Man kann nicht über Sicario Day of Soldado sprechen ohne dabei seinen Vorgänger zu erwähnen. Denis Villeneuve schuf mit diesem Film 2015 ein Meisterwerk, dessen Mix aus bombastischen Bildern und Sounddesign immer noch einzigartig sind. Dementsprechend horchte ich mit großen Ohren als bekannt wurde, dass Stefano Salima das Regiezepter übernahm um Sicario seinen Nachfolger zu schenken. Erhalten geblieben sind Drehbuchautor Taylor Sheridan, Josh Brolin als der brutale CIA-Agent Matt Graver und Benicio del Torro als Sicario Alejandro. Letztere machen ihre Sache weiterhin sehr gut und sind die intensivsten Charaktere des Films. Sie werden durch das Fernbleiben von Emily Blunt als Kate Macer zu unseren Hauptcharakteren und deutlich greifbarer als noch im vorherigen Teil. Diese Vermenschlichung kann man sich sowohl positiv als auch negativ auslegen. Zum einen entstehen wirklich schöne, ruhige Momente und das in einem der brutalsten Film des Jahres – das FSK 18 ist hier wirklich angemessen. Aber findet sich auch hier das Dilemma, welches vielen Charakteren und besonders Antihelden immer wieder in Fortsetzungen widerfährt? Verlieren sie ihren Mythos? Das Ungesagte machte diese harten und erbarmungslosen Charaktere erst so interessant. Durch die Figur von Kate Macer gab uns der Film eine Identifikationsfigur, die mit der Brutalität genauso überfordert war wie der Zuschauer. Im zweiten Teil wird nun eine jüngere weibliche Figur eingeführt, die ebenfalls mitten ins Chaos gestürzt wird und dabei wundervoll den Horror ihrer Situation porträtiert.
Die letzte wichtige Veränderung ist das Sounddesign, welches glücklicherweise nah am grandiosen Soundtracks des ersten Teils anknüpft. Nach dem tragischen Tod des Komponisten Jóhann Jóhansson übernahm die isländische Komponistin und enge Freundin von Jóhansson, Hildur Guðnadóttir, die Arbeit am Score des Films. Ihr noch intensiverer Stil erschafft eine derartige Atmosphäre, dass sie definitiv mit Jóhansson mithalten kann. Ihr Hintergrund als Cellospielerin wird ebenfalls bemerkbar, wenn die sanften Streicher zum Ende des Filmes einsetzen und vom dröhnenden Bass ergänzt werden um Tragik und Spannung zu vereinen. Einzig alleine die Intensität von Jóhanssons „The Beast“ kann nicht ganz erreicht werden und dessen Einsatz erzeugt auch beim Einsatz im zweiten Teil eine Gänsehaut, die nur wenige Filmsoundtracks erschaffen können. Der Soundtrack in Sicario Day of Soldado ist damit eine gelungene Anknüpfung an den Vorgänger und schafft es wie im ersten Teil, eine Nervosität in die Situationen zu bringen, die einen nicht mehr loslässt bis wieder Ruhe eingekehrt ist.
Nachdem nun der Elefant im Raum abgehakt wurde, müssen wir zunächst über die Handlung sprechen. Fortsetzungen bedeuten im Filmgeschäft meistens höher, schneller, weiter. Und das ist mit Sicario 2 nicht anders. Mehr Action, mehr Gewalt und Bombast. Während es im ersten Teil noch um Vergeltung für Alejandro und das FBI geht, heißt das Ziel im zweiten Teil einen Krieg zwischen den Kartellen in Mexico anzuzetteln. Auslöser dafür ist ein islamistischer Anschlag durch Selbstmordattentäter, welche anscheinend über Mexiko in die USA geschmuggelt wurden. Um nun die Kartelle zu schwächen versucht man sie durch eine Entführung gegeneinander anzuzetteln. In einer Geheimoperation entführen Matt Graver und sein Team die 16-jährige Isabell Reyes, die Tochter des Kartellanführers Carlos Reyes und schieben es einem anderen mexikanischen Kartell in die Schuhe. Isabell wird in die USA gebracht und später von der DEA „befreit“, welche sie vorher selber entführen um ihr weis zu machen, dass sie den USA aus den Fängen eines befeindeten Kartells befreit wurde.
Klingt kompliziert? Ist es auch. Als Zuschauer bleibt aber kaum Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn danach nimmt die Handlung ordentlich Fahrt auf und stellt die beiden Hauptcharaktere vor neue Konflikte. Wir betrachten ihre Handlungen nicht mehr aus dem Auge einer rechtschaffenen Ermittlerin, sondern kriegen einen Einblick in ihre Entscheidungen, welche sie den schmalen Grad zwischen Mensch und Monster wandeln lassen. So gibt es eine Szene in der Alejandro auf einen tauben Farmer in Mexico trifft und sich per Zeichensprache mit ihm unterhält. Diese gesamte Szene sorgt für einen berührenden Moment, den Regisseur Salima wundervoll einige Sekunden einfach so stehen lässt und Alejandro natürliche Tiefe verleiht. Matt Graver wird am Ende vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt, die wunderbar vom Drehbuchautor Sheridan eingefügt wurde. Seine Entscheidung wird nicht erklärt, sondern gezeigt. Durch diese starken Szenen schafft es das Drehbuch einige seiner Schwächen, wie die zu komplizierte Entführung, wieder wett zu machen. Sheridan hat verstanden wie er seine brutalen Antihelden genau auf diesem schmalen Grad wandeln lässt, ohne ihnen ihre Glaubwürdigkeit zu nehmen. Sowohl Alejandro als auch Matt gehen für ihre Ziele buchstäblich über Leichen, zeigen uns durch ihre Handlungen aber auch, dass sie nicht bedingungslos handeln. Diese Entscheidungen müssen jedoch von einem Film vernünftig verpackt werden um Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Wenn Charaktere willkürlich handeln, geht diese Verloren. Gerade bei Figuren in der moralischen Grauzone birgt es ein Risiko sie vor gravierende Entscheidungen zu stellen, die sie für den Zuschauer eindeutig in die Kategorie Böse oder Gut einteilen. So kann der „Mythos“ um eine interessante Figur verschwinden. Sheridan schafft es allerdings die Figuren konstant auf dem schmalen Grad wandeln zu lassen, indem er ein gnadenloses Setting aufbaut indem es zeitweise unmöglich ist eine „gute“ Entscheidung zu treffen.
