Spannungsfeld Heterogenität und Homogenität
„Der deutsche Begriff für Heterogenität ist Vielfalt. Vielfalt heißt zunächst: verschieden sein. Verschiedenheit fällt ins Auge.“ (Ratzki, 2007, S.21).
Die Realität wird von Vielfalt geprägt, weswegen der Mensch nach Gemeinsamkeiten sucht. Dies tut er um einer Überforderung vorzubeugen und seinem Wunsch nach Ordnung nachzugehen. Es erfolgt eine „Komplexitätsreduktion“(Luhmann, 1975, S.36). Eine heterogene Gruppe wird folglich in bestimmte Stereotype unterteilt, wodurch resultierend die Basis für Vorurteile und Diskriminierung gegenüber einzelner Gruppen sowie Individuen entsteht. Die realen Gemeinsamkeiten der heterogenen Gruppe werden als Norm bestimmt, während jegliche Abweichungen als bloßer „Störfaktor“ angesehen werden. Unter bestimmten Aspekten wird eine heterogene Gruppe homogenisiert, da bestimmte Bedingungen für diese Gruppe homogen sind. Dennoch ist zu erwähnen, dass Homogenität auch als bewusste pädagogische Intervention vollzogen wird, da z.B. die „Wir- Gruppenbildung“ gefördert wird (Bauriedl, 1984, S. 153f). Zur näheren Erläuterung möchte ich ein Beispiel aus meinem Orientierungspraktikum vorstellen. Dies habe ich an der Grundschule „Schule In der Vahr“ in einer ersten Klasse absolviert. Teil der Praktikumsklasse war ein Schüler, dem es Schwierigkeiten bereitete über einen längeren Zeitraum still zu sein und sich zur Unterrichtsbeteiligung zu melden. Mehrmals ist er während des Unterrichts aufgestanden und durch den Klassenraum gegangen oder hat versucht das Gespräch mit den MitschülerInnen herzustellen. Durch den Versuch der Ablenkung anderer und des störenden Verhaltens während des Unterrichts wurde der Schüler vor die Tür geschickt. Begründet wurde die Maßnahme damit, dass der Junge sich beruhigen solle und in ein paar Minuten wieder in die Gruppe kommen könne. Die Lehrkraft hat den Schüler somit von der Gruppe isoliert undihren „Störfaktor“ kurzweilig entfernt. Zusammenfassend hat sie die Gruppe homogenisiert, um ihrer Vorstellung eines funktionierenden Unterrichts nachgehen zu können. Dieses Verhalten traf bei mir auf Unverständnis und erwies sich als kontraproduktiv. Besonders an Schulen sollte die Heterogenität der SchülerInnen als Chance angesehen werden, anstatt einzelne Kinder zu isolieren, die nicht der persönlichen Norm entsprechen.
In meinem bevorstehenden Praktikum möchte ich verschärft auf derartige Situationen achten. Darüber hinaus möchte ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Störverhalten der SchülerInnen entdecken und auswerten. Ich erhoffe mir eine Sensibilität entwickeln zu können, um vermeintlich unbewussten Homogenisierungen sowie Diskriminierungen vorbeugen zu können.
2 Antworten auf „Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität“
Dieser Beitrag zeigt einen guten Überblick über die in der Vorlesung angesprochenen Spannungsfelder und deren Zusammenhänge. Ergänzend wäre aus meiner Sicht im Kontext Schule die Antinomie von struktureller Vereinheitlichung und subjektorientierter Differenzierung als grundsätzliches Spannungsfeld zu nennen. So besteht die Forderung nach „einer Schule für alle“ als Leitidee bereits seit der Gründung der Grundschule, andererseits werden von der Schule individualisierte Unterrichtsangebote gefordert. Diese Differenzierungsantinomie wurde auch von Helsper (2002, S.85) beschrieben.
Ich war im meinem Orientierungspraktikum ebenfalls in einer ersten Klasse eingesetzt und kann mich auch an einen Kind erinnern, das häufig während des Unterrichts aufgestanden ist und, oft auch bei mir, persönliche Ansprache eingefordert hat. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es in einer derartigen Situation keine angemessene Reaktion einer professionellen Lehrkraft ist, gewünschte Homogenität durch Ausgrenzung herzustellen. Während meines Praktikum ist die Lehrkraft sehr geduldig mit der Situation umgegangen, dass sich die einzelnen SuS nach der Einschulung unterschiedlich schnell an die grundlegenden Regeln der für sie neuen Situation „Unterricht“ gewöhnt haben.
Insgesamt zeigt dieser Beitrag somit eine gute Zusammenfassung der Thematik als Einstieg in die Veranstaltung sowie gleichzeitig die Notwendigkeit, sich im Zuge der Professionalisierung mit diesem Themengebiet auseinanderzusetzen.