Die Worte “based on true events” mögen Geschichtswissenschaftler davon abstoßen, Filme die sich mit historischen Kontexten befassen auch nur annähernd geschichtliche Genauigkeit zuzuschreiben. Trotz narrativer und dramaturgischer Freiheiten bietet das Medium einen nicht nur unterhaltsamen, sondern auch kritisch-interessanten Einstieg in historische Ereignisse, Personen und Zeiten. Durch authentisches Set-Design, Kostümdesign und Musik erschaffen Filme interpretative Versionen einer möglichen historischen Realität, die an narratologische Konventionen des Filmemachens zwar gebunden sind, aber nichtsdestotrotz den Zuschauern einen Blick in die Geschichte werfen lassen. Darüber hinaus bieten Filme einen untersuchbaren Blick auf das Geschichtsbewusstsein der Zeit in der ein Film erschafft worden ist. Beispielhaft wird dies an Ridley Scott’s Film The Last Duel (2020) gezeigt, in dem ansatzweise die subjektiven, sowie traditionellen, Konventionen der filmischen Dramaturgie vor dem kontemporären Hintergrund vor dem der Film produziert wurde aufgezeigt werden. 

 Grob aufgeteilt, machen das “literarische Design, visuelle Design, Kinematographie, Editing und das Sound-Design“ (Benshoff&Griffith 2005, 4) die traditionellen Konventionen des filmischen Mediums aus. Jedes dieser einzelnen Oberbegriffe kann jedoch noch in weitere aufgeteilt werden – so ist es dem literarischen Design (dem Drehbuch) möglich, Allegorien, Metaphern und Subtext aufzuzeigen, während das Editing eine kohärente und “meaningful” (Benshoff&Griffith 5) Handlung kreiert. Genauso wie der Film als Ganzes an diese Konventionen dieser Kategorien gebunden ist, gibt es innerhalb der einzelnen Kategorien auch eigene Konventionen. So folgt das konventionelle Drehbuch eines Filmes heutzutage dem traditionellen 3-Akt-Schema, in dem der Protagonist vor mehreren Problemen gestellt wird, um eine signifikante Lektion zu lernen. Ähnlich wie bei anderen Traditionen und Konventionen lassen sich jedoch auch diese brechen – doch steckt hinter jeglicher Entscheidung während der Erschaffung eines Filmes eine subjektive Meinung. Sei es die Vision des Regisseurs oder die künstlerischen Entscheidungen des Sound-Designers und Komponisten: Hinter einem Film stecken die subjektiven Talente mehrere Menschen. Das führt zu einem Gesamtwerk das zum Interpretieren anregt und anregen soll. Eine dieser Intentionen war, und wird für immer, dass der Unterhaltung und des Eskapismus’ sein.  Jedoch steckt genau hier auch einer der problematischen Aspekte für das Verständnis von Filmen für die Geschichtswissenschaften. Die traditionellen Konventionen und das Zusammenarbeiten verschiedener individueller, sowie der Status des Medium Films als Unterhaltungsmedium stehen dem akademischen Verständnis und Arbeiten von Historikern entgegen. Durch den aus bereits genannten Gründen entstehen Akzentuierungen eines Filmes die mit der traditionellen Auffassung von Geschichte konkurrieren. Aus der Aussage “auf wahren Ereignissen basierend” ließe sich bestimmt auch schließen, dass ein solch beginnender Film historisch akkurat sei – eine Annahme, die oftmals jedoch falsch verstanden wird. “Based on true events” ist nicht gleich zu setzen mit “this is a true event”. Ein Film der auf wahren Ereignissen basiert erscheint mir eine Adaptation, die sich künstlerische Freiheiten nimmt um sich den dramaturgischen Konventionen, sowie den des Editings, Scorings, etc. anzupassen. Trotz alledem bieten auf historischen Ereignissen basierende Filme wichtige Auseinandersetzungsmöglichkeiten für Geschichtswissenschaftler.  

 Als Primärquelle ließe sich der oftmals als “Epos” (Kermode 2020) bezeichnete Film The Last Duel vermutlicher weise nicht beschreiben, dennoch bietet sich das historische Drama als Fall zur “Erforschung von ‘Zeitgeist’ und Geschichtsbewusstsein” (Etmanski 2004, 73) an. Der Film steht in interessantem Dialog zwischen der Mentalität mit der der Film produziert worden ist und kontemporären Erwartungen von Zuschauern nach dem Beginn der #MeToo-Bewegung. 

The Last Duel befasst sich mit dem letzten gerichtlich-attestierten Duell im mittelalterlichen Frankreich. Zum Duell herausgefordert wird der Knappe Jacques Le Gris von seinem ehemaligen Freund und Ritter Jean de Carrouges. Grund für das Duell ist der Vorwurf von Carrouges Ehefrau, Marguerite, dass Le Gris sie vergewaltigt habe. Der Film ist in drei Teile unterteilt: Die Wahrheit gemäß Carrouges, die Wahrheit gemäß Le Gris’ und “the truth” gemäß Marguerites. Wenig subtil verbleiben die beiden Worte für einige Momente hängen und machen deutlich: Ihre ist die einzige Wahrheit.  

