Titel: Os Fuzis

Entstehungszeit und -ort: 1964, Brasilien

Laufzeit: 80 Minuten

Regie: Ruy Guerra

In ,,Os Fuzis“ ist der Tod unausweichlich. Egal, ob sich die Menschen gegen die Ungerechtigkeit wehren oder nicht. Es ist ein Film über die Macht einzelner, die alle anderen beherrschen und über deren Leben oder Sterben sie entscheiden.

Dieses Werk von Ruy Guerra spielt im Jahr 1963 im Nordosten von Brasilien. In dieser Region herrscht eine Dürre und die Menschen hungern. Einige haben sich dem Kult um einen heiligen Ochsen angeschlossen. Ihre Anhänger glauben, dass der Ochse, wo er auch hinkommt, Regen bringen würde.

Dies ist allerdings nur einer von zwei Erzählsträngen, die ,,Os Fuzis“ verfolgt. Der Andere spielt in einer namenlosen Stadt, in der die Menschen hungern. Eine Einheit der Armee wird dorthin geschickt, um Überfälle der Hungrigen auf ein Lagerhaus zu verhindern.

Beim Ankommen der Soldaten in dem Dorf, spielt eine alte Frau auf einer Marmeladendose, in dessen Öffnung eine Zugfeder verhakt wurde, eine Melodie. Es klingt metallisch und wie eine Marschhymne. Die Kamera zeigt dabei den Einmarsch der Soldaten im Wechsel mit den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern, die ihre Fenster öffnen und den Soldaten nachsehen.

Gaúcho ist ein LKW-Fahrer, der den Auftrag bekam, Zwiebeln aus der Stadt herauszufahren. Als sein Lastwagen den Geist aufgibt, kann auch er dem Leid der Menschen nicht mehr entgehen. Auf einem Markt bietet ihm ein Mann, seine 14-jährige Tochter zum Kauf an. Gaúcho lehnt ab. In dieser Szene ist zu sehen, wie viel die Menschen für etwas zu Essen bereit sind zu geben.

Am Abend sitzen die Soldaten mit einigen der Bewohner in einer Bar und zeigen ihnen ihre Waffen und wie diese funktionieren. Auch Gaúcho kommt hinzu und lächelt Mário, einem der Soldaten, zu. In dieser Szene angedeutet, wird im Verlauf des Abends klar, dass Gaúcho selbst Teil der Armee war. Nach einem Wettkampf mit dem Hauptmann der Einheit, in der beide mit verbundenen Augen eine Waffe zusammenbauen sollten, gewinnt Gaúcho. Dieser Wettkampf ist als Spiel der zwei Kontrahenten inszeniert.

Wie alltäglich der Schusswaffengebrauch der Soldaten ist, zeigt eine Szene, in der sie sich langweilen, während sie das Lagerhaus bewachen. Als einer der Soldaten eine Ziege entdeckt, wollen sie diese erschießen. Ein Schuss fällt, die Kamera zeigt wieder auf die Ziege, doch sie wurde nicht getroffen. Stattdessen tötete der Soldat den Ziegenhirten.

Aus Angst vor einem Aufstand der lokalen Bevölkerung, beraten die Soldaten in ihrem Lager, neben der Leiche sitzend, wie sie dessen Tod verschleiern können. In Erinnerung an diese Szene bleibt, wie die Soldaten neben dem Toten essen. Schließlich sticht einer der Soldaten mit einem Messer in die Schusswunde und in der anschließenden Sequenz erzählen sie in der Kirche die erfundene Geschichte von einem Assassinen, der den Mann erstach und dann verschwand.

Der Soldat Mário besucht am Abend das Haus des Verstorbenen. Im Innern sitzt eine große Anzahl an Menschen und sie singen Trauerlieder. Die Verse wiederholen sich immer wieder. Im Haus trifft Mário Luísa wieder. Sie ist eine junge Frau aus dem Dorf, mit der Mário zuvor bereits Kontakt hatte. Luísa konfrontiert Mário mit dem Tod des Dorfbewohners und äußert ihre Vermutung, dass Mário und seine Kameraden dahinter stecken.

Beide verlassen gemeinsam das Haus. Sie gehen die verlassenen Straßen der Stadt entlang und scheinen sich näherzukommen. Zunächst küsst Luísa die Hand von Marío, als dieser sichtlich mehr will, wendet Luísa sich ab. Mehrfach drängt sich Marío zu Luísa, um sie zu küssen. Mehrfach wendet Luísa sich ab. Die Szene ist düster. Marío wirkt wie ein wildes Tier und Luísa scheint ihm ausgeliefert zu sein. Ein Lied spielt im Hintergrund. Es wirkt ebenfalls wie ein Lied der Trauer. Letztlich schwindet die Gegenwehr von Luísa und Marío bekommt, was er will. Luísas Verzweiflung in dieser Szene ist deutlich zu spüren. Der Zwiespalt zwischen Flucht und es geschehen lassen, wechselt sich immer wieder ab. Diese Szene zeigt durch den sexuellen Missbrauch auch das Grundproblem, dem sich dieser Film widmet. Das Problem von Macht auf der einen Seite und Ohnmacht auf der anderen.

