Obdachlosigkeit unter Frauen – im Gespräch mit „LieLa e.V.“

Vor einigen Tagen organisierte der Verein „LieLa e.V.“ eine Kleiderspendenaktion im „Defibrillator“, einem Secondhand Geschäft in der Neustadt. Während laufend zahlreiche Spenden für obdachlose Frauen abgegeben wurden, durfte ich dort eines der mittlerweile zwanzig aktiven Mitglieder interviewen und dadurch mehr über eine der wenigen Hilfsorganisationen Bremens erfahren, die explizit nur für obdachlose Frauen gegründet wurden.


Magst Du Dich zuerst mal vorstellen?

Lena engagiert sich ehrenamtlich bei „LieLa e.V.“ im Bereich Social Media.

Hi, ich bin Lena. Ich bin 20 und studiere Public Health und Englisch an der Uni Bremen. Seit dem ersten Semester in 2021 bin ich bei „LieLa“ dabei. Damals kam über den Verteiler von „LieLa“ eine E-Mail rein, in der nach Leuten gesucht wurde. Und da ich im ersten Semester etwas zu Obdachlosigkeit und Frauen als Seminar hatte, dachte ich mir: Ach, das passt ja!

Wofür steht denn überhaupt „LieLa“?

Zum Einen für die Farbe Lila, weil die seit dem 19. Jahrhundert für feministische Kämpfe steht und eben, weil der Name in allen Sprachen einfach ausgesprochen werden kann. Wir haben den Namen mit „ie“ genommen, damit er sich von der Farbe abhebt und wir nicht mit der Farbe verwechselt werden und dann nirgends auftreten, wenn man uns z.B. googelt.

Es gibt in Bremen kaum explizite Angebote für obdachlose und wohnungslose Frauen.

Was waren die Beweggründe für die Gründung von „LieLa e.V.“?

Es gibt in Bremen kaum expliziten Angebote für obdachlose und wohnungslose Frauen. Aber die Frauen, die eben obdach- und wohnungslos sind, sind meist so traumatisiert von Männern, dass sie sich gar nicht erst an so einen von Männern dominierten Ort trauen. Weil sie Angst haben, dass ihnen wieder was passiert oder weil sie sich einfach nicht eingestehen wollen, dass sie obdachlos sind und dann gar nicht erst hingehen – denn Obdachlosigkeit ist ja oft mit gewisser Scham verbunden. Die meisten Frauen sind in dieser verdeckten Obdachlosigkeit und kommen irgendwo nachts unter oder erbringen Leistungen wie sich selbst quasi zwangsprostituieren zu müssen, damit sie eine Wohnung haben.

25% aller Obdachlosen in Bremen sind Frauen.

Das definiert ihr dann als „verdeckte Obdachlosigkeit“?

Genau. Letzte Woche hatten wir ein Gespräch mit Harald Schröder, einem Streetworker hier in Bremen. Der meinte, dass momentan 25% aller Obdachlosen hier in Bremen Frauen sind, die aber meistens nachts vagabundieren und sich morgens dann ins BackWerk setzen oder so. Weil sie eben Angst haben, so klassisch obdachlos zu sein.

Obdachlose Personen sind ja generell super angreifbar. Man hört ja auch immer wieder, dass obdachlose Leute in ihren Schlafsäcken angezündet werden oder Gullideckel in die Zelte geworfen werden. Aber bei Frauen kommt halt noch das mit der ganzen sexuellen Gewalt oben drauf. Deswegen trauen sich viele nicht, „auf der Platte“ zu schlafen, wie man das manchmal nennt. Und deswegen gehen sie manchmal nachts umher oder sind tagsüber in Büchereien, damit man gar nicht erst sieht, dass sie obdachlos sind. Die fallen dann natürlich aus allen Statistiken raus, weil man sie nicht als obdachlos erkennt.

In Frauenhäusern fehlen deutschlandweit aktuell etwa 14.000 Plätze.

Denkst du, dass das der Grund ist, warum es in Bremen kein explizites Angebot für Frauen gibt?

Ja, wenn man sich z.B. Statistiken anguckt, ist der Großteil Männer. Und wenn man einfach das Wort hört, denkt man direkt an Männer. Man sieht ja auch immer nur Männer. Das ist genau das Problem, weswegen dann natürlich viele denken: Okay, es gibt nur Männer, also brauchen wir auch nur Angebote für Männer. Obwohl Frauen leider auch davon betroffen sind.

Momentan gibt es neben „LieLa e.V.“ als Hauptanlaufstellen nur noch die „Fachstelle Wohnen“ sowie das „Frauenzimmer“, wobei letzteres oft sehr ausgelastet ist. Selbst in Frauenhäusern fehlen deutschlandweit aktuell etwa 14.000 Plätze. Wir wollen mittelfristig zumindest einen Abendtreff eröffnen, den „LieLa-Punkt“, wo nachmittags und abends Frauen da sein und sich ein bisschen wie Zuhause fühlen können für den Moment. Das gibt es halt einfach noch nicht, weil da niemand dran denkt.

Du hast den „LieLa-Punkt“ als mittelfristiges Ziel angesprochen. Wie versucht ihr aktuell, den obdachlosen Frauen zu helfen?

