Was bedeutet Inklusion? – oder: wer ist hier behindert?!

In der heutigen Vorlesung mit dem Titel „Meint Inklusion wirklich alle?! – Aktuelle Diskussionslinien und praktische Umsetzung“ von Dr. Eileen Schwarzenberg haben wir die zentralen theoretischen Aspekte zum Thema Behinderung bzw. sonderpädagogischer Förderbedarf kennen gelernt; zunächst musste geklärt werden, von wem wir eigentlich sprechen. – Was bedeutet Inklusion überhaupt?

Wichtig ist: bei „SuS mit besonderem Förderbedarf“ handelt es sich um eine große, heterogene Gruppe. Gemeint sind zunächst alle SuS mit körperlichen Einschränkungen, geistigen Behinderungen, Sprachproblemen oder chronischen Krankheiten. Ein „sonderpädagogischer Förderbedarf“ wird diagnostiziert und ist keine Eigenschaft einer Person, sondern eine administrative Vereinbarung, die in vielen Bundesländern zum Besuch einer Förderschule führt.

Generell unterscheidet man zwei Modelle von Behinderung: das medizinische und das soziale Modell. Im medizinischen Modell von Behinderung hat die Person eine Schädigung → diese führt zu Beeinträchtigung(en) → die Person erfährt Nachteil(e) und gilt als behindert. Dass soziale Modell von Behinderung geht von einer Barriere in der Umwelt aus; die Person ist aufgrund ihrer personenspezifischen Merkmale – also ihrer persönlichen Einschränkung – im Alltag beeinträchtigt. Die Person wird aufgrund der bestehenden Barrieren be-hindert. Man spricht hier auch von ‚disability‘ – dem Verlust oder Einschränkung von Möglichkeiten am Leben teilzunehmen aufgrund räumlicher und sozialer Barrieren.

Die inklusive Pädagogik unterscheidet Inklusion und Exklusion auf verschiedenen Ebenen; wichtige Stichpunkte sind dabei Partizipation und soziale Zugehörigkeit sowie Ressourcen und Rahmenbedingungen. Menschen mit Behinderung haben unterschiedliche Hintergründe und Lebensweisen. Sie sind individuell verschieden. Drei Diskussionslinien haben in der inklusiven Pädagogik momentan bestand;

  1. Die Inklusion als Systemwandel (‚full inclusion‘ bzw. ‚whole school approach‘): hierbei sollen Förderschulen abgeschafft werden. SuS mit Förderbedarf besuchen dann die bestehenden Schulen. Dieses Modell setzt voraus, dass das Schulsystem grundlegend verändert wird und ist in der aktuellen Bremer Schulpolitik Leitlinie.

  2. Die Doppelstruktur (‚two track approach‘): hier sollen Regel- und Förderschulen parallel bestehen.

  3. Inklusion unter Berücksichtigung der Förderbedarfe (‚twin track approach‘): Die Doppelstruktur soll vermieden werden, jedoch muss der individuelle Förderbedarf und die Möglichkeit der SuS berücksichtigt werden.

Unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der Menschen und ihren Beeinträchtigungen kommt eine weitere Anwendung des two track approach für mich nicht in Frage. Ziel der Inklusion sollte es sein, alle SuS gemeinsam zu unterrichten und individuell zu fördern. Dafür muss Geld zur Verfügung stehen. Realistisch betrachtet halte ich den twin track approach als eine Übergangsmöglichkeit. Ziel sollte aber der Systemwandel zur full inclusion sein.

In meiner eigenen Schulzeit habe ich leider keine Inklusion erfahren. Das Land NRW hielt lange am two track approach fest. Als entscheidenden Faktor habe ich immer die Finanzfrage wahrgenommen; Gegner der full inclusion argumentieren, dass diese zu viel Geld kosten würde. Das Gegenteil ist der Fall; Inklusion als Systemwandel würde auf lange Sicht weniger Kosten und dem Menschen gerechter werden.

In meinem ersten Praktikum möchte ich herausfinden, wie der Ansatz der full inclusion an Bremer Schulen umgesetzt wird. Ich hoffe, dass ich an eine Schule komme, die den Ansatz der Inklusion ernst nimmt und gut realisieren kann.


One thought on “Was bedeutet Inklusion? – oder: wer ist hier behindert?!

  1. Maté Antworten

    Hallo Gerrit!

    Ich fand deinen Beitrag sehr ausführlich. Mich würde es aber auch interessieren nicht nur den Erfolg oder Misserfolg der vollen Inklusion im Unterricht zu beobachten, sondern auch wie es sich direkt auf das Umfeld der SuS auswirkt. Oftmals sieht man in den Pausen z.B. etwas mehr als im Unterricht, da dort eine ganz andere Stimmung herrscht und ganz andere Gruppendynamiken vorhanden sind. Ich glaube um einen Erfolg einer komplette Inklusion zu beobachten muss man auch die Pausen bzw die Freizeit mit in die Beobachtung aufnehmen.

    Gruß
    Maté

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert