Integration ist nicht gleich Integration (SL_B1)

Mit 27 Jahren stieg sie aus dem Flugzeug, hochschwanger, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Nicht nur für sich, sondern auch für ihr ungeborenes Kind. Ihr Koffer war gefüllt mit Kleidung, die anders aussehen würde, als die der Anderen. Ihre bisherige Sprache würde hier nicht verstanden werden. Der Aberglaube, dem sie viele Jahre geglaubt hatte, würde eher belächelt als akzeptiert werden. Sie würde Feste feiern, von denen die anderen keine Ahnung hatten. So vieles trug sie aus ihrem Heimatland mit sich, als sie aus diesem Flugzeug ausstieg und in ein Land trat, das ihr noch unbekannt war. 

Im laufe der Zeit lernte sie Menschen kennen, die ihr dieses „neue“ Land zeigten, bis es schließlich nicht mehr so „fremd“ erschien. Sie begann eine Sensibilität für die Bräuche, Normen, Werte dieses Landes zu entwickeln, die sich von ihrer Heimat unterschieden. Sie passte sich an, manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Irgendwann unterschied sie sich äußerlich nicht mehr von den anderen und nahm die Werte, Normen, Bräuche und Feste ihrer neuen „Heimat“ an, doch bewahrte die Einzigartigkeit ihrer eigenen Kultur. Sie sprach zu Hause die Sprache, kochte mit Freunden traditionelle Gerichte und hielt an Festen und Bräuchen fest. 

Diese fiktive Geschichte einer eingewanderten Frau spiegelt das Leben vieler Menschen wider. Aus verschiedenen Gründen, treffen Menschen die Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen. In der Kulturwissenschaft sind Integration und Anpassung große Themenbereiche, jedoch reicht es nicht aus, dies aus einseitiger Perspektive zu betrachten. Es braucht einen multiperspektivischen Blick auf kulturelle Phänomene, um Anpassung und Integration besser verstehen zu können.

Das weiterdenken und nicht „in Schubladen“ packen, das ist der Grund, weshalb ich es für wichtig halte Kulturwissenschaftlich zu arbeiten. 


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Kommentare

2 Antworten zu „Integration ist nicht gleich Integration (SL_B1)“

  1. Avatar von Mimi Fung
    Mimi Fung

    Während ich den Text las, erinnerte ich mich an meinen ersten Monat in Deutschland.Es ist zunächst eine Herausforderung, quer durch die Welt nach Deutschland zu fliegen und dort alleine zu leben. Ich verstand die Sprache kaum und lernte jeden Tag eine völlig neue Kultur kennen, was mich ständig darüber nachdenken ließ, ob es eine kluge Entscheidung wäre, Hongkong zu verlassen. Wenn ich auf Herausforderungen stieß, fühlte ich mich manchmal elend und hilflos. Ich hatte niemanden, der mir zeigte, wie man in Deutschland lebt. Selbst als ich meinen Eltern von meinen Schwierigkeiten erzählte, konnten sie es nicht verstehen oder helfen. Aber im Laufe der Zeit habe ich einige wunderbare Freunde gefunden, die wie ich in ihren Zwanzigern ihre Heimat verließen und hierher kamen, um zu studieren. Wir haben die neue Kultur und Lebensweise gemeinsam erlebt und wenn Herausforderungen auftauchen, werden wir sie gemeinsam meistern. Obwohl ich meine Familie in Hongkong zurückgelassen habe, fühle ich mich nicht mehr allein und verloren, weil ich hier meine Freunde getroffen habe, die wie meine zweite Familie sind. Jetzt, wo ich seit zwei Jahren in Bremen bin, habe ich angefangen zu studieren, einen festen Job gefunden, viele Freunde gefunden und viele Kontakte geknüpft. Ich habe das Gefühl, dass mein altes Ich von vor zwei Jahren jetzt sehr stolz auf mich ist.
    Während der zwei Jahre in Bremen bin ich auch nach Hongkong zurückgekehrt und dort zwei Monate geblieben. Ich erkannte, dass der Aufenthalt im Ausland einen großen Einfluss auf mich hatte, unabhängig von meinem Aussehen oder meiner Mentalität. Ich akzeptierte die Kulturen und Praktiken anderer Menschen immer mehr. Im Gegensatz dazu konnten meine Eltern meine Änderungen nicht akzeptieren. Sie konnten meine Piercings und Tätowierungen nicht akzeptieren, ebenso wenig wie das Feiern und Alkoholkonsum mit Freunden. Aufgrund ihrer Religion und Kultur werden sie als schlecht angesehen. Außerhalb von Hongkong sind solche jedoch üblich. Früher stritten wir häufig über unsere unterschiedlichen Standpunkte. Das brachte mich zum Nachdenken darüber, wie motiviert ich bin, mich selbst als Vorbild zu nehmen und ihnen die Welt jenseits von Hongkong zu zeigen. Sie haben 19 Jahre damit verbracht, mich zu unterrichten und mir ihre Welt zu zeigen, und jetzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, ihnen meine zu zeigen. Ich bin dankbar für diese Gelegenheit, meinen Horizont zu erweitern und eine bessere Zukunft zu schaffen. Aber gleichzeitig möchte ich auch, dass meine Familie etwas über die Welt lernt und aufgeschlossen ist. Ich stimme vollkommen mit dem überein, was Sie am Ende gesagt haben, und sicherlich sollten und können wir die Dinge nicht immer in Schubladen stecken, weil das Welt so groß und unser Wissen so begrenzt ist. Aufgeschlossenheit und Respekt gegenüber Vielfalt sind die einzige Möglichkeit, in einer Welt mit vielfältigen Kulturen zu leben.

    1. Avatar von Polina
      Polina

      Danke Mimi für deine ehrlichen Worte! Du beschreibst sehr gut die Schwierigkeiten, welche dich nach der Ankunft in Deutschland begleiteten. Ich kann nur aus der Perspektive von Menschen schreiben, die diese Situation erlebt haben, mit ihnen sprechen und versuchen mich da hinein zu fühlen. Deshalb bin ich dir so dankbar für dein Kommentar.

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