Doch dass dieses Verhältnis nicht immer so eindeutig ist, zeigt eine der folgenden Szenen. Zuerst zeigt die Kamera, wie die Nahrungsmittelvorräte auf zwei Lastwagen geladen und abtransportiert werden. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt scheinen dieses Treiben auf dem Marktplatz zu beobachten. Ganz zur Sorge eines der Soldaten. Dieser äußert einem seiner Kameraden gegenüber, seine Angst vor einem Aufstand. In diesem Moment scheint es, dass der Abtransport durch die Bevölkerung gestoppt werden könnte.

Währenddessen ist Gaúcho, der LKW-Fahrer, in der Bar. Er beobachtet, wie ein Mann, mit einem toten Kind im Arm, den Barkeeper nach einer Kiste zur Bestattung fragt. Gaúcho fragt den Mann, woran das Kind verstorben sei. Dieser nennt Hunger als Grund. Gaúcho, der das Treiben auf dem Marktplatz ebenfalls bemerkt hatte, ist außer sich, nimmt einem Soldaten die Waffe ab und schießt auf die abfahrenden Lastwagen. Er ist der Einzige, der sich gegen das Unrecht wehrt, während die Stadtbewohner jede Hoffnung aufgegeben zu haben scheinen.

Nun wird Gaúcho vom Jäger zum Gejagten. Die Soldaten verfolgen ihn. Nach einem kurzen Schusswechsel wird Gaúcho getötet. Dabei zu hören ist lautes und metallisch verstelltes Hundegebell, dass die Prämisse der Jagd vervollständigt. Mário hatte sich schlussendlich seinen Kameraden in den Weg gestellt, um seinen Freund Gaúcho zu retten. Er scheiterte und Gaúcho wird getötet. In dieser Szene werden die bestehenden Machtverhältnisse für eine kurze Zeit infrage gestellt.

Zum Schluss des Films bereiten die Soldaten ihren Abzug vor. Luísa verabschiedet sich von Mário und fragt, ob sie ihn wiedersehen wird, doch Mário kann es ihr nicht sagen, da er es selbst nicht weiß. Diese Szene kommt rätselhaft daher. Inzwischen wirkt es mehr als wären Luísa und Mário ein Paar. Der Hintergrund der Beziehung zwischen den beiden Figuren wirkt unnatürlich und spiegelt nicht die Erfahrungen, die die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Szene des sexuellen Missbrauchs machten.

Letztlich ziehen die Soldaten ab, wieder sind alle Stadtbewohnerinnen und Bewohner auf den Straßen und sehen den Soldaten nach. Der Fokus der Kamera liegt auf den Gewehren der Soldaten. Im Hintergrund sind die verzweifelten Blicke der Einwohnerinnen und Einwohner zu sehen.

Der Film endet mit der Geschichte des heiligen Ochsen. Zunächst ist die große Menge der Anhänger zu sehen, die einen gebetsähnlichen Gesang von sich geben. Plötzlich tötet einer der Anwesenden das Tier. Anders als zu erwarten, machen sich die Anwesenden über das Tier her und der Film endet damit, wie die Menschen Fleisch aus dem Ochsen schneiden.

,,Os Fuzis“ ist ein bedeutender Film des Cinema Novo, welches eine Gegenbewegung zum Hollywood-Kino in Brasilien war und in den 1960er Jahren entstand. Das Cinema Novo war ein politisches Kino, dass Ungerechtigkeiten, wie Ungleichverteilungen der Macht und Hunger darstellte und ein Bewusstsein dafür schaffen wollte.

Der Film ,,Os Fuzis“ wurde in schwarz-weiß gedreht. Die Soldaten werden als Individuen dargestellt, während die Bevölkerung der Stadt im Nordosten Brasiliens eine anonyme Masse zu sein scheint. Nur Luísa stich dabei heraus. Die Kamera zeigt explizit die Gewalt und das Elend der Menschen.

Die Musik ist in großen Teilen traurig und melancholisch, was die gezeigten Bilder gut ergänzt. Gebetsgesang ist die vorherrschende Musik in diesem Film. Eindrücklich ist ebenfalls der Sound des Hundegebells bei der Verfolgungsjagd. Die Musik wechselt zwischen diegetischer und nicht diegetischer Gestaltung.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht, wie bereits beschrieben, der Machtaspekt. Die Mächtigen setzen sich durch, die Machtlosen sind ihnen ausgesetzt. Während dieses Muster in einigen Szenen, wie beispielsweise dem sexuellen Missbrauch, klar zu erkennen ist, lässt der Regisseur zumindest die Hintertür für einen Wechsel des Machtverhältnisses offen. Die Figur Gaúcho wehrte sich gegen die Umstände und einer der Soldaten hatte Angst vor einem Aufstand. So scheint es in diesen Sequenzen, als gäbe es die Möglichkeit des zur Wehr Setzens, mit einem eventuellen Erfolg. Allerdings sind die Dorfbewohnerinnen und Bewohner von jeglicher Hoffnung auf eine Veränderung verlassen.

Dieser Film kann als Aufruf verstanden werden, sich nicht der Situation hinzugeben, sondern aufzustehen und für Veränderung zu kämpfen, ohne jedoch die Illusion zu liefern, dies zu einem geringen Preis zu tun.