(Mathematische) Leistungsunterschiede

Prof. Dr. Christine Knipping hat uns in der 12. Sitzung unserer Ringvorlesung darauf aufmerksam gemacht, dass eine nicht unerhebliche Gruppe von SuS der achten Klassen (25 %) in Deutschland simple Matheaufgaben (z.B. einfacher Dreisatz) nicht lösen kann. Diese massiven Defizite können die SuS im alltäglichen Leben einschränken (z.B. beim Einkauf) und sind daher ein Grund zur Sorge. Anders sieht es meiner Meinung nach bei verschiedenen Leistungsniveaus (Grundkurs und Leistungskurs) bzw. verschieden stark ausgeprägten Interessen aus. Interessieren sich SuS nicht für Mathematik sollte man sie nicht dazu nötigen, Mathematik in der Oberstufe über die Grundlagen hinaus zu vertiefen. Stattdessen sollte eine individuelle Förderung erfolgen. Eine Leitfrage muss dabei sein: was entspricht den individuellen Stärken der Schülerin / des Schülers?

Spielen im Matheunterricht kann dann eine guter Ansatz sein, wenn SuS mit besonderem Förderbedarf zunächst ein Verständnis von Zahlen und Rechnen vermittelt werden soll. Eine Methode ist dabei das Fingerrechnen (‚Yes we can‘). Ein Vorteil dabei ist, dass man die Finger immer dabei hat und dass die SuS auf der taktilen, der visuellen und der akkustischen Ebene eine Verbindung zu den Zahlen eingehen. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass eine strukturierte Anzahlerfassung nicht immer zur Geltung kommt. Außerdem ist diese Methode bei leistungsstarken Kindern nicht sinnvoll, da diese schon mit Zahlen vertraut sind.

In meinem ersten Praktikum werde ich auch auf die Tiefenstruktur des Unterrichts achten: dabei lege ich ein Augenmerk darauf, wie Verstehensorientierung im Unterricht funktioniert. Wie werden die SuS an die Aufgabe herangeführt? Wie wird überprüft, ob sie die Lerninhalte verstanden haben und nachvollziehen können? Außerdem möchte ich herausfinden, wie die SuS kognitiv aktiviert werden. Wie sehen entdeckendes Lernen und produktives Üben im Schulalltag aus?

Genderspezifische Motivation

Wenn ich auf meine eigene Schulzeit zurück blicke, würde ich im ersten Moment behaupten, dass es keine genderbezogenen Prämissen gab, die sich unmittelbar auf meine Fächerwahl (naturwissenschaftlicher vs. Sprachlicher Schwerpunkt) ausgewirkt haben. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass die Struktur und Schwerpunktsetzung meiner Schule meine Schullaufbahn beeinflusst haben; so konnte ich Spanisch nicht anwählen, da keine Lehrkraft zur Verfügung stand und Türkisch war nur für türkischstämmige Kinder vorgesehen. So wählte ich Englisch und Sozialwissenschaften als Leistungskurse und deckte mit Biologie und Chemie dennoch meinen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt ab. Denke ich an meine Leistungskurse zurück, ist auffällig, dass in beiden Kursen (Englisch und SoWi) mehr Mädchen als Jungen anwesend waren. Und auch in den Französischklassen waren mehr Schülerinnen als Schüler vertreten. Die in der Vorlesung vorgestellte These „Mädchen & Frauen sind die besseren Fremdsprachenlerner“ und genderbezogene Stereotypen (Mädchen: Sprachen – Jungs: Technik) spiegelte sich also auch in unserer Oberstufe wieder.

Eine Erklärung für dieses Phänomen kann der sozialkonstruktivistische Ansatz von Williams und Burden liefern. Dieser geht davon davon aus, dass das, was von außen auf uns wirkt unsere Lernprozesse beeinflusst. Unser Umfeld (Eltern, Lehrer*innen, Mitschüler*innen, etc.) prägt uns und unsere Entscheidungen, auch in Hinblick auf Gender.

