Das ist ja eine tolle Sammlung von spannenden Ideen geworden und wir von mir nochmal nach in Episode 06 (Ihr persönlicher Innovationsradar) aufgegriffen werden. Jetzt aber zu tagesaktuellen politischen Entwicklungen…
Das Thema 2016 für die Kultusministerkonferenz (KMK; ja, ich weiß, nicht ge-gendert) lautet „Bildung in der digitalen Welt“ – und die Präsidentin der KMK ist dieses Jahr unsere Bremer Senatorin für Kinder und Bildung Dr. Claudia Bogedan.
Auf der Website heißt es „Die Kultusministerkonferenz wird daher im Präsidentschaftsjahr 2016 in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern eine umfassende Strategie zur Bildung in der digitalen Welt entwickeln, die übergreifende Ziele formuliert, Handlungsfelder beinhaltet und konkrete Verfahrensvorschläge macht.“
Das wird nun langsam konkreter, genauer gesagt, nächste Woche in Berlin. Da wird nämlich das Strategiepapier – sie ahnen es schon – „Bildung in der digitalen Welt“ mit Expertinnen und Experten drei Tage lang diskutiert.
Der Prozeß hat allerdings schon früher angefangen, 2012 hat die KMK am 8. März einen Beschluss „Medienbildung in der Schule“ gefasst. Im aktuellen Entwurf des Strategiepapiers heißt es dazu: „…greift die vorliegende Strategie die Erklärung der KMK zur „Medienbildung in der Schule“ von 2012 auf, geht aber deutlich über sie hinaus“. Ehrlich gesagt, glaube ich genau das nicht. Sie ist umfangreicher (7 Textseiten Beschluss vs. 31 Seiten Strategiepapier), aber im Beschluss war ein eindeutiger bildungstheoretischer Bezug zu erkennen, während es im neuen Strategiepapier viel Stärker um Qualifikationen für eine insbesondere berufliche Zukunft geht.
Bisher war das Thema digitale Medien und Medienbildung ja eher so ein „nice to have“ in der Schulpraxis. Im neuen Entwurf (Version 1.0, Stand 27.04.2016) heißt es nun aber:
Das Kompetenzmodell geht über die bisher entwickelten Konzepte zur Medienbildung hinaus und soll – im Bereich der schulischen Allgemeinbildung – als Grundlage für die künftige Überarbeitung von Lehr- und Rahmenplanen der Unterrichtsfächer dienen und damit mittel- bzw. langfristig integraler Bestandteil der Unterrichtsfächer werden. Es hat nicht den Charakter von Empfehlungen, sondern ist mit der länderseitigen Verpflichtung der Implementierung verbunden. Die spezifischen Ausprägungen hingegen werden die Länder autonom entscheiden.“
Klar, Bildung ist im föderalen System der Bundesrepublik Ländersache, da kann man nur sehr vorsichtig rein regieren – auch als KMK.
Dennoch, erstmals soll Medienkompetenzförderung integraler Bestandteil aller Fächer werden. Und auch wenn der Zeithorizont „mittel- bzw. langfristig“ die Alarmglocken für die Unterrichtspraxis schon gleich wieder etwas leiser stellen, wird das Thema Medien also nicht nur von der Seite der SuS sowie der Eltern zukünftig wichtiger, sondern auch aus curricularer Sicht.
Hinzu kommt, dass in der ICILS 2013 (International Computer and Information Literacy Study) nun Schüler/innen aus der achten Klasse bzgl. ihrer computer- und informationsbezogenen Kompetenzen getestet wurden:
- Kompetenzen zur Nutzung von Technologien zur Recherche von Informationen (z. B. im Internet);
- die Fähigkeit, die gefunden Informationen im Hinblick auf ihre Qualität/Nützlichkeit zu bewerten;
- die Kompetenz, durch die Nutzung von Technologien Informationen zu verarbeiten und zu erzeugen;
- die Kompetenz, neue Technologien zur Kommunikation von Informationen zu nutzen;
- Kompetenzen für einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit ICT.
OK, das ist jetzt erstmal weniger, als im Strategiepapier genannt wird oder was die deutsche Medienbildung oder die internationale media education Szene fordert, ist aber ein historischer Schritt, da zum ersten mal empirisch die Medienkompetenz in authentischen Testaufgaben gemessen wurde. Was kam dabei heraus? Unter Leitung von Prof. Dr. Wilfried (TU Dortmund) und Prof. Dr. Birgit Eickelmann (Universität Paderborn) zunächst die ja schon fast beruhigende Nachricht, dass die deutschen SuS im Mittelfeld liegen (Zusammenfassung der Ergebnisse auf der Projektseite, zentrale Ergebnisse für die Presse sowie als detaillierten Bericht). Wie Wilfried Bos allerdings vor ein paar Wochen bei einer Expertenanhörung im Landtag von NRW knapp berichtete, gehören ca. 30% aller deutschen SuS (und 40% ohne Gymnasiasten) zu einer Risikogruppe:
„Diese Schülerinnen und Schüler verfügen lediglich über rudimentäre Fertigkeiten bzw. basale Wissensbestände im kompetenten Umgang mit neuen Technologien und digitalen Informationen. Ein eigenständiger Umgang mit neuen Medien – wie er in der Berufsausbildung vorausgesetzt wird – stellt diese Schülerinnen und Schüler vor erhebliche Herausforderungen.“
Die Ausgangssituation sieht also aktuell so aus, dass das Thema Medien in der Bildung eine erhöhte Aufmerksamkeit gewonnen hat. Wir beschäftigen uns in der aktuellen Episode deshalb, wie man denn nun Medienbildung in ihren Fächern einbaut.
