Zweifel am Studium?

„Studierst du noch oder lebst du schon?“ Diese Frage stellt die Französin Tiphaine Rivière in ihrem gleichnamigen Comicbuch. Die Zweifel, die in dieser Frage zur Sprache kommen, kennen wahrscheinlich viele Studierende. Rivière beschreibt, teils autobiographisch, wie die junge Doktorandin Jeanne anfangs enthusiastisch, aber zunehmend entmutigt ihre Zeit an der Uni erlebt.

Leben und Leiden im Unibetrieb?

Jeanne wird endlich Doktorandin und sieht sich schon als stolzes Mitglied der Wissenschaftsgemeinde. Ihre Arbeit bezieht sich auf das Labyrinthmotiv bei Franz Kafka, was schon einmal sehr gut zu den Mühen des Schreibens passt, die Jeanne im Verlauf der nächsten Jahre erleiden wird. Dabei wird sie leider nicht vom Glück verfolgt und vom (französischen) Wissenschaftsbetrieb hat sie auch keinerlei Ahnung. Ihr Betreuer interessiert sich nicht wirklich für sie und ihre Doktorarbeit. Außerdem soll sie ein Seminar leiten, dessen umfangreiche Inhalte sie sich erst anlesen muss. Dadurch fühlt sie sich sogleich wie eine dumme Stümperin.

Und als wäre das nicht schon genug, erfährt sie auch noch, dass sie für das Seminar nicht bezahlt werden wird. Also nimmt sie auch noch einen trostlosen Job in der Uni-Verwaltung an. Hinzu kommt: Andere DoktorandInnen sind einfach besser als sie und alle befinden sich in einem Wettbewerbsverhältnis, in dem auch Intrigen gang und gäbe sind. Außerdem wird sie von ihrer Familie immer wieder mitleidig gefragt, wie lange sie denn noch studieren will. Ihre ehrgeizigen Zeitpläne kann sie sowieso nicht einhalten. Auf Seite 126 sieht man sie das erste Wort ihrer Einleitung tippen. (Vielleicht hätte sie den Campuseule-Artikel zur Prokrastination lesen sollen.)

Eine Mogelpackung?

Man könnte durchaus kritisieren, dass der Buchtitel besser „Promovierst du noch…“ als „Studierst du noch…“ geheißen hätte. Das beschreibt die Geschichte um Jeanne präziser. Aber das Buch ist keine Mogelpackung, weil sich in dieser sehr zugespitzten Kritik am Unibetrieb auch Studierende wiederfinden können. Es ist wichtig zu betonen, dass Jeanne wirklich sehr naiv in jede Falle herein tappt. Außerdem muss die deutsche Leserschaft einige mutmaßlich französische Besonderheiten einfach hinnehmen. Dennoch eignet sich das Comicbuch gut, um das wissenschaftliche Studium zu hinterfragen, gerade wenn man eine kleine Sinnkrise aussteht.

Die Zeichnungen sind sehr vielfältig und steuern einiges dazu bei, um Jeannes Leidensweg stimmungsvoll zu illustrieren. Es gibt sowohl cartoonartige Passagen als auch recht realistische Abbildungen. Insbesondere die Bezüge zu anderen literarischen Werken setzen sich stilistisch ab. Beeindruckend ist auch, wie greifbar Rivière den Alltag von Jeanne in Szene setzt, ohne die ideelle Seite von Jeannes anfänglichen Enthusiasmus oder ihre wissenschaftlichen Ideale zu vernachlässigen. Jeannes Gedanken und Gefühle werden in den Zeichnungen eindrücklich eingefangen.

„Studierst du noch oder lebst du schon?“ von Tiphaine Rivière erschien im Knaus-Verlag und kostet faire 19.99 Euro. Auf der Verlagsseite kann man sich eine Leseprobe anschauen.

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