Jahr / Land / Filmdauer: 2017, USA, 103 Minuten
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Autor: Bastian Dobbertin
Der deutsche Titel ließ mich zunächst vermuten, es handele sich um eine Filmbiografie (oder “Biopic”) über Edison (Benedict Cumberbatch). Allerdings musste ich bald feststellen, dass der Film zwar durchaus Inhalte aus Edison’s Leben aufgreift, aber sein Konkurrent in diesem Stromkrieg, George Westinghouse (Michael Shannon), mindestens ebenso viel Raum bekommt. Daher ist der englische Originaltitel durchaus treffender: “The current war”. Außerdem deckt der Film nur Ereignisse des Zeitraums von 1880 bis 1893 ab, was für eine ernstzunehmende Lebensbeschreibung nicht ausreicht. Auch die Persönlichkeit Edison’s wird, abgesehen von ein paar wenigen Szenen, nicht tief durchleuchtet, sondern höchstens beleuchtet. Dies zwar als liebender, aber seine Ehefrau und Kinder vernachlässigender, arbeitsbesessener Mann. Aber eins nach dem anderen…
Der Film beginnt mit einem Mann, der in schwarzem Gewand an einer Klippe steht und einem Schneesturm zu trotzen scheint. Man erkennt ihn beim Heranzoomen, nach einigen Sekunden, als Edison, sofern man weiß, dass dieser durch Benedict Cumberbatch gespielt wird. Der Zusammenhang dieser Szene mit dem restlichen Film erschließt sich einem zunächst nicht. Während man versucht, auf eben diese Frage eine Antwort zu finden, wird das Bild dunkel und Edison spricht aus dem Off. Er rezitiert ein Schreiben vom 27.01.1880 an “die zuständige Stelle”, womit er ein Patent für die Glühlampe anmelden möchte. Plötzlich sieht man eine Eisenbahn durch die Dunkelheit fahren – ein Knall ertönt und die Bremsen fangen an zu kreischen, der Zug kommt zum Stehen. Wir sind in Menlo Park, New Jersey. Ob die nächste Szene etwas mit der Eisenbahn zu tun hat, erschließt sich mir nicht endgültig. Aber vermutlich sind es die Herren Insassen, die nun von einem Mann mit Öllampe in die Dunkelheit geführt werden, wo sie, wie arrangiert, auf Edison stoßen – in einem Kreis von auf Stöcken montierten Glühlampen stehend, in welchem sich wiederum ein kleinerer Kreis von diesen Stöcken befindet usw. Er lässt diese Lampen auf Kommando zum Leuchten bringen und begrüßt die Neuankömmlinge siegessicher mit der Frage, ob sie ihre Scheckhefte dabei hätten. Ob der vielen künstlichen Lichtquellen scheinen sie zu staunen.
Szenenwechsel. Wieder ist eine Eisenbahn unterwegs. Diesmal ist Edison mit seiner Familie und seinem Assistenten Samuel Insull (Tom Holland) unterwegs nach Washington, um dort dem Präsidenten der USA eine seiner Erfindungen vorzustellen: Den Phonographen. Der Präsident kommt bei diesem Treffen auf ein Angebot zu sprechen, wo Edison eine Rolle bei der Entwicklung von Waffen spielen soll. Als Pazifist lehnt er dieses lukrative Angebot jedoch ab. Stattdessen stellt er den Forschungsstand seiner Glühlampen vor. Es wird dabei deutlich, dass die Reichweite seiner Gleichstromdynamos jedoch nur gering ist und deren Anschaffung hohe Kosten mit sich bringen würde. Bei diesem Treffen ist auch einer seiner Investoren, J.P. Morgan (Matthew Macfadyen), von dem er weitere finanzielle Unterstützung bekommt, um so sein angestrebtes Unternehmen, Edison Electric, zu errichten.
Für Bewerbungsgespräche seiner künftigen Mitarbeiter hat er offenbar einen extrem anspruchsvollen Fragenkatalog vorbereitet. Als dies seinen Weg in die Zeitung findet, nimmt der Großindustrielle George Westinghouse davon Notiz und wittert ein gutes Geschäft mit Edinson an seiner Seite, woraufhin er ihn zum Abendessen einlädt. Müde von einer Reise, lässt Edison die Einladung jedoch platzen, fährt kommentarlos an den am Bahnsteig wartenden Gastgebern vorbei und löst damit bei Westinghouse Enttäuschung und Beschämung aus. Als dieser erkennt, dass Edison offenbar nicht viel von ihm hält und dessen Technologie jedoch noch nicht ausgereift ist, investiert er ebenfalls in die Entwicklung von künstlichem Licht – der Konkurrenzkampf um den Strommarkt beginnt.
