Willkommen zum zweiten Teil unserer literarischen Odyssee durch Europa! Nachdem wir bereits Dublin, Edinburgh und Prag erkundet haben, reisen wir nun in drei weitere Städte, die durch das Leben und die Werke berühmter Autor*innen geprägt wurden. Falls ihr den ersten Teil noch nicht gelesen habt, könnt ihr das HIER nachholen!
Achtung Klischee: Paris – die Stadt der Bohème und der verlorenen Generation
Paris ist nicht nur die klischeehafte Stadt der Liebe und überteuerten Luxusläden, vollgestopft mit amerikanischen Touristen, die gar nicht wissen wo sie ihr Geld als erstes aus dem Fenster werfen sollen. Es kann auch ein Paradies für Literaturliebhaber sein. Man muss nur wissen, wo man nach dieser Oase inmitten dieser wütenden Wüste des Tourismus zu suchen hat. Einige der bedeutendsten Schriftsteller*innen des 20. Jahrhunderts lebten und arbeiteten hier, darunter Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald und Gertrude Stein. Ihre Werke und ihre Erfahrungen in Paris haben die literarische Welt nachhaltig beeinflusst.
Hemingways Zeit in Paris, die er in seinem Buch “A Moveable Feast” beschreibt, fängt die Atmosphäre der Stadt in den 1920er Jahren ein. Die Cafés und Bistros des Quartier Latin und Montparnasse waren Treffpunkte für Künstler*innen und Intellektuelle.
Lokale wie das Café de Flore und Les Deux Magots erinnern noch heute an diese Zeit. Auch in Harry’s New York Bar, die heute noch zu besuchen ist, verbrachte der Schriftsteller so manchen Abend mit zu viel Promille, aber dafür ja vielleicht mit Inspiration für sein Werk.
Neben Hemingway ist auch der Einfluss von Gertrude Stein, die in ihrem Salon Schriftsteller*innen und Künstler*innen wie Picasso und Matisse versammelte, nicht zu unterschätzen. Ein Besuch im Musée de Montmartre oder die Erkundung der Gassen im Viertel Saint-Germain-des-Prés lässt euch in die Welt der “verlorenen Generation” eintauchen. Für richtige Nerds der französischen Literatur lohnt sich ein Besuch des tatsächlich ehemaligen Wohnortes des berühmten Autors von “Les Misérables” und “Der Glöckner von Notre-Dame”, dem Maison de Victor Hugo, das einen wunderbaren Einblick in sein Leben und Schaffen bietet.
Natürlich dürfen Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre an dieser Stelle nicht fehlen. Diese beiden Ikonen des Existenzialismus verbrachten einen Großteil ihrer Leben in Paris. Simone de Beauvoir, bekannt für ihr bahnbrechendes Werk “Das andere Geschlecht”, das die Frauenbewegung inspirierte, und Jean-Paul Sartre, Autor von “Das Sein und das Nichts” und “Die Fliegen”, waren Lebens- und Denkpartner. Ihre philosophischen Diskussionen und Schriften prägten eine ganze Generation und boten den intellektuellen Kreisen von Paris einen fruchtbaren Boden. Ein wichtiger Treffpunkt für Sartre und Beauvoir war das bereits erwähnte Café de Flore, in dem sie viele Stunden diskutierten und schrieben.
Die Wohnhäuser und Lieblingsorte von Beauvoir und Sartre sind heute Pilgerstätten für Fans und Gelehrte. Die Universität Sorbonne, an der Beauvoir studierte, und der Cimetière de Montparnasse, wo beide begraben sind, sind ebenfalls wichtige Ziele für alle, die das Erbe dieser beiden bemerkenswerten Denker erkunden möchten.
Somit haben wir begonnen die literarische Oase in Paris peu à peu zu lokalisieren. Wie der Text andeutet, befindet sich eng verbunden mit den literarischen Lieux de Mémoire auch die Erinnerung an viele künstlerische Bewegungen, wie die der Surrealisten, vielleicht ja ein Thema für einen zukünftigen Artikel!
Madrid, Spanien – In den Fußstapfen von Cervantes
Madrid, die pulsierende Hauptstadt Spaniens, ist tief in der Literaturgeschichte des Landes verwurzelt. Da ich leider noch nie dort war, entdecke ich hier auch Neuland, aber interessant waren die Ergebnisse meiner Recherche dennoch:
Miguel de Cervantes, der Schöpfer des weltberühmten “Don Quijote” hatte mit seinem Werk einen nachhaltigen Einfluss auf die Stadt und die spanische Literatur. In diesem Werk geht es um die Abenteuer des edlen, aber etwas verrückten gleichnamigen Ritters und seines treuen Knappen Sancho Panza. Diese Figuren sind tief in der spanischen Kultur verwurzelt und überall in Madrid zu finden, sei es in Denkmälern, Straßennamen oder kulturellen Veranstaltungen.
Ein Muss für jeden Literaturfan ist ein Besuch des Cervantes-Museums in Alcalá de Henares, dem Geburtsort von Cervantes, der nur eine kurze Zugfahrt von Madrid entfernt liegt. Hier kann man nicht nur mehr über sein Leben erfahren, sondern auch über die Entstehung seines Meisterwerks.
Auch das Barrio de las Letras, ein Viertel, in dem einst viele spanische Schriftsteller*innen des Goldenen Zeitalters lebten, darunter Lope de Vega und Tirso de Molina ist definitiv einen Besuch wert.
