auf die verschiedenen Hafenbecken und das Stahlwerk (posten Sie gerne Fotos davon als Kommentar!).
Wir hatten ja schon in Lerneinheit 2 etwas über die nachholende Industrialiaisrung Bremens erfahren, die auch im Text für die nächste Woche im Zentrum steht (Roder 2002). Schreiben Sie doch mal in die Kommentare, wenn Sie in diesem Text weitere Infos zu den Industriehäfen finden. Weiß jemand von Ihnen, was es mit den sog. Wiegand-Industrien auf sich hat? Kleiner Tipp: Elmhäuser 2007: 84 (Text zu Lerneinheit 1).