Bildungschancen für Alle durch digitale Medien? – Digitale Klüfte in digitalen Bildungsräumen und was man dagegen tun kann

  1. Erläutern Sie bitte die unterschiedlichen Strategien zum Umgang mit Heterogenität (Differenzierung, Individualisierung, Personalisierung, Unterstützung sowie kooperatives Lernen) mittels digitaler Medien anhand von konkreten digitalen Beispielen wie z.B. Apps, Programme oder andere digitale Lern– oder Übungsangebote in einem ihrer Fächer. Welche Potentiale erkennen Sie in der Nutzung kommunikativer KI? Was kann die Software ggf. nicht leisten?

Ich studiere Lehramt auf Mathematik und Politik. Im Bereich Politik sehe ich die Chancen zur Nutzung digitaler Medien vor allem darin, dass mittels Programmen wie Menti Brainstormings im Klassenverbund durchgeführt werden können, ohne viel Unterrichtszeit darauf verwenden zu müssen. So können zum Beginn einer Stunde die Ideen der SchülerInnen zu einem neuen, aber auch zu bereits behandelten Themen abgefragt werden. Vertiefend dazu kann die Lehrkraft die Mentis abspeichern und am Ende des Themas noch einmal mit den SchülerInnen durchgehen, um deren Wissensgewinn und die veränderten Vorstellungen bezüglich des Schwerpunkts zu rekapitulieren. Zur Differenzierung des Unterrichts lassen sich Programme wie Bettermarks verwenden. Der Schwerpunkt liegt dabei darauf, den Schülern — je nach Wissensstand gruppiert — unterschiedlich schwere Aufgabenstellungen zu geben, die sie bearbeiten. Im Fach Mathe lässt sich das besonders gut umsetzen, denn die Lösungen lassen sich durch das System selbst auswerten.

Kommunikative KI hingegen lässt sich deutlich besser im Bereich Mathematik verwenden, da Politik stark auf die individuellen Interessen und Meinungen der SchülerInnen ausgerichtet sein sollte, die durch den Einsatz von KI meiner Meinung nach schnell verloren gehen können. In Mathematik hingegen folgt der Unterricht meistens einer klaren Struktur, die Themen sind in jedem Jahrgang identisch und die Lösungen von Aufgaben folgen einem (meist gleichem) Muster. Dementsprechend lässt sich KI hier gut anwenden, um die SchülerInnen individuell beim Lösen der Aufgaben zu unterstützen und so die bestehende Heterogenität im Klassenzimmer zu berücksichtigen (Holmes/Bialik/Fadel 2023: 631). Wie in der Vorlesung gezeigt, lässt sich beispielsweise Khanmigo verwenden, um den Lösungsweg von Aufgabenstellungen schrittweise zu vermitteln und so die Lernenden zur Lösung zu führen. Weiterhin lässt sich mit KI die Individualisierung des Unterrichts vorantreiben, indem Aufgabenstellungen von der KI selbst generiert werden, die auf den ermittelten Wissensstand der Lernenden zugeschnitten sind. Außerdem kann der/die SchülerIn möglicherweise der KI selbst sagen, was ihm/ihr an den gegeben Aufgabenstellungen nicht gefällt oder was sie lieber lernen möchte sodass diese Forderungen direkt umgesetzt werden (Personalisierung). Es sollte allerdings immer darauf geachtet werden, dass der Einsatz von KI nicht dazu führt, dass von den SchülerInnen keine Eigenleistung mehr benötigt wird.

  1. In dem beigefügten Text von Verständig et al zum Zero–Level–Divide wird neben selbstproduzierter „Filterblasen“ der für die Nutzenden nicht transparente Einfluß von Algorithmen auf die Verfasstheit des individuellen Medienangebotes diskutiert. Bezogen auf den Einsatz kommunikativer KI wie z.B. ChatGPT insbesondere im Kontext von individualisierten Lernprozessen diskutieren Sie bitte die folgenden Fragen: Welche negativen Effekte in Bezug auf Bildungszugang könnten sowohl Filterblasen als auch der Zero–Level–Divide haben? Wie kann Schule dem entgegenwirken?

