Chahd

CHAHD

  • 20 Jahre alt
  • weiblich
  • studiert Psychologie
  • kommt ursprünglich aus Bochum
  • Freizeit: Sport, tanzt gerne und ist kulturell interessiert

Interview:

Ich: [E]rstmal nochmal vielen Dank, dass du das mit mir machst. Wir haben uns ja schon so ein bisschen vorgestellt und ich wollte [dir] jetzt erstmal so ein paar persönliche Fragen stellen, um das später mit in meine Forschung einzubeziehen. Also […] wie identifizierst du dich?

Chahd: Als weiblich.

Okay. […] Und wie alt bist du?

Ich bin 20.

Okay. Dann so eine kleine Frage auch noch dazu. Was sind so deine Hobbys? Was machst du gerne?

Ich treibe gerne Sport, also ich gehe gerne ins Fitnessstudio und ich gehe gerne tanzen. Ansonsten bin ich kulturell interessiert, also ich gehe gerne auf Ausstellungen oder ins Museum, aber auch gerne auf Konzerte.

[…] Wo kommst du her? Also wo hast du vorher gelebt außerhalb von Bremen?

Ich bin Bochumerin eigentlich.

Okay, sehr cool. Und was genau verschleppt dich nach Bremen? Also was waren so die Gründe, um nach Bremen zu gehen?

Das Psychologiestudium ist ja bekanntlich etwas beliebter und ich wurde tatsächlich nur hier für Psychologie angenommen. Meine Schwester hatte erwähnt, dass sie mal in Bremen war und es ganz schön fand. Und für mich war die Hauptsache, dass ich raus aus NRW komme. Genau, deswegen habe ich abgeglichen, wie die NCs so sind und so. Bremen hat da gut reingepasst, war groß genug. Ja, genau.

Okay, sehr cool. Dann, wie lange wohnst du schon im Wohnheim?

Ich wohne jetzt seit zwei Jahren im Wohnheim. Genau.

Und warum genau hast du dich für das Leben im Wohnheim entschieden? Also was hat dich dazu bewogen, genau ins Wohnheim zu gehen? Es gibt ja auch andere Formen des Lebens, z.B. die WG als anderes Beispiel. Was genau waren so die Gründe?

Da gab es mehrere Gründe. Also ich bin gar kein WG-Mensch. Ich brauchte schon das Alleine-Sein. Ich wollte schon komplett eigenständig entscheiden, wie ich meinen Lebensraum gestalten möchte. In dem Sinne auch, dass keine Leute herkommen, die ich nicht da haben möchte. Aber ich möchte dann auch nicht so rücksichtslos gegenüber meinen WG-Partnern sein. Also das war das Hauptmanko an der WG für mich. Und auf der anderen Seite wurde ich auch relativ spät erst [für das Studium] angenommen und war knapp bei Kasse. Und deswegen brauchte ich etwas, was schon Möbel drin hat. Deswegen war ein Wohnheim ganz gut. Aber abseits dessen bin ich auch so ein bisschen ängstlich, sag ich mal. Und ich dachte mir, wenn ich in einem Wohnheim lebe, ist auch irgendwie abgesichert, dass die Gegend mehr oder weniger studentensicher ist. Und dass da auch andere Studentinnen sind, auf die ich aufpassen kann und die auf mich aufpassen. Ich weiß nicht, wie ich das besser ausdrücken soll. Aber wenn man jetzt irgendwo in einem Wohngebiet ist, wo nur Rentner da sind und man keine Kontakte knüpft und sowas, da hält keiner Ausschau nach einem. Und ich dachte im Wohnheim wird das anders sein.

Jetzt hattest du ja schon mal so ein bisschen in dem ganzen Sinne auch deine Erwartungen an das Wohnheim geäußert. Würdest du denn sagen, die haben sich bestätigt oder sagst du eher, ist das ganz anders gelaufen, als du gehofft hattest?

Also ich bin ja jetzt vom einen ins andere Wohnheim gezogen. Bei dem einen, beim ersten, wo du auch lebst, da definitiv. Also ich habe da eine gute Freundesgruppe gefunden bzw. Bekanntengruppe, wo sich darum gesorgt wird, ob ich zuhause angekommen bin. Wenn ich Angst habe, schreibe ich, kannst du mich da und da abholen, dann werde ich abgeholt. Das lief eigentlich ganz gut. Im neuen Wohnheim war das nicht so sozial. Ich weiß nicht, ob es an den anderen lag oder an mir, weil ich hatte ja dann schon meine safe bubble, sag ich mal. Aber hat auf jeden Fall meine Erwartungen getroffen. Daher bin ich sehr zufrieden.

Und als du in das X Wohnheim gezogen bist, warum genau hattest du dich für dieses Wohnheim entschieden? Also was waren da so die Gründe dafür?

