Interreligiöse Konflikte und Begnungspädagogik – oder: wer ist „wir“?

1. Erläutern Sie zentrale Aspekte, die in begegnungspädagogischen Settings zu bedenken bzw. zu problematisieren sind.

Ziel der Begegnungspädagogik ist es, Wertschätzung von Minderheiten zu erreichen und verschiedene Kulturen als Bereicherung zu erkennen. Begegnungpädagogische Settings können beispielsweise ein „interkulturelles Frühstück“ in einer Schulklasse sein; im Beispiel aus der Vorlesung sollten alle SuS ein typisches Frühstück aus ihrer Heimat mitbringen. Trotz der gut gemeinten Intention, können dabei verschiedene Probleme auftreten:

  1. Das ‚Othering‘: SuS könnten ihre eigene Identität hervorheben und als besser interpretieren, weil sie der Mehrheit in der Gruppe angehören. Die Anderen erscheinen in den Augen dieser SuS als anders, fremd oder gar minderwertig. Konkret bedeutet das in unserem Beispiel; alle Kinder, die Deutschland als ihre „Heimat“ sehen, bringen Brot oder Brötchen mit Aufstrich mit. Andere SuS bringen Schafskäse und Oliven, baked beans etc. mit. Die „deutsche“ Mehrheit in der Klasse empfindet sich als einen, homogenen Block und grenzt sich von der anderen SuS ab.

  2. Verallgemeinerung: Diejenigen SuS, die einer bestimmten Kultur angehören, werden als repräsentativ für die gesamte Kultur wahrgenommen. Konkret: Wenn ein Schüler, der in Griechenland aufgewachsen ist, Schafskäse und Oliven mitbringt, könnten alle anderen SuS denken, dass alle Griechen zum Frühstück Schafskäse und Oliven mitbringen, obwohl das nicht stimmt.

  3. Definitionsproblematik: Was ist überhaupt „Kultur“? Was bedeutet „Heimat“? Von den SuS wird erwartet, dass sie ein „typisches“ Frühstück aus ihrer „Heimat“ mitbringen. Dabei sind Gewohnheit und das eigene Kulturempfinden völlig individuell. Ein Schüler aus Bayern frühstückt vermutlich etwas ganz anderes als eine Schülerin aus Bremen und gleichzeitig doch das Gleiche wie eine Schülerin in den USA. Was bringt eine Schülern mit, die die ersten 7 Jahres ihres Lebens in der Ukraine verbracht hat und dann nach Deutschland gekommen ist?

2. Denken Sie an Ihren eigenen Religions- oder Ethikunterricht zurück und diskutieren Sie Beispiele für  die von Ihnen unter 1. benannten Aspekte (z.B. Besuch von Religionsvertreter*innen im Unterricht).

Mein eigener Religionsunterricht begann in der ersten Klasse einer katholischen Bekenntnisgrundschule; jeden Dienstag gingen wir zum Gottesdienst, am Donnerstag gab es eine Stunde Bibelunterricht. Ich habe diesen Unterricht schon damals als antiquiert empfunden, fand es aber dennoch spannend, etwas über „unsere“ Religion zu erfahren. Im Nachhinein empfinde ich es als problematisch, dass in der Grundschule nie über andere Religionen gesprochen wurde, obwohl es in meiner Heimat (dem Ruhrgebiet) viele SuS aus anderen Regionen der Welt gibt. Die Schulleitung hat die SuS trotzdem als homogene Gruppe, der nur das Christentum nahe gebracht werden soll, gesehen. Schade!

Auf dem Gymnasium gestaltete sich der Religionsunterricht dann ganz anders. In der Mittelstufe belegte ich zunächst evangelische Religion und später Ethik. Hier wurde sich viel differenzierter und auf einer philosophischen Ebene mit Religion und Spiritualität auseinandergesetzt. In Referaten wurden auch kleine Strömungen und Sekten vorgestellt. Aus heutiger Sicht kann ich dabei auch ein ‚Othering‘ erkennen; als über die Amischen gesprochen wurde, lehnte der gesamte Kurs die Überzeugungen der Amischen ab und verstand sich als eine „moderne“ und „aufgeklärte“ Gruppe.

3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika, mit der sie gezielt den Umgang mit religiöser Pluralität beobachten. Können Sie unterschiedliche Umgangsformen oder Argumentationsstrategien feststellen (z.B. Neutralität, bewusste oder unbewusste Privilegierung bestimmter Gruppen…)?

Während meines Praktikums möchte ich besonders beobachten, wie Lehrer*innen mit verschiedenen Religionen umgehen und welche Rolle Religionen im Schulalltag spielen. Auch möchte ich darauf achten, wie ich selbst SuS verschiedener Überzeugung bzw. Prägung wahrnehme und einordne. Kann ich meine eigenen Vorurteile überwinden?


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