Der Begriff der Filterblasen beschreibt, dass die angezeigten Inhalte von Suchmaschinen auf vorangegangene Suchen des Users zugeschnitten sind. Dadurch kann es dazu kommen, dass man sich bei der Benutzung des Internet in sogenannten „Echo-Kammern“ (Verständig/Klein/Iske 2016: 53) bewegt, die auf die eigene Meinung zugeschnitten sind, wodurch eine plurale Meinungsbildung verhindert wird. Diese Filterung aufgrund vorangegangene Anfragen wird möglicherweise auch bei kommunikativer KI auftreten. Das hätte zur Folge, dass SchülerInnen mit bereits vorhandenem wissenschaftlichen Interesse, die in ihrer Freizeit nicht nur lustige Katzenvideos suchen, auch von beispielsweise Chat-GPT Textausgaben erhalten, die sich im Rahmen Schule besser verwenden lassen. Derartige Mechanismen würden dazu führen, dass die Heterogenität im Klassenzimmer durch den Einsatz kommunikativer KI weiter verstärkt wird. Abseits dieser Filterblasen spielt auch eine Ungleiche Verteilung der angezeigten Inhalte aufgrund des „zero-level-divide“ (Verständig/Klein/Iske 2016: 53) eine Rolle. Dieser beschreibt, dass Systeme abhängig von der IP-Adresse — also vor allem standortabhängig — andere Inhalte anzeigen. So findet bei SchülerInnen abhängig von der (geografischen, damit aber auch meist verbunden: wirtschaftlichen) Lage des Elternhauses eine Differenzierung der Inhalte statt, was abermals zu Ungleichheiten im Klassenverband führt. Auch hier wird sich das Problem ebenfalls beim Einsatz kommunikativer KI zeigen, sollte diese auf ähnliche Personalisierungsmechanismen zurückgreifen.

Zumindest der zero-level-divide lässt sich von Seiten der Schule allerdings vergleichsweise einfach beheben: Mithilfe eines VPNs wird die IP-Adresse des Endgeräts verschleiert und das Bild erzeugt, als würde man von einer anderen Position aus zugreifen. So könnte die Schule allen Lernenden den Zugang zu einem VPN ermöglichen und so die durch den zero-level-divide resultierende Ungleichheit größtenteils beseitigen.

  1. In dem angefügten Text von Wolf & Kulgemeyer werden verschiedene Szenarien des Einsatzes von Erklärvideos im Unterricht dargestellt. Bitte beschäftigen Sie sich in dieser Aufgabe mit dem Szenario 2.3 „Lernen durch Erklären mit Videos“ im Text.

 

  1. Welche didaktischen Potentiale sehen sie für den Umgang mit heterogenen Klassen?

Erklärvideos, die von SchülerInnen selbst in Kleingruppen erstellt werden, sind eine gute Möglichkeit, Fachinhalte zusammen mit medialer Kompetenz zu vermitteln. Zur Umsetzung der Anforderungn müssen sich Lernende intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, um es zu erschließen, aber auch, um Ansätze zu entwickeln, wie sich das Thema grafisch aufbereiten lässt und anschaulich präsentiert werden kann. Durch die Zuteilung verschieden schwerer Themenfelder kann zudem die Heterogenität in der Klasse berücksichtigt werden (Wolf/Kulgemeyer 2021: 479). Gleichzeitig bekommt die Lehrkraft selbst während der Prozessbegleitung eine Idee davon, welche Inhalte von den SchülerInnen bereits während des „klassischen“ Unterrichts gut verstanden wurden und wo weiterhin Lücken bestehen: und kann sich so gegebenenfalls selbst reflektieren und die zukünftige Unterrichtsgestaltung daran anpassen. Nicht zuletzt ist das schauen der Erklärfilme der anderen Gruppen eine Bereicherung für die Lernenden, denn nicht-Expertinnen erklären Inhalte oftmals auf andere Art und Weise, wodurch, wie es Wolf und Kulgemeyer so schön metaphorisch beschreiben, „der Knoten zum Platzen [gebracht]“ (2021: 479) werden kann.