Ziel aller an der schulischen Laufbahn beteiligten sollte es also sein, explizite und implizite (!) Genderstereotype zu überdenken. Als Elternteil sollte man darauf achten, seinem Kind alle Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen aufzuzeigen und als Lehrer*in sollte man alle SuS dazu ermutigen, das Fach bzw. den Schwerpunkt zu wählen, den er*sie am interessantesten findet. Auch ein direkter Hinweis auf mögliche genderspezifischen Prämissen kann nicht schaden.

Auch bei der Arbeit mit Lehrwerken sind die abgebildeten Genderstereotype zu hinterfragen; wie werden Jungen und Mädchen im Englischbuch dargestellt? Wer hat welche Rolle und warum? – auch diese Fragen sollten in einer erfolgreichen Unterrichtsstunde Platz finden.

Genderperspektiven

In der neunten Ringvorlesung mit dem Titel „Heterogenitätskategorie Geschlecht/ Gender in der Schule“ – gehalten von Christoph Fantini – haben wir etwas über die Wahrnehmung von Geschlecht bzw. Gender in der Schule gelernt. Der Fokus lag dabei auf SuS und dem Lehrpersonal.

Zunächst wurden historische Aspekte beleuchtet: so wurde wurde die Koedukation (also die gemeinsame Unterrichtung von Jungen und Mädchen) erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ernsthaft diskutiert – und zwischen den 1950er- und den 1970er-Jahren in allen Bundesländern eingeführt.

Ein besonders interessantes Spannungsfeld ist die Inszenierung und Zuschreibung von Gender in der Schule; so gelten Mädchen nach wie vor in MINT-Fächern als benachteiligt. Und die Aufstiegsmöglichkeiten von weiblichen Lehrkräften sind oft geringer als die der männlichen Kollegen. Einen Gegensatz dazu zeigen die Zahlen der Schulabgänger*innen; 2007 machten in den alten Bundesländern 30,2 % der Schülerinnen ohne Migrationshintergrund ihr Abitur. Bei den Schülern waren es nur 23,1%. Interessant ist der Vergleich von SuS mit Migrationshintergrund: in dieser Gruppe machten 10,5% der Schülerinnen, aber nur 7,5% der Schüler ihr Abitur. Obgleich die Genderthematik uns alle betrifft und uns in unserem Verhalten und unseren Entscheidungen – meist unbewusst – beeinflusst, spielt das Heterogenitätsfeld der Herkunft ebenfalls eine große Rolle im Bildungskontext.

In meiner eigenen Laufbahn als Lehrer möchte ich gern ein Fokus auf die verschiedenen Heterogenitätskategorien legen; ein*e gute*r Lehrer*in ist sensibel für die individuellen Merkmale seiner SuS und ist sich der Spannungsfelder bei seiner*ihrer täglichen Arbeit und der Bewertung bewusst. Einen empirischen Nachweis von Ungleichbehandlung kann aber nur die Forschung liefern.

Was ich in dieser Vorlesung vermisst habe: es wurde von einer dichotomen Geschlechterrealität ausgegangen; tatsächlich gibt es zwischen männlich und weiblich aber noch viele andere Geschlechter. Eine ausführliche Behandlung dieser Thematik hätte den Rahmen der Vorlesung aber sicherlich gesprengt..

„Der Wahnsinn“ – die Martinschule Greifswald in der Zeit

Die Zeit stellt in ihrer Ausgabe No 21 vom 17. Mai 2018 die Martinschule in Greifswald vor. „48% der insgesamt 550 SuS bringen dort einen ‚besonderen Förderbedarf‘ mit.“ Wie soll das funktionieren, fragt der besonders lesenswerte Artikel:

https://www.zeit.de/2018/21/martinschule-greifswald-inklusion-deutscher-schulpreis