Beispielsweise wie jetzt gerade mit so einer direkten Support-Aktion. Wir hatten letztes Jahr im April auch mit „Frieda“ eine Verteilaktion; die sind freitags immer am Cinemaxx. Das hat uns dann den ersten Einblick in die Hilfe gegeben, sodass wir jetzt auch entsprechend den Mut haben, auf Leute zuzugehen. Mit den „Suppenengeln“ haben wir auch schon kooperiert.

Wir haben auch eine Homepage und eine Infoseite, denn noch können wir leider nur weiterverteilen, sodass die Frauen sich bei uns melden und wir verteilen sie dann weiter. Wir hatten das ein mal, dass eine betroffene Frau sich bei uns gemeldet hat und dann bei der Vereinsadresse vor der Tür stand, aber auch, dass wir von den „Suppenengeln“ den Kontakt bekommen haben von einer Frau. So ist das momentan noch. Aber um die Hilfe besser, niedrigschwelliger und weiter verbreitet an die Frauen heranzutragen, brauchen wir eben so einen Punkt – aber das dauert leider noch.

Es wurde so zahlreich gespendet, dass bereits zwei Stunden vor offiziellem Ende keine Spenden mehr entgegen genommen werden konnten.

Ihr habt bei der heutigen Kleiderspendenaktion ja richtig viel gesammelt an Schals, Mützen, Jacken und so weiter. Wie erreichen diese Güter jetzt die obdachlosen Frauen?

Wir haben diesen Freitag eine Aktion mit den Suppenengeln, da wollen wir einen Teil schon mitnehmen. Wir müssen erst mal gucken, was das alles ist und was wir haben, wird dann im Keller von einer von uns eingelagert. Wir werden dann einen Teil davon bei allen Aktionen immer mitnehmen.

Wir sind gerade am Überlegen, ob wir generell auch einfach Verteilstände machen wollen. Aber das bedarf natürlich ganz viel Planung, weil wir alles nur ehrenamtlich machen und jetzt ja auch die Klausurphase ist. Aber es kommt auf jeden Fall an.

Wie finanziert ihr euch denn aktuell überhaupt?

Momentan ganz viel über Fördermitgliedschaften. Eine Fördermitgliedschaft kann auf unserer Homepage ab zwei Euro im Monat abgeschlossen werden. Manchmal kriegen wir auch Einzelspenden, entweder von Einzelpersonen oder Unternehmen. Ansonsten müssen wir uns auf Gelder bewerben, die wir natürlich auch nicht immer kriegen, weil wir noch so jung sind.

Viele von euch sind ja von der Uni und Hochschule Bremen. Gibt es von dort keine Unterstützung?

Teilweise. Wir haben für unsere Jubiläumsfeier letztes Jahr vom AStA die Kosten für die Location bezahlt bekommen. Aber wir leben eben von den erwähnten Fördermitgliedschaften.

Was muss ich tun, wenn ich bei euch aktiv werden möchte?

Zum Einen uns anschreiben, entweder per E-Mail an info@liela.org oder auf unserem Instagram-Account liela.bremen.

Wir haben jeden Mittwoch ein Treffen per Zoom, da einige von uns auch gar nicht in Bremen sind. Ein mal ein kleines Treffen, wo es direkt danach in die AGs geht und jeder arbeitet für sich. Und die Woche darauf immer ein großes Treffen, wo ganz viel geredet und diskutiert wird. Bei den AG-Treffen können dann immer neue Leute mitkommen und in eine AG, die sie interessiert, direkt reinschnuppern.

3 Kommentare
  1. Helga Benjak
    Helga Benjak sagte:

    Es ist eine tolle Leistung, tolle Arbeit, die diese jungen Leute ehrenamtlich vom Verein Liela in Bremen leisten. Anerkennenswert.
    Es wäre schön, wenn sich mehr junge Leute ehrenamtlich einbringen würden, gerade auch für das Projekt für obdachlose Frauen. Das m.E. sehr wichtig ist.
    Ein sehr informatives Interview mit Lena.
    Helga Benjak

    Antworten
    • Sarah
      Sarah sagte:

      Vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Helga.
      Wir hoffen, durch diesen Artikel, mehr Menschen zur ehrenamtlichen Obdachlosenhilfe animieren zu können.
      Liebe Grüße – Sarah von der EULe

      Antworten
  2. Ursula Janik
    Ursula Janik sagte:

    Hi, Lena,
    ich finde euer Projekt megagut! Ist wirklich so, dass man in Berichten über Obdachlose fast nur Männer sieht. Die Beweggründe der Frauen, welche zuhause misshandelt wurden und somit Vertrauen in die Männerwelt verloren haben, sind leicht nachvollziehbar. Etwas an der ganzen Problematik stört mich: Wenn ca. 14.000 (Heim-)plätze für Frauen aus diesem Genre fehlen, ist es doch eindeutig eine Missachtung dieser Frauen seitens unserer Regierung. Für Flüchtlinge und Asylanten ist allerorten Platz und Zuwendung in Form von Unterkunft, Kleidung, Essen etc. gesorgt. Warum nicht für die obdachlosen Frauen? Mit welcherlei Maß wird hier gemessen?
    Für Dich und Deine Mitstreiter jedenfalls alle guten Wünsche für ein Zustandekommen eurer Ziele!

    LG aus dem Münsterland,
    Ulla Janik

    Antworten

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