Also zum einen konnte ich da relativ schnell einziehen. Es hat sich preislich nicht viel getan zu den Konkurrenten, weil ich wurde nicht vom STW [Studierendenwerk] zeitnah angenommen, sozusagen. Und ich fand um ehrlich zu sein einfach nur nice, dass ich so große Fenster hatte. Das fand ich schon echt wichtig.

Im Allgemeinen, wie bewertest du das Leben im Wohnheim? Also wie ist die Atmosphäre im Wohnheim besonders jetzt vor allem auf das im X bezogen? Aber wenn du magst, kannst du auch über dein jetztiges sprechen.

Im X? Hm, das ist eine gute Frage. Ich fände es schwer, das in einem Wort zu fassen. Also ich glaube, anonym trifft es ganz gut, beziehungsweise am Anfang hat es anonym ganz gut getroffen. Wenn man noch nicht so eng mit anderen Leuten war, hat es eher so gewirkt wie so ein Hotel. Auch wenn ich Freunde aus Bochum da hatte, meinten die es hat irgendwie was von einem Hotel. Aber das gleichzeitig coole daran ist, dass wenn was anstehen würde, also beziehungsweise wenn ich Lust hätte, irgendwie was zu unternehmen, wäre immer irgendwer ansprechbar gewesen, um die Zeit totzuschlagen sozusagen. Ja. Aber auch irgendwie befremdlich. In dem Sinne, dass man halt von jetzt auf gleich auf so nahem Raum miteinander ist und man wahrscheinlich sonst nie was mit diesen Leuten zu tun gehabt hätte, würde man nicht mit denen zusammenleben.

Fühlst du dich denn insgesamt sehr gut aufgehoben? Also in dem Wohnheim, wo du jetzt vorher gewohnt hast, im X, und auch in dem jetzt? Und allgemein, wie würdest du dein Zimmer oder deine Wohnumgebung beschreiben?

Ich fühle mich oder habe mich in beiden Wohnheimen wohlgefühlt. Und mein Zimmer im X war unspektakulär. Also mein jetziges Zimmer ist auch nicht spektakulär. Aber ich würde sagen, so rein vom Innendesign und so Sachen wie Parkett oder Vinylboden und so was. Das macht schon einen Unterschied. Ja, ich würde sagen, mein jetziges Zimmer ist sehr gemütlich. Mein altes Zimmer war eher pragmatisch.

Du hattest jetzt gerade eben auch nochmal diese Anonymität angesprochen und dieses Fremdheitsgefühl, dass man sich eigentlich gar nicht wirklich kennt, aber mit der Zeit hast du ja anscheinend Leute gefunden. Also wie leicht oder schwer war es für dich, neue Freunde zu finden? Und hattest du insgesamt viel Kontakt zu denen, auch in deiner Freizeit?

Ja, also ich würde sagen, die ersten paar Monate waren relativ schwierig. Ich würde sagen bis Dezember oder so was. Ich habe da wen kennengelernt auf der Mensaparty, der voll der Social Butterfly [war und ist]. Und durch den habe ich dann zig andere Leute kennengelernt. Und daraus hat sich dann im Laufe der Monate eine Freundesgruppe herauskristallisiert, mit der ich schon gefühlt jedes Wochenende was unternommen habe. Und auch unter der Woche ab und an mit der einen oder anderen meine Zeit verbracht habe.

Dann so zu deiner Persönlichkeit, zu deinem Charakter. Inwiefern würdest du sagen, hat das Leben im Wohnheim oder hat es überhaupt deine persönliche Entwicklung beeinflusst?

Ich würde sagen, ich bin sehr viel geselliger geworden bzw. ähm auch konträr dazu bin ich […] klarer in meinen Grenzen geworden. Also es widerspricht sich zwar so ein bisschen, aber dadurch, dass man so viele Leute kennengelernt hat und dann auch mit vielen Leuten verschiedene Interessen teilt, war es möglich, verschiedene Aspekte des Lebens gemeinsam zu teilen. Auf der anderen Seite hat man genauso viele Leute getroffen, mit denen man nichts zu tun haben möchte bzw. wo man halt ein Nein deutlicher machen musste. Und ich würde sagen, seit der Wohnheim Zeit bin ich da ein bisschen geübter drin. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich jetzt auch eigenständig lebe das erste Mal. So, ich würde auch, also klingt ein bisschen banal, aber ich bin viel mehr jetzt in so einer Partyschiene [gelandet], also gerade im X damals noch, jetzt nicht mehr so. Und ja, beantwortet das die Frage?

Ja, auf jeden Fall. Hast du sehr [interessant beschrieben] finde ich. Also würdest du auch sagen, du hast neue Fertigkeiten oder Perspektiven durch diese Erfahrung gewonnen? Das hattest du jetzt ja auch schon so ein bisschen angesprochen.

Ja, ja, ich würde sagen schon. Also Fertigkeiten, eben klarere Kommunikation, aber auch halt das, was eigenständiges Leben mit sich bringt. