Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene, gerne auch mehr) theoretischen Erkenntnisse (auf allgemeine Konzepte oder empirische Studien aufbauend), die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei Bezug auf:
a.) unterschiedliche fachdidaktische Aspekte. Übertragen Sie, wenn möglich, die in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer.
b.) generelle Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht.
Für mich war von zentraler Bedeutung, zu erkennen, wie wenig das deutsche Schulsystem bisher auf Schüler:innen eingestellt ist, die Familie in anderen Ländern haben oder Deutsch als Fremdsprache lernen müssen. Ich dachte immer, dass schon viel dafür getan wird, auch solche Kinder einzugliedern und dass diese Eingliederung ziemlich gut gelingt. Während der Vorlesung hat sich für mich allerdings immer weiter herauskristallisiert, dass diese Annahme falsch ist und nur darauf beruhte, dass ich in meiner Schullaufbahn nicht mit gegensätzlichen Beispielen konfrontiert war. Während der Ringvorlesung, vor allem im Zuge der Nacharbeitung von Vorlesung 2, ist mir klar geworden, dass Schüler:innen mit Migrationshintergrund in unserem aktuellen Schulsystem benachteiligt sind oder aktiv benachteiligt werden. Am deutlichsten habe ich das für mich anhand der Grafik (Folie 27, RV02) festgestellt, die festhält, dass Schüler:innen mit Migrationshintergrund in Bremen weniger qualifizierende Abschlüsse erlangen. Eine Erklärung für diese Benachteiligung liefern Schroeder und Seukwa, die argumentieren, dass durch die nationalstaatliche Konzeption des Bildungssystems dieses nicht an die Umstände von Schüler:innen aus dem Ausland angepasst ist. So werden nicht-deutsche Schulabschlüsse nur nach eingehender Prüfung und nicht selten gar nicht anerkannt, wodurch die einzelnen Etappen des Bildungssystems häufig nicht ohne Unterbrechung durchlaufen werden können und eine Diskontinuität in den Lebensläufen der Schüler:innen auftritt (Schroeder, Seukwa 2018: 142-143). Gerade dieser Aspekt der (Dis)kontinuität ist ein Konzept, das ich vorher noch nicht gekannt habe und für mich auch die Erkenntnis gebracht hat, dass, wenn schon das System den Schüler:innen nicht in die Hände spielt, ich als Lehrer immer noch einen Einfluss habe und es Migrationskindern in meinen Klassen so leicht es geht machen kann. Allem voran, indem ich auf ihre Wünsche eingehe und sie nicht bloß als Mitglieder einer Klasse, sondern als Individuen behandle.
Weiterhin war für mich die Erkenntnis von Bedeutung, dass Intelligenz und Vorwissen wechselseitigen Einfluss auf erfolgreiches Lernen haben, wie Gruber (2020: 39) meint. Für mich als Lehrkraft der Fächer Mathematik und Politik bedeutet das, dass ich darauf achten muss, nicht nur die Heterogenität einer Klasse in Bezug auf die Intelligenz, sondern auch in Bezug auf die heterogenen Wissensstände bei der Erarbeitung von Unterrichtseinheiten und differenzierenden Aufgabenblättern zu berücksichtigen. Von besonderem Interesse ist dabei für mich als Mathematik, aber gleichzeitig Politiklehrer, dass die Korrelation der Intelligenz in jungen Jahren und den Abschlussnoten je nach Fächergruppe variiert. Darauf möchte ich in meinem späteren Berufsleben achten und nachvollziehen, ob sich diese empirische Untersuchung auch bei meinen Schüler:innen zeigt.
Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen/-strukturen, schulkulturelle Aspekte, Handeln von Lehrkräften), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele reflektieren. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben.
