Make the invisible visible

Vom 06. – 12. Mai verschwanden 27 Influencer*innen für 24 Stunden von Instagram unter dem Hashtag „Make the invisible visible“. Was erst einmal nach einer gewöhnlichen Social-Media Aktion klingt, geht plötzlich viel tiefer. Teil dieser Aktion war auch Ariana Baborie von dem Podcast „Herrengedeck“. Durch sie wurde ich darauf aufmerksam und unsanft aus meiner Bubble geholt.

An dieser Stelle eine Triggerwarnung bezüglich (sexueller) Gewalt.

Wovon rede ich hier? Es geht um Zwangsprostitution und Menschenhandel. Mit der Aktion, initiiert durch „Eyd Clothing“, wollten die Influencer*innen eben genau das bewirken: Ihre Follower*innen aus ihrer Bubble lösen und auf dieses leider noch viel zu aktuelle Thema weltweit aufmerksam machen. Eine traurige Realität die für viele Menschen, meist Frauen, Alltag ist.

Die Betroffenen kommen hauptsächlich aus sozial schwachen Milieus in denen Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit herrscht. Mit falschen Versprechungen werden sie in die Zwangprostitution gelockt. Im Glauben einen gut bezahlten Job zu erhalten oder gar Model zu werden und damit nicht nur sich, sondern auch ihren Familien/Kindern helfen zu können, verschleppen Menschenhändler die Betroffenen. Im Ziel Land angekommen, werden sie zur Prostitution gezwungen, bedroht, misshandelt und mehr. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW gibt an, dass laut den Vereinten Nationen jährlich 1,6 Millionen Menschen, davon meist Frauen und Mädchen, mit dem Hauptziel Deutschland davon betroffen sind.
Eine genaue Zahl wie viele Menschen in Deutschland aktuell zwangsprostituiert sind, gibt es nicht. Schätzungsweise sind es allein eine halbe Million jährlich von Ost- nach Westeuropa. Dabei gelten generell Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien als die Hauptzielorte. Faktisch fest machen, kann man es nur an den Razzien und aufgedeckten Fällen. Trotz der Arbeit an dem „Prostituiertenschutzgesetz“ in Deutschland von 2017, welches freiwillige! Sexarbeiter*innen schützen soll, ändert dies wenig an der unfreiwilligen Prostitution und dem Menschenhandel. Es packt das Problem nicht an der Wurzel. Der Versuch aus rechtlicher und politischer Sicht für eine stärkere Handhabe gegen die Zuhälter*innen, um die Ausbeutungsmöglichkeiten im Rotlichtmilieu zu verringern. Ein interessanter und vor allem informativer Podcast ist die Folge „Auf den Spuren der Zwangsprostitution in Deutschland“ von Weltinsider (2019). Die ganze Problematik wird anhand eines realen Falles erklärt. Hierfür reisen sie zu der Familie nach Bukarest. In Zusammenarbeit mit dem BKA führt dieses eine Razzia in Deutschland durch, mit dem Ziel die betroffene Frau zu befreien. Die Folge ist keine leichte Kost, aber für mich persönlich wichtig gewesen dies zu hören. Denn was in Netflix Serien wie „Sky Rojo“ entertainend dargestellt wird, ist für die realen Betroffenen reine Gewalt, Einschüchterung und Unterdrückung.

Durch die Legalisierung der Sexarbeit und Filmen hat sich das Bild dessen in der Gesellschaft gewandelt. Fälschlicherweise gehen viele davon aus, dass Menschen in Bordellen oder Straßenstrichen dort freiwillig sind. Vielmehr ist es eine moderne Art der Sklaverei, welche u.a. durch die Flüchtlingswelle und offizielle Öffnungen diverser Grenzen einen massiven Zuwachs erhalten hat. Nur jede 100. Person wird aus diesen Strukturen befreit. Deutschlandweit versuchen Bundesländer wie NRW mit Kampagnen, bspw. „Exit.NRW“, für Aufklärung, Sensibilisierung und Enttabuisierung zu sorgen. Es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft sich über diese Menschenrechtsverletzung bewusst wird. Nicht jede*r Sexarbeiter*innen übt diese Tätigkeit unter Zwang aus. Es ist wichtig zu differenzieren und eben die Menschen, die nicht autonom entscheiden zu befreien und anschließend einen Ausblick zu bieten.

Verschiedene Vereine und Organisationen haben sich hierauf spezialisiert. Die Initiator*innen der zu Beginn genannten Aktion „Make the invisible visible“ von Eyd Clothing stellen gemeinsam mit Betroffenen nachhaltige, vegane und faire Kleidung her. Damit möchten sie ihnen eine Perspektive fernab von Gewalt und Zwang bieten, sowie gegen Ausbeutung, Menschenhandel und Sklaverei ankämpfen. Ihre erste karitative Partnerwerkstatt „CHAIIM humanitarian Clothing“ ist in Mumbai. Das Rehabilitationsprogramm von CHAIIM bietet den Frauen dort nicht nur einen Job an, sondern weiteres wie Wohnung, Schulausbildung und Gesundheitsversorgung. Hier sollen statt Profit, die Geschichten der Menschen im Vordergrund stehen. Umso schöner (bei so einem schweren und traurigem Thema) empfinde ich es, dass jedes Kleidungsstück mit einen Stempel einer Näherin versehen ist. Auf ihrer Website kann die Geschichte bzw. ein paar von ihr geschriebenen Zeilen nachgelesen werden.
In der Aktionswoche ging es zudem nicht nur um das symbolische Verschwinden auf Instagram, sondern auch um Aufklärung. Eyd Clothing führte beispielsweise Gespräche mit „International Justice Mission“, welche man auf ihrem Account sich weiterhin anschauen kann.

 

Dieser Artikel soll keine Werbung für die Marke, den Podcast oder diverse Influencer*innen sein, sondern die Missstände aufweisen und exemplarisch zur Aufklärung dienen. Auch wenn wir im Alltag nicht damit konfrontiert werden, ist es leider der Alltag viel zu vieler Menschen.

 

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“

Die kostenlose Hotline „Gewalt gegen Frauen“ bietet von Gewalt Betroffenen Frauen, Unterstützer*innen, usw. unter der Nummer 08000 – 116 016 ein Hilfe- und Unterstützungsangebot. Dies gilt rund um die Uhr und deutschlandweit. Dazu zählt auch Gewalt in der Prostitution, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Sie vermitteln an Anlaufstellen, geben Informationen und übersetzen in 17 Sprachen.

 

 

Quellen

www.eyd-clothing.com

www.welt.de/podcasts/welt-insider/article187834344/Podcast-Auf-den-Spuren-der-Zwangsprostitution-in-Deutschland.html

www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/prostitution

www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Menschenhandel/menschenhandel_node.html

www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerin-ina-scharrenbach-exitnrw-landesregierung-startet-landesweite-aktion

www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/prostitution

www.ilo.org/berlin/arbeitsfelder/kinder-und-zwangsarbeit/WCMS_546555/lang–de/index.htm

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