Dieser scheint jedoch bereits entschieden zu sein, bevor es überhaupt so richtig losgeht. Denn schon ist klar, dass der von Westinghouse genutzte Wechselstrom viel stärker ist, sprich eine höhere Spannung und damit eine größere Reichweite hat, und dabei sogar noch erheblich weniger Kosten verursacht. Das sagt auch Edison, aber dieser hält Wechselstrom, wegen dessen enormer Stärke, für lebensgefährlich. Außerdem gibt es bis dato keine Maschinen, die mit Wechselstrom betrieben werden könnten, ohne deren Transformatoren zu beschädigen. Edison’s Festhalten am Gleichstrom wirft ihn im Kampf um die Vorherrschaft auf dem Strommarkt jedoch zurück, da dies immense Investitionen beanspruchen würde. Er will aber nicht aufgeben und in seinem verzweifelten Versuch, die Öffentlichkeit von der Gefahr zu überzeugen, die von Wechselstrom ausgeht, greift er nach unanständigen Mitteln. So arbeitet er nun mit der New Yorker Kommission für Todesstrafen zusammen, um ihnen inoffiziell als technischer Berater, zur Umsetzung des elektrischen Stuhls als Hinrichtungsapparat, zu helfen. So soll die Todesstrafe, im Vergleich zum Galgen, “humaner” werden. So zumindest wurde es zuvor medienwirksam an einigen Tieren getestet. Als Gegenleistung wird mit diesem todbringenden Strom natürlich seine Konkurrenz genannt, um eine Assoziation zwischen Wechselstrom und Tod zu erschaffen. Aber die Rechnung geht nicht auf. Westinghouse durchschaut das Spiel und lässt ein paar Schergen Spionage betreiben, wobei die technischen Hilfestellungen Edison’s zu dem elektrischen Stuhl, in Form von Briefen, gefunden und gestohlen werden. Da sein Gegenspieler diese Briefe an eine Zeitung verkauft, wird aus Edison’s Coup ein Skandal und er infolgedessen aus seiner “eigenen” Firma, die aber mehrheitlich seinem Investor J.P. Morgan gehört, entlassen. Sie wird jedoch unter anderem Namen weitergeführt (und ist tatsächlich heute als “General Electric” bekannt). Den Stromkrieg hat Edison damit jedoch endgültig verloren.
Bei der Weltausstellung in Chicago 1893, für die schließlich Westinghouse den Zuschlag als Energie und Lichtlieferant erhält, laufen sich Edison und Westinghouse über den Weg und unterhalten sich – zum ersten Mal im Film – persönlich miteinander. Es wirkt beinahe erlösend, als Westinghouse versichert, Edison dessen Erfindung der Glühlampe nicht gestohlen zu haben. Diese Eröffnung wird jedoch nicht besonders beachtet, denn ein Junge fragt nach einem Autogramm, was Edison wichtiger zu sein scheint. Außerdem macht Westinghouse Edison metaphorisch das Angebot einer Zusammenarbeit, was Edison jedoch respektvoll ablehnt und sich somit aus dem Stromgeschäft zurückzieht.
Abschließend wird dem Zuschauer zunächst ein Foto des echten Nikola Tesla mit dem Hinweis gezeigt, dass er zusammen mit Westinghouse ein Wasserkraftwerk an den Niagarafällen baute und somit den Weg für eine weitreichende Stromversorgung bereitete. Tesla (Nicholas Hoult) taucht im Film immer wieder auf; zunächst als aufstrebender Mitarbeiter Edison’s, der ihn aber nicht zu schätzen weiß, da er sich auf die Arbeit mit Wechselstrom konzentriert. Tesla landet daher schließlich bei Westinghouse, in dem er einen großzügigen Unterstützer findet. Darauf folgt ein Foto des echten George Westinghouse, mit dem Hinweis, dass dieser 1911 vom IEE (Institute of Electrical Engineers) dessen höchste Auszeichnung erhielt: Die Edison-Medaille. Dann bekommt man ein Foto des echten Thomas Edison zu sehen, mit dem Hinweis, dass er nach dem verlorenen Stromkrieg eine weitere Erfindung (das Kinetoskop und den Kinematographen) patentieren ließ und damit eine neue Industrie schuf: Das Kino.
Schließlich wird der Zusammenhang mit der allerersten Szene doch noch aufgelöst. Der vermeintliche Schneesturm offenbart sich nämlich als eine Gischt, ausgerechnet der Niagarafälle, vor dem Edison’s Assistent ein Stativ aufbaut. Mit seinem Kinetographen zeichnet er den Wasserfall erstmals in bewegten Bildern auf, was dann später auch in den Kinos gezeigt wurde.
Nach dem geplatzten Abendessen mit Edison, werden, im Laufe des Films, immer wieder Szenen von dem noch jungen Westinghouse als Soldat im Amerikanischen Bürgerkrieg gezeigt. Dort wird er, beim Austreten an einem Baum, durch einen feindlichen Soldaten, mit vorgehaltener Waffe, gestellt. Es regnete stark und er erkannte sofort seine Chance, die sich ihm durch den Regen bot. Er verwickelt seinen Gegner nämlich unmittelbar in ein Gespräch oder besser gesagt in einen Monolog, in welchem er dem Soldaten die technische Funktionsweise seines Revolvers erklärt. Da es regnete, gewann er durch seine Erläuterungen Zeit, um dem Soldaten letztlich mitzuteilen, dass sein Schießpulver mittlerweile nass und somit nutzlos sei. Daraufhin ergriff Westinghouse sein Gewehr und erschoss den Mann. Die Message hinter diesen Einblendungen ist mir nicht ganz klar geworden. Möglicherweise soll es die Besonnenheit und das technische Wissen, aber auch die Entschlossenheit von Westinghouse unterstreichen, da er im Film, für einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann, verhältnismäßig stark mitfühlend und zögerlich erscheint.
Im Laufe der Produktion des Films wurde, nach den Skandalen um den verurteilten Sexualstraftäter und Harvey Weinstein und dessen Ausscheiden als Co-Produzent, einiges verändert. Es wurden Szenen entfernt, die Musik komplett überarbeitet und neue Szenen hinzugefügt. Vielleicht habe ich deshalb das Gefühl, dass wichtige, tiefer greifende Szenen fehlen. Immerhin gibt es ein paar Szenen, in denen Emotionen von Edison erfolgreich transportiert werden, sodass man eine Ahnung erhält, wer er ist. Wenn er zum Beispiel über Morsezeichen mit seinem Sohn kommuniziert oder er, wie bereits geschildert, mit der Ablehnung eines äußerst lukrativen Angebots zur Entwicklung von Waffen seine pazifistischen Werte vertritt. Diese tritt er zwar später selbst mit Füßen, aber auch das ist eine menschliche Facette. Ansonsten lebt Edison hauptsächlich von der Ausstrahlung eines schauspielerisch unterforderten Benedict Cumberbatch.
Technisch betrachtet, ist der Film sehr gelungen. Die Kameraeinstellungen, Perspektiven, sowie Bild- und Ton-Effekte sind erstklassig und erhöhen spürbar die Dynamik. Insgesamt wird hier musikalisch auf eher ruhige Untermalung gesetzt. Musik wird hier nicht auffallend dramatisch genutzt, um Taschentuchmomente zu erzeugen, sondern dümpelt eher dahin, um die Stille zu füllen.
Physik-Laien wie ich, werden sich wohl durchgehend fragen, was noch gleich der Unterschied zwischen Gleich- und Wechselstrom ist. Der Film verzichtet leider auf eine solche Ausführung und lässt einen damit genauso schlau zurück, wie man vorher war. Ich bin der Meinung, man hätte auch den Charakteren mehr Raum und Zeit zur Entwicklung geben sollen. So schafft es Alfonso Gomez-Rejon nicht, eine große emotionale Bindung und Identifikation mit den Protagonisten herzustellen. Auch hätte einigen Szenen, in denen man – insbesondere am Anfang des Films – an einen anderen Ort oder in ein anderes Jahr mitgenommen wird, mehr Zeit gut getan. So wirkt es an manchen Stellen unübersichtlich und es gehen nicht ganz unwichtige Details verloren. Wenn man aber den ganz großen Anspruch einer lebendig, tiefgründig und mit perfektem roten Faden erzählten Geschichte mit oscarreifen Momenten nicht erhebt, bietet einem der Film eine starke Besetzung, eine grundsätzlich interessante Story aus einer Zeit, die durch Aufschwung und Entdeckungen geprägt war und einige schöne Inszenierungen.
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