Ich denke, wenn ich auf mein bisheriges Schulleben aus Sicht eines Schülers zurückblicke, dass besonders das Verhalten der Lehrkräfte gegenüber den Schüler:innen entscheidend für eine positive Schullaufbahn ist. Bei mir war es bis zum Abitur hin so, dass meine Lieblingsfächer mit meinen Lieblingslehrer:innen korrelierten und tatsächlich studiere ich jetzt auch die beiden Fächer, die meine Lieblingslehrer in der Abiturphase unterrichtet haben. Ich bin mir dabei bewusst, dass ich durchweg Glück hatte, weil ich ein sehr guter Schüler war, meinen Lehrer:innen immer zu Beginn des Schuljahres zeigen konnte, dass ich alles kann und mich anschließend mehr oder weniger entspannt zurücklehnen konnte. Das ist für mich zwar positiv gewesen, eigentlich aber ein Negativbeispiel dafür, dass Lehrkräfte nach wie vor in Schubladen denken. Denn genauso wie ich mich nach den ersten Monaten im neuen Schuljahr entspannen konnte und trotzdem gute Noten bekommen habe, weil die Lehrer:innen ein gutes Bild von mir hatten (meine Mathematiklehrerin meinte zu mir irgendwann, ich müsse mich nicht mehr melden, sie wüsste ja, dass ich das kann), standen auf der anderen Seite die, die nicht sofort alles erschließen konnten, von Beginn an in die Schublade „schlechter Schüler“ sortiert wurden und dort oftmals trotz hoher Mitarbeit und viel Fleiß steckenblieben. Im Zuge der Ringvorlesung wurde mir diese Ungerechtigkeit noch einmal vor Augen geführt oder erst richtig bewusst, da es vor allem Schüler:innen aus bildungsfernen Familien benachteiligt.
Zu welchen, mindestens zwei, Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.
Das Thema der Inklusion anderssprachiger und anderskultureller Schüler:innen halte ich für ein zentrales, wahrscheinlich das zentralste, da die Frage dieser Inklusion in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Zuge der voranschreitenden Klimakatastrophe immer präsenter werden wird. Außerdem möchte ich nach meinem Studium gerne in Berlin als Lehrer tätig sein, weshalb gerade für mich dieses Themenfeld von besonderer Bedeutung ist.
Weiterhin finde ich die Thematik Vorwissen/Intelligenz und die Frage des Zusammenwirkens besonders spannend, da der Vortrag dazu viele Aspekte von psychologischen Studien auswies und mich diese interessieren, da ich auch erwägt habe, Psychologie zu studieren, aber auch, weil ich es persönlich spannend und wichtig finde, als Lehrkraft zu verstehen, wie die Prozesse des Lernens ablaufen.
Ich habe im Rahmen der Ringvorlesung eine Einheit dazu vermisst, wie die Kommunikation unter den Lehrkräften aussieht beziehungsweise wie diese bestmöglich ablaufen sollte, um die Schüler:innen fächerübergreifend zu unterstützen, um fächerübergreifende Themenfelder zu bearbeiten oder auch nur um im Austausch über die Entwicklung einzelner Schüler:innen zu bleiben. Ich habe es an meiner Schule so wahrgenommen, als würde jede Lehrkraft gewissermaßen nur wissen, wie die Schüler:innen in ihrem Unterricht arbeiten. Ich denke, dass durch den Austausch zwischen Lehrkräften auch das Schubladendenken gelockert werden könnte, weil Leher:innen sich bewusst werden, dass Schüler:innen, die in ihrem Fach schlechte Noten haben, in anderen glänzen.
Literatur
Schroeder, Joachim/Seukwa, Louis Henri (2018): Bildungsbiographien: (Dis-)Kontinuitäten im Übergang, in: von Dewitz, Nora/Terhart, Henrike/Massumi, Mona (Hrsg.): Neuzuwanderung und Bildung, Beltz, Juventa, S. 141-157.
Gruber, H., & Stamouli, E. (2020). Intelligenz und Vorwissen. In E. Wild & J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie. Heidelberg: Springer, S. 27-47.
Schreibe einen Kommentar