Zu einer Zeit spielend, die für den Zuschauer häufig schwer zu greifen ist – das Mittelalter – zeichnet das visuelle Design von The Last Duel  ein dreckiges und kaltes Bild. Der US-Amerikanische Historiker John Aberth stellt fest, dass kontemporäre Filme die im Mittelalter spielen, häufig auf einer der beiden Extremen des Erwartungshorizonts des Zuschauers landen (2003, vii). Das heißt: Entweder werden Ritter in glänzenden Rüstungen erwartet, oder die barbarische Brutalität des Mittelalters (Aberth viii). The Last Duel fällt in die zweite Extreme. Die Kampf- und Schlachtszenen sind brutal, dreckig und von orchestraler Musik untermalt; die Kostüme sind authentische Rüstungen die nicht glänzen, sondern Schäden zeigen. Von den technischen Kategorien her schafft der Film es zu unterhalten und mag auf einen Blick hin als historischer Film eingeordnet werden. Auch das Drehbuch folgt dem konventionellen Schema, wenn auch etwas spielerisch mit dem Twist der drei verschiedenen Sichtweisen. Das Editing und die Kinematographie untermauern die unterhaltsame Authentizität The Last Duels und betonen zudem einen signifikanten Aspekt des Mittelalters: Den der Dominanz der Katholischen Kirche. In nahezu jeder Szene des Filmes spielt die Kirche als Institution oder der Glaube eine Rolle. Als Element der Handlung (der Vorwurf Marguerites vergewaltigt worden zu sein mag, falls das Duell schlecht für sie ausfällt, mit ihrem Tod enden), sowie als Teil des Kostümdesigns und der Kinematographie (symbolische Kreuze; mit sich getragene Kreuze).  

 All die genannten Konventionen des Filmemachens verhelfen The Last Duel dazu, ein unterhaltsamer Film zu sein der den historischen Zeitraum des Ereignisses “realistisch” und auch anti-romantisch erscheinen lässt – basierend, beziehungsweise auch konträr, den Erwartungen der Zuschauer dessen, was einen Film der im Mittelalter spielt ausmachen sollte. Aber der auf dem Buch The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France basierende Film bietet trotz konventioneller Elemente faszinierende Einblicke in unser heutiges Verständnis von Gesetzen, Religion und auch Dynamiken einer Ehe des (französischen) Mittelalters.  

Beginnend mit dem Buch, von dem der Film adaptiert worden ist, erscheint es notwendig zu erwähnen, dass Eric Jagers Buch zwar auf Quellen und Methoden basiert die die Geschichtswissenschaft im Großen und Ganzen als ergiebig ansehen würde, jedoch beschwert der Status The Last Duels als Verfilmung – das heißt, Adaption des Buches – weitergehend die Akzeptanz des Filmes als historische Quelle. Adaptationstheorien sind eine Wissenschaft für sich auf die hier nicht weiter eingegangen wird – dennoch soll angemerkt werden, dass eine Adaption gewisse Freiheiten nehmen muss, um sich den Konventionen des Filmemachens anzupassen. Diese Freiheit erlaubt es Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseuren jedoch auch den ursprünglichen Text und seine Charaktere aus einer kontemporären Sicht neu zu beleuchten.  

The Last Duel ist in den Medien häufig als “Medieval Epic in the Age of #Metoo” (Dargis, 2021) bezeichnet. Gemeint ist damit der Fokus des Films auf Marguerite und die Inszenierung des Duells als Spielplatz für toxische Maskulinität und ungerechte Machtdynamiken Frauen gegenüber. Es erscheint mir schwer den Film aus einer anderen Sichtweise her zu interpretieren – was einen interessanten Aspekt für die Signifikanz von Film für die Geschichtswissenschaft aufwirft. Zum einen untergräbt The Last Duel durch seine Betonung der Stimme der weiblichen Protagonistin die heteronormativ-maskuline Wahrheit die normalerweise historische Filme über Ritter ausmacht, und scheint ein Licht auf den kontemporären Zeitgeist, in dem der Film erschaffen worden ist.  

Um es auf den Punkt zu bringen bieten Filme trotz aller Konventionen an die sie sich halten müssen um unterhalten zu können facetten-reiche Aspekte und Wege, sie für die Geschichtswissenschaften signifikant zu machen. Als Primärquelle sind Filme basierend auf historischen Ereignissen und Figuren wohl nicht geeignet, dennoch sind die Produktionen solcher Filme vor ihrem geschichtlichen Hintergrund – wie etwa Zeitgeist – spannend. The Last Duel ist ein solcher Film, dessen geschichtliche Genauigkeit diskutierbar ist, aber dessen Ansatz vor dem zeitgeistlichen Hintergrund von Bewegungen gegen sexuelle Übergriffe und Belästigungen neue Erkenntnisse für mittelalterliche Dynamiken bietet. 

 

 

Bibliographie: 

Aberth, John. A Knight at the Movies Medieval History on Film. Routledge, 2003. 

 

Benshoff, Harry M., und Sean Griffin. America on Film: Representing Race, Class, Gender, and Sexuality at the Movies, Wiley-Blackwell, Malden, MA, USA, 2009. 

 

Dargis, Manohla. “The Last Duel’s Review: A Medieval Epic in the Age of #Metoo.” The New York Times, The New York Times, 13. Okt. 2021, https://www.nytimes.com/2021/10/13/movies/the-last-duel-review.html. (abgerufen am 13.01. 2022) 

 

Etmanski, Johannes. “Der Film als historische Quelle. Forschungsüberblicke und    Interpretationsansätze.” https://epub.ub.uni-muenchen.de/558/6/etmanski-film.pdf. (abgerufen am 13.01.2022). 

 

Kermode, Mark. “The Last Duel Review – Swordplay without Subtletly.” The Guardian, Guardians News and Media, 17. Okt. 2021, https://www.theguardian.com/film/2021/oct/17/the-last-duel-review-ridley-scott-jodie-comer-matt-damon-adam-driver. (abgerufen am 13.01.2022)