Das neue Strategiepapier der KMK identifiziert sechs Handlungsfelder:
- Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen,
- Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden,
- Infrastruktur und Ausstattung,
- Bildungsmedien, Content,
- E-Government, Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmana- gementsysteme,
- Rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen.
Für uns mit Bezug auf Unterrichtsprozesse im Praxissemester ist besonders das erste Handlungsfeld „Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen“ wichtig, HF3 und 4 könnten auch noch interessant sein: wie wollen wir die Schulen ausgestattet haben und welche Bildungsmedien brauchen wir?
Die KMK schlägt folgendes Kompetenzmodell „Kompetenzen in der digitalen Welt“ vor :
Das nachfolgende Kompetenzmodell beschreibt allgemein alle zu erwerbenden Kompetenzen in der digitalen Welt. Jedes Fach soll seine spezifischen Bezüge dazu in das Curriculum aufnehmen. Dabei wird es auch inhaltliche Schwerpunkte geben, die ein Fach setzen kann, beispielsweise wenn digitale Medien in ihrer gesellschaftli-chen und wirtschaftlichen Bedeutung selbst Thema sind, oder wenn es um Algorithmen als Grundlage digitaler Verarbeitungsprozesse geht.
Das Kompetenzmodell kann daher als Grundstruktur für alle Fächer zugrunde gelegt werden, die spezifischen Ausprägen werden in jedem Fach unterschiedlich sein. In der Gesamtsicht aller Fächer sind dann alle Kompetenzbereiche in den Bildungspro- zessen abgedeckt.
1. Suchen und Verarbeiten
2. Kommunizieren und Kooperieren
3. Produzieren
4. Schützen
5. Problemlösen
6. Analysieren und Reflektieren
Die sechs Bereiche umfassen jeweils Unterpunkte, welche in dem folgenden Dokument (Auszug aus dem Entwurf) nachzulesen sind.
Entwurf_Strategie_Bildung_in_der_digitalen_Welt_Kompetenzmodell_Version_Ende_April_2016
Jetzt kommen wir zu den Aufgaben in dieser Episode, welche bis zum 19. Juni 2016 zu bearbeiten sind.
Aufgabe 1: Auf welchem Kompetenzniveau bzgl. der sechs Bereiche erleben sie die SuS in der von ihnen besuchten Unterrichtspraxis? Wo sehen sie deutliche Lücken? Wo besondere Stärken? Gerne können sie die Aufgabe nutzen, um mit SuS über das Modell zu diskutieren. Welche Aspekte fehlen den SuS? Welche finden sie überflüssig? Was meinen Sie selbst dazu?
Aufgabe 2: Die KMK stellt sich das wie folgt vor: pro Fach werden medienbezogene Weiterentwicklungsperspektiven entwickelt. Genau das machen Sie jetzt bitte. Konkret: sie nehmen sich eines ihrer Fächer (als Differenzierungsaufgabe gerne auch beide Fächer) und formulieren, wie sie aus fachdidaktischer Sicht besonders sinnvoll Medien einsetzen können, um die sechs oben genannten Kompetenzbereiche zu fördern (Nein, sie müssen die Kompetenzbereiche nicht alle bis auf die dritte Gliederungsebene komplett abarbeiten, sondern ihnen besonders wichtige oder geeignete Teilkompetenzen auswählen). Die KMK hat das – wirklich nur angerissen – im aktuellen Entwurf zu MINT, dem (sprachlich-)fremdsprachliche Bereich, dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich und dem musisch-künstlerischen Bereich vorgelegt (ein Schelm, wer denkt, dass die Reihenfolge eine Bedeutung hätte).
Das wäre es für die nächsten 2,5 Wochen. Viele gute Gedanken beim Nachdenken über Kompetenzen in einer digitalen Welt.
P.S.: Ich werde demnächst berichten, was in Berlin diskutiert wurde. Aktuell gibt es noch viele Kritikpunkte am Strategiepapier, insbesondere sind Aspekte einer m.E. notwendigen Medienbildung stark zurückgedrängt worden, was sich auch in dem Kompetenzmodell widerspiegelt.