  1. Bitte suchen sie aufYouTube, TikTok oder Instagram dazu zwei oder mehrere Video–Beispiele zu einem konkreten Unterrichtsthema aus einem ihrer Fächer (Mathe, Geschichte, Musik) mit möglichst diversen Autor:innen bzw. Protagonist:innen heraus. Bitte kommentieren Sie, welche Impulse deren Vielfältigkeit für einen Unterricht in heterogenen Klassen bieten. 

Für den Themenbereich Ableitungsfunktionen (oder allgemeiner: Kurvendiskussion) in Mathematik finden sich Videos der Kanäle „Mathe by Daniel Jung“, „Mathe – simpleclub“ und „MathemaTrick“.  Tatsächlich bilden diese drei zusammen die überwiegende Mehrheit, wenn man in YouTube nach dem Stichwort Ableitungsfunktion sucht. Vereinzelt finden sich kleinere Kanäle. Tatsächlich ist die Herangehensweise an die Videos der genannten Kanäle sehr unterschiedlich: Daniel Jung (vom gleichnamigen Kanal) erstellt kurze Videos — selten länger als fünf Minuten — in denen er eine Ableitungsregel, grafisches Ableiten erklärt oder ein Beispiel rechnet, jeweils in unterschiedlichen Videos. Dadurch findet man bei ihm schnell Erklärungen, wenn man konkrete Fragen hat. In seinen Videos verweist er auch auf andere seiner Videos, wenn Inhalte aus bereits bestehenden Erklärvideos anwendet werden. simpleclub hingegen arbeitet mit grafischen Elementen und Humor, um die Inhalte interessant zu gestalten und Interesse bei den ZuschauerInnen zu wecken. Mit einer Länge von durchschnittlich sechs Minuten befinden sie sich im gleichen Rahmen wie die Videos von Jung. Dem gegenüber stehen die Beiträge von Susanne bei MathemaTrick: ihr Video zu den Ableitungsregeln hat eine Länge von über 18 Minuten ist damit deutlich länger. Sie fasst alle Regeln in einem Video zusammen, erklärt diese ausführlich und gibt mehrere Beispiele zu jeder Regel. Damit gibt sie innerhalb eines Videos einen Überblick über alle Regeln — allerdings hat der/die ZuschauerIn dadurch einen erhöhten Aufwand, sollte er/sie nur Informationen zu einer bestimmten Regel gesucht haben. Durch diese unterschiedlichen Herangehensweisen an die Art der Erklärungen können die SchülerInnen selbst entscheiden, welche Art der Informationsvermittlung sie benötigen oder bevorzugen: konkrete Informationen zu einer Regel; motivierende Erklärungen; oder einen Überblick über ein ganzes Thema. Durch die Einbindung dieser Videos in den Unterricht und durch Erlauben des Zugriffs auf selbige während des Unterrichts können sich die Lernenden individuell die benötigte Unterstützung suchen: nicht nur kann man so einer heterogenen Klasse gerechter werden, sondern es schult auch den selbständigen Umgang mit Medien, der durch die KMK festgeschrieben ist.

Quellen:

Holmes, W., Bialik, M. & Fadel, C. (2023) Artificial intelligence in education. In: Data ethics : building trust : how digital technologies can serve humanity. (pp. 621–653). Globethics Publications. DOI: 10.58863/20.500.12424/4273108

Verständig, D., Klein, A. & Iske, S. (2016). Zero–Level Divide: neues Netz und neue Ungleichheiten. https://dspace.ub.uni–siegen.de/handle/ubsi/1197

Wolf, K. D., & Kulgemeyer, C. (2021). Lehren und Lernen mit Erklärvideos im Fachunterricht. In G. Brägger & H.–G. Rolff (Hrsg.), Handbuch Lernen mit digitalen Medien (1. Auflage, S. 474–487). Beltz.

Erklärvideos:

Mathe by Daniel Jung: https://youtu.be/ufoq1zs5mos

Mathe – simpleclub: https://youtu.be/4L9s2GHZCq0

MathemaTrick: https://youtu.be/GtVWdeevZpw


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert