Wenn ich auf meine eigene Schulzeit zurück blicke, würde ich im ersten Moment behaupten, dass es keine genderbezogenen Prämissen gab, die sich unmittelbar auf meine Fächerwahl (naturwissenschaftlicher vs. Sprachlicher Schwerpunkt) ausgewirkt haben. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass die Struktur und Schwerpunktsetzung meiner Schule meine Schullaufbahn beeinflusst haben; so konnte ich Spanisch nicht anwählen, da keine Lehrkraft zur Verfügung stand und Türkisch war nur für türkischstämmige Kinder vorgesehen. So wählte ich Englisch und Sozialwissenschaften als Leistungskurse und deckte mit Biologie und Chemie dennoch meinen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt ab. Denke ich an meine Leistungskurse zurück, ist auffällig, dass in beiden Kursen (Englisch und SoWi) mehr Mädchen als Jungen anwesend waren. Und auch in den Französischklassen waren mehr Schülerinnen als Schüler vertreten. Die in der Vorlesung vorgestellte These „Mädchen & Frauen sind die besseren Fremdsprachenlerner“ und genderbezogene Stereotypen (Mädchen: Sprachen – Jungs: Technik) spiegelte sich also auch in unserer Oberstufe wieder.
Eine Erklärung für dieses Phänomen kann der sozialkonstruktivistische Ansatz von Williams und Burden liefern. Dieser geht davon davon aus, dass das, was von außen auf uns wirkt unsere Lernprozesse beeinflusst. Unser Umfeld (Eltern, Lehrer*innen, Mitschüler*innen, etc.) prägt uns und unsere Entscheidungen, auch in Hinblick auf Gender.
Ziel aller an der schulischen Laufbahn beteiligten sollte es also sein, explizite und implizite (!) Genderstereotype zu überdenken. Als Elternteil sollte man darauf achten, seinem Kind alle Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen aufzuzeigen und als Lehrer*in sollte man alle SuS dazu ermutigen, das Fach bzw. den Schwerpunkt zu wählen, den er*sie am interessantesten findet. Auch ein direkter Hinweis auf mögliche genderspezifischen Prämissen kann nicht schaden.
Auch bei der Arbeit mit Lehrwerken sind die abgebildeten Genderstereotype zu hinterfragen; wie werden Jungen und Mädchen im Englischbuch dargestellt? Wer hat welche Rolle und warum? – auch diese Fragen sollten in einer erfolgreichen Unterrichtsstunde Platz finden.