1. Faulstich-Wieland wirbt für den Ansatz der “Reflexiven Koedukation”. Dieser Zugang liesse sich sinnführend um den Aspekt des Umganges mit kultureller Heterogenität zu einem Konzept der “reflexiven interkulturellen Koedukation” erweitern. Welche konkreten negativen Wirkungen könnte ein pädagogisches Arbeiten hervorrufen, dass sich bezüglich der hier angesprochenen Heterogenitätsdimensionen nicht diesem (selbst-)reflexiven Prozess stellt?
Unter „reflexiver Koedukation“ wird gemischtgeschlechtlicher Unterricht, sprich eine Chancengleichheit von Jungen und Mädchen in ihrer pädagogischen Schulbildung,verstanden. Schüler und Schülerinnen sollen unabhängig von geschlechtsspezifischen Erwartungen gefordert und gefördert werden. Das ist nur möglich, wenn jeder Schüler unabhängig von seinem Geschlecht wahrgenommen wird. Dazu ist es wichtig, dass die Lehrer einen reflektierten Umgang mit sich selbst und jedem Schüler haben.
Wird dieses Modell der „reflexiven Koedukation“ zur „reflexiven interkulturellen Koedukation“ erweitert, ist es für den Lehrer wichtig nicht nur das Geschlecht bei der Benotung zu ignorieren, sondern auch den kulturellen Hintergrund des Schülers außer Acht zu lassen. Das heißt, dass jeder unter den gleichen Umstanden benotet wird, unabhängig von Geschlecht und Kultur.
Wenn sich Pädagogen diesem selbstreflektierenden Prozess nicht aussetzen, kann es zu einer ungerechten Benotung kommen, die von Vorurteilen geprägt ist und Schüler auf Grund von Geschlecht, Herkunft oder Kultur diskriminiert.
2. Wilfried Bos stellt in der Begleituntersuchung zu IGLU 2003 fest, dass Jungen sich in der Tendenz – im Vergleich mit der weiblichen Gleichaltrigengruppe – signifikant weniger sicher in Schule fühlen, deutlich weniger gerne zur Schule gehen und eindeutig häufiger das Gefühl haben, dass sich die Lehrkräfte nicht/wenig um sie kümmern. Wie erklären Sie sich diese Ergebnisse und wie könnte man diese Situation verbessern?
Dass Jungen sich tendenziell im Gegensatz zu Mädchen in der Schule weniger wohl und unsicherer fühlen, ist ein großes Problem. Nach Wilfried Bos gehen sie weniger gern in den Unterricht und haben das Gefühl schlechter benotet zu werden, als die Mädchen. Meiner Meinung nach liegt das an den geschlechtsspezifischen Vorurteilen, die manche Lehrkräfte haben. Diese besagen zum Beispiel, dass Jungen sich schlechter konzentrieren und an die Schulform anpassen können als Mädchen. Wenn die Lehrkräfte sich dem Prozess der „reflexiven interkulturellen Koedukation“ nicht stellen, werden diese Vorurteile weiter ausgelebt und tragen zur Benotung bei.
Außerdem lag der Schwerpunkt in den letzten Jahrzehnten darauf die Mädchen in die Schulen zu integrieren, hierbei sind die Jungen wohlmöglich etwas aus dem „Blickfeld“ geraten. Es kommt auch noch hinzu, dass es vor allem in der Grundschule kaum Lehrer gibt, an die Jungen sich zum Vorbild nehmen können. Sie müssen sich also genau wie die Mädchen an den Lehrerinnen orientieren und haben deswegen wohlmöglich kaum männliche Vorbilder.
Guten Tag,
ich finde, dass dein Beitrag all das Wichtigste gut zusammenfasst. Ich würde nur noch ergänzen wollen, dass es bei der „Reflexiven Koedukation“ nicht nur um das reine benoten geht, bzw. gehen sollte. Es sollte noch weiter gehen und dazu führen, dass jedes Kind nicht nur eine gerechte und unabhängige Bewertung bekommt, sondern auch dementsprechend behandelt wird. Ich denke ebenfalls, dass es unabdinglich für eine Lehrkraft ist, sich regelmäßig selbst zu reflektieren um eine gerechte Behandlung beibehalten und gewährleisten zu können. Natürlich sind zusätzlich zur regelmäßigen Selbstreflexion, auch noch regelmäßige Besprechung zwischen den Kollegen über jedes einzelne Kind von Nöten.
Auch deinem zweiten Beitrag kann ich zustimmen und will noch einmal betonen wie wichtig ein männliches Vorbild für Jungen im Kindergarten und in der Grundschule ist. So ist es für mich unbegreiflich, dass es gesetzlich verankert ist, dass auf eine Klassenfahrt eine Lehrerin mitfahren muss, es jedoch in Ordnung ist, dass keine männliche Lehrkraft mitfährt. Eine Änderung dieser Gesetzeslage ist für mich unabdinglich. Die Tatsache, dass es immer noch viele Schulen gibt, an denen kein einziger Mann unterrichtet, muss ebenfalls geändert werden. Jeder Schüler sollte in der Grundschule wenigstens einen männlichen Ansprechpartner haben.