Heute erinnern Straßennamen und Zitate an diese literarische Blütezeit. Das Casa Museo Lope de Vega, das ehemalige Wohnhaus des berühmten Dramatikers Lope de Vega, ist heute ein spannendes Museum. Ein weiteres Highlight ist die Biblioteca Nacional de España, die eine umfangreiche Sammlung spanischer Literatur und Manuskripte beherbergt, darunter auch originale Werke von Cervantes.
Florenz, Italien – Die Wiege der Renaissance-Literatur
Florenz, die Hauptstadt der Toskana, ist nicht nur ein Pilgerort für alle Begeisterten der italienischen Küche, sondern auch ein historisches Zentrum der italienischen Literatur. Es ist zwar schon echt lange her, aber einige der größten Schriftsteller der Renaissance lebten hier, darunter Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio und Niccolò Machiavelli.
Dante, einer der berühmtesten Dichter Italiens und wohl auch Europas, hat mit der Göttlichen Komödie etwas geschaffen, das auch siebenhundert Jahre nach seinem Tod und darüber hinaus Intellektuelle und Künstler*innen gleichermaßen inspiriert. Die Literaturwissenschaftlerin Franziska Meier bezeichnet Dantes Werk sogar als „einen Schlüssel zur Geistes- und Kulturgeschichte Europas”. Dante wurde 1265 in Florenz in Italien geboren. Schon zu Lebzeiten setzte er sich für die Interessen des Heiligen römischen Kaisers ein und wollte seine Stadt von päpstlicher Einmischung befreien. Leider führten seine politischen Ansichten und Handlungen dazu, dass er 1302 zur Verbrennung verurteilt wurde.
Daraufhin verließ er seine Heimatstadt und lebte bis zu seinem Tod im Exil. Während seiner Reisen durch Italien schrieb er sein berühmtestes Werk: die Göttliche Komödie. Ein Besuch im Dante-Museum in Florenz bietet Einblicke in das turbulente Leben dieses einzigartigen Dichters. Wer sich für dieses Thema interessiert, dem kann ich meinen Blogbeitrag über Dante und Primo Levi empfehlen.
Schlendern wir durch das historische Zentrum von Florenz, so kommen wir an vielen Orten vorbei, die mit Dante und anderen florentinischen Dichtern in Verbindung gebracht werden. In der Basilica di Santa Croce, der Grabstätte vieler bedeutender Italiener, darunter Michelangelo und Galilei, steht auch ein Denkmal für Dante. Das Galilei-Museum bietet außerdem einen faszinierenden Einblick in die wissenschaftlichen Errungenschaften der Renaissance, die eng mit der literarischen und kulturellen Blütezeit der Stadt verbunden sind.
Ein weiterer bedeutender Schriftsteller der Renaissance, Giovanni Boccaccio, Verfasser von “Das Dekameron”, eine Sammlung von 100 Novellen, die in Florenz zur Zeit der Pest spielen, hat seine Wurzel in Florenz. Das Werk spiegelt das Leben und die Gesellschaft der damaligen Zeit wider. Wieder einmal empfehle ich eine Bibliothek – Die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, in der viele Manuskripte und Werke, beispielsweise von Boccaccio, aufbewahrt werden, und in der ihr euren Durst nach der literarischen Kultur der Renaissance bestimmt stillen könnt.
Der letzte große Geist, dessen Vorstellung eigentlich keiner Einleitung bedarf ist: Niccolò Machiavelli. Bekannt ist er vor allem für sein politisches Werk “Der Fürst”. Sein Haus, das Casa di Machiavelli in Sant’Andrea in Percussina, südlich von Florenz, ist heute ein Must-see-Museum.
Habt ihr nun immer noch nicht genug, so ist das Archivio di Stato di Firenze, eine umfangreiche Sammlung von historischen Dokumenten, ein Geheimtipp für Wissensdurstige. Zu guter Letzt könntet ihr noch beim Teatro della Pergola vorbeischauen. Einem der ältesten Theater Italiens, in dem viele Werke bedeutender italienischer Dramatiker aufgeführt werden.
Das war also mein Vorschlag einer literarischen Odysee durch Europa. Statt mit einem Fazit beende ich den Artikel mal mit dem Beginn eines, wenn man es so nennen möchte, (geistig) Europäischen Gedichts:
Let us go then, you and I,
When the evening is spread out against the sky
Like a patient etherized upon a table;
Let us go, through certain half-deserted streets,
The muttering retreats
Of restless nights in one-night cheap hotels
And sawdust restaurants with oyster-shells:
Streets that follow like a tedious argument
Of insidious intent
To lead you to an overwhelming question…
Oh, do not ask, “What is it?”
Let us go and make our visit.
Quellenverzeichnis :
Beauvoir, Simone de. The Second Sex. Vintage Books, 2011.
Boccaccio, Giovanni. The Decameron. Penguin Classics, 2003.
Cervantes, Miguel de. Don Quixote. Penguin Classics, 2003.
Dante Alighieri. The Divine Comedy. Oxford University Press, 2008.
Hemingway, Ernest. A Moveable Feast. Scribner, 1964.
Lope de Vega. Fuenteovejuna. Dover Publications, 2000.
Machiavelli, Niccolò. The Prince. Dover Publications, 1992.
Sartre, Jean-Paul. Being and Nothingness. Washington Square Press, 1993.
Stein, Gertrude. The Autobiography of Alice B. Toklas. Vintage, 1990.
Tirso de Molina. The Trickster of Seville and the Stone Guest. Penguin Classics, 1998.
Victor Hugo. Les Misérables. Penguin Classics, 2013.
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