Die wohl größte Stärke des Films ist eben wie die verschiedenen Charaktere mit der Situation umgehen, in die sie geworfen werden.
Alle Charaktere stecken in einer Maschinerie fest. Wie im ersten Teil baut Sheridan wieder einen Nebenschauplatz auf, der sich um den jugendlichen Miguel dreht, welcher durch seinen großen Cousin als „Coyote“ angeheuert wird. Als Coyote schmuggelt er mexikanische Immigranten über die Grenze und macht seine ersten Erfahrungen mit dem Leben in einer Gang. Der Schmuggel von Menschen ist eiskalt durchgeplant, wie Vieh werden sie in Bussen an die Grenze gebracht, von Miguel durch Flüsse gescheucht, wobei „Verluste“ einkalkuliert werden, und schließlich auf der anderen Seite in einem Lastwagen weggebracht. Vor seinem ersten Einsatz sagt Miguels Cousin den Satz: „They’re sheep, treat them like such.“
Aber auch auf der andere Seite ist neben der ganzen Kriegsmaschinerie wenig Platz für den Menschen. Mit Wärmebildkameras, Hubschraubern und Drohnen bleibt dem Militär nichts verborgen und sie sind sich jederzeit der Position ihrer Gegner bewusst. Menschen können überall geortet werden, Zugriff auf jede Kamera und übermächtige Waffengewalt. Was hält sie also auf? Zumindest nicht die mexikanischen Kartelle. Wie im ersten Teil wird auch hier alles was nicht amerikanisch ist über den Haufen geschossen, während unsere „Helden“ meist mit Schürfwunden davonkommen. Letzteres wird besonders zum Ende des Films überdeutlich, wo dem Film dann doch die nötige Konsequenz fehlt. Diese Überlegenheit zeigt Kameramann Dariusz Wolski, indem er wundervolle Kontraste aufbaut, zwischen der kargen und ruhigen mexikanischen Landschaft und den dröhnenden Maschinen des Militärs. Erkennbar ist jedoch auch das gewollte Wiedererkennen der Bilder zum ersten Teil. Wenn die Autos des Militärs die Grenze passieren und sich in einer Drohenaufnahme Polizeiautos einreihen, könnte man diese Szene quasi eins zu eins aus dem ersten Teil übernehmen. Das mag als nette Hommage gemeint sein, sollte dann aber pointierter platziert werden, denn diese Ähnlichkeiten kommen häufiger vor, wenn man drauf achtet.
Während das US-Militär relativ eindimensional dargestellt wird, bestechen die Protagonisten durch ihre Vielschichtigkeit. Sowohl Alejandro als auch Matt sind teils skrupellos, zeigen uns durch ihre Handlungen aber auch, dass sie nicht bedingungslos handeln. Diese Entscheidungen müssen jedoch von einem Film vernünftig verpackt werden um Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Wenn Charaktere willkürlich handeln, verlieren sie diese. Gerade bei Figuren in der moralischen Grauzone birgt es ein Risiko sie vor gravierende Entscheidungen zu stellen, die sie für den Zuschauer eindeutig in die Kategorie Böse oder Gut einteilen. Sheridan macht es uns Zuschauern aber nicht so leicht und behält sich seine Protagonisten in der Grauzone. Ein Ultimatum zum Ende stellt Matt vor eine gravierende Entscheidung, die er unerwartet aber nachvollziehbar trifft und somit greifbar bleibt.
Alejandro wird noch weiter in das Zentrum der Handlung gerückt und erhält Szenen, die an die Geschehnisse aus dem vorherigen Teil und seiner Vorgeschichte anknüpfen. Dass er jetzt eine Vaterrolle übernimmt, ist zwar etwas vorhersehbar, dennoch organisch in die Geschichte geschrieben, dass man es Sheridan verzeihen kann. Da alle Zeichen auf einen dritten Teil stehen, wird Alejandro am Ende zudem eine neue Aufgabe gestellt, die vernünftig ausgefüllt Material für einen spannenden dritten Teil stellen kann.
Sicario Day of the Soldado ist anders als sein grandioser Vorgänger. Aber das ist auch gut so. Eine gelungene Fortsetzung, welche filmisch etwas zu sehr am Vorgänger hängt, beim Sound jedoch genau die richtige Note getroffen hat um den Vorgänger zu beerben. Während die Handlung teilweise zu Verwirrung führen könnte, sind die Charaktere perfekt ausgeschrieben und von (fast) allen Schauspielern perfekt porträtiert worden. Da es sich um einen Actionfilm handelt soll auch noch erwähnt werden, dass die Action hier nicht so pointiert wie bei Villeneuve vorkommt, sondern in höherer Frequenz, aber mit ähnlich gutem Spannungsaufbau. Für ein gelungenes Sequel gilt anscheinend bei der Action immer noch die gleiche Formel: höher, schneller…
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