Welche Länder in Europa hatten eigentlich einen maßgeblichen Einfluss auf unsere heutige Barwelt? Ich denke da zuerst an Italien!

Barkultur in Italien könnte man als Institution bezeichnen, etabliert in Kultur und Gesellschaft. Mit über 150.000 Bars im ganzen Land, vom Dorf bis in die Großstadt verteilt, zählt Italien offiziell die meisten Bars in Europa. Auch für die europäische Cocktailkultur war und bleibt Italien ein wichtiger Ankerpunkt. Heutzutage ist Italien eines der führenden Länder in der Spirituosenproduktion. Was wäre die Bar Szene ohne Drinks wie, einem meiner Favoriten, dem Negroni[1] oder anderer, wie den Bellini[2]. Doch für die Italiener ist die Bar mehr als für uns Deutsche. Sei es auf ein schnelles tremezzi (italienisches Sandwich), einen Cappuccino zum Frühstück, oder zu Abend zum Aperitivo mit Freunden/Familie und ein paar Snacks dazu. Die Bar fusioniert somit Café, Stammkneipe, Bäckerei, Imbiss und was einem noch so in den Sinn kommt[3]. Während bei uns die meisten Bars erst gegen Abend öffnen, sind italienische Bars ein „konstanter Tagesbegleiter“ für die Bevölkerung

[1] Roter Wermut, Campari und Gin. Sowohl roter Wermut als auch Campari sind in der Kategorie der Amari zu verorten und stammen ursprünglich aus Italien.

[2] Pfirsichlikör und Sekt/bzw. Champagner

[3] Kartenspielrunde, Fußball-Stream etc.

Welchen Einfluss hatte die italienische Trinkkultur nun auf heutige Bars in ganz Europa, gar in aller Welt? In den 50er/60er Jahren haben immense Werbekampagnen und die Entstehung vieler neuer Kräuterliköre, vor allem auch in Italien, zu einer erneuten Bestärkung der kulturellen Verankerung von Barkultur und Ausgehkultur gesorgt. Ich kann mit Gewissheit sagen, dass Italien mit seiner Aperitivo-Kultur, wahrscheinlich ohne es zu beabsichtigen, einen Grundstein für das heutige Universum der Kreativität für eine Vielzahl an Barkeepern gelegt hat, einschließlich meiner selbst.

Zu Beginn meiner Arbeit als Barkeeper in Berlin experimentierte ich mit vielen Spirituosen und Zutaten aus bspw. dem asiatischen Raum oder folgte den Cocktailtrends aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Amari waren zwar Teil einiger wichtiger Klassiker, allerdings schenkte ich ihnen nie wirklich große Aufmerksamkeit. Doch seit geraumer Zeit erweitern diese einzigartigen, aus Italien stammenden Bitterliköre mein Repertoire und vor allem den Horizont des Genusses der Cocktails, die ich für meine Gäste (nun in Bremen) herbeiexperimentiere.

Meine europäische Barutopie:

Stelle dir eine Bar vor, deren Getränke und Gäste aus aller Welt stammen. Eigentlich nichts Besonderes, richtig? Jetzt stelle dir eine Bar vor dessen Redner/innen aus aller Welt stammen und dessen Drinks in Länderherkunft und kulturellem Ursprung der diversen Spirituosen kategorisiert sind. Redner im Sinne von Gästen, die zu Diskussionspartner/innen werden, die einen Raum des Austausches kreieren, der die diversesten Themen Europas beinhaltet. Was wäre es für ein schöner Ort, einer der ehrlichen Kommunikation durch das Ablegen des Mantels der kulturellen Kommunikationsbarrieren vor den Eingangstüren. Einmal hineinspaziert, ist man umgeben von dem warmen Wohlgefühl, welches man mit seinem Stammcafé, seiner Lieblingsbar oder Kneipe verbindet, unabhängig von nationalkulturellen Einflüssen oder aktuellen Konflikten. Jetzt, so denke ich können wir über unseren gemeinsamen Erinnerungsort Europa sprechen, über unsere Hoffnungen und Wünsche, als Menschen, deren Ziel es ist, der Welt ein Stück Leid zu entnehmen.

Bars können weitaus mehr sein, als man meist von ihnen erwarten würde.

Zum Schluss noch ein Geheimtipp: Italicus Rosolio di Bergamotto – ein sehr genüsslicher Likör aus Süditalien 🙂