1. In der Vorlesung wurden die Themenfelder Inklusion in der Schule und Inklusion im Beruf und Studium erörtert. Bennen Sie bitte die rechtlichen Grundlagen und bewerten vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Gäste und Ihrer eigenen Erfahrungen den Stand der Umsetzung in Deutschland / Bremen?
Die rechtlichen Grundlagen für Inklusion in der Schule, im Beruf und im Studium sind in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) festgehalten. Gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein uneingeschränktes Recht auf Teilhabe festgeschrieben. Sonderwelten wie Förderschulen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind gemäß der UN-BRK nicht vereinbar (Arnade 2015: 18). Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der Stand der Umsetzung in Bremen als fortgeschritten bewertet werden kann. Auch die Erfahrungen der Eingeladenen, keine Sonderschule besuchen zu müssen, spiegeln dies wider. Die Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist in Bremen und weiteren Bundesländern noch nicht vollständig abgeschlossen. Ein Beispiel hierfür ist, dass für Menschen mit Behinderung häufig kein Schulabschluss vorgesehen ist. Diese Hypothese wird durch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes gestützt: 7,1 % der Menschen mit Behinderung verfügen 2019 über keinen allgemeinen Schulabschluss, unter den 25- bis 45-Jährigen ist der Anteil mit 20,7 % sogar signifikant höher (entgegen 4,1 % der Menschen ohne Behinderung) (Statistisches Bundesamt 2024).
2. Der Slogan: „Nicht über uns ohne uns!“ fordert die Partizipation von Menschen mit einer Behinderung in der Ausarbeitung und Durchführung von Rechtsvorschriften und politischen Beteiligungsprozessen. Arnade (2015) führt zwei positive Beispiele an. Fallen Ihnen weitere Beispiele ein? Wie kann die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung bei der Umsetzung der Inklusion ermöglicht werden?
Der Leitspruch „Nichts über uns ohne uns“, der seinen Ursprung in der globalen Behindertenbewegung hat, unterstreicht die zentralen Elemente echter Inklusion: Mitwirkung, Mitbestimmung und Selbstvertretung. Arnade (2015) hebt zwei positive Beispiele hervor: die Einbindung von Menschen mit Behinderung in die Erstellung von Staatsberichten zur UN-Behindertenrechtskonvention sowie ihre Teilnahme in politischen Beratungsgremien. Es existieren zudem weitere erfolgreiche Beteiligungsformate, wie das Programm ARTplus von Eucrea, das Menschen mit Behinderung ein Kunststudium ermöglicht. Auch inklusive Schülervertretungen und lokale Inklusionsbeiräte sind bedeutende Mittel der Mitgestaltung.
Um speziell Kindern und Jugendlichen mit Behinderung die Teilnahme an Beteiligungsprozessen zu erleichtern, müssen Strukturen geschaffen werden, die sowohl barrierefrei als auch altersgerecht sind. Dazu zählen eine einfache Sprache, visuelle Unterstützung und die Option, Meinungen in kreativen Formaten – wie Fotoprojekten, Podcasts oder Theater – auszudrücken. Partizipation ist kein Privileg, sondern ein grundlegendes Menschenrecht, das aktiv umgesetzt werden muss – sowohl in der Politik als auch im Bildungssystem.
3. In der Vorlesung wurde auch die Perspektive der Eltern angesprochen. Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern an Schulen bei und welche Schlussfolgerungen leiten Sie daraus für sich als angehende Lehrkraft ab?
In der Vorlesung wurde aus der Sicht eines Gastredners hervorgehoben, dass jede Behinderung einzigartig ist und es kaum allgemeingültige Muster gibt. Eltern haben ein tiefes Verständnis für die Stärken, Bedürfnisse und den täglichen Umgang mit ihrem Kind, was wertvolle Einblicke für eine angemessene Förderung bietet. Durch regelmäßige Kommunikation und aktive Einbindung entsteht Vertrauen, das hilft, Hindernisse früh zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Als angehende Lehrkraft bedeutet dies für mich, Eltern als gleichberechtigte Expert*innen zu betrachten, Gespräche zielorientiert und respektvoll zu führen und in allen Entscheidungen Transparenz zu wahren. So entsteht eine Partnerschaft zwischen Schule und Elternhaus, die den Schulalltag für das Kind erleichtert und gemeinsame Hindernisse reduziert.
Quellen:
– Arnade, Sigrid (2015). „Nichts über uns ohne uns!“ – Die Zivilgesellschaft spricht mit. Staatliche Koordinierungsstelle und Parallelbericht. In T. Degener & E. Diehl (Hrsg.), Handbuch Behindertenrechtskonvention (S. 17–24).
– Statistisches Bundesamt (2024). Statistischer Bericht: Mikrozensus – Lebenslagen der behinderten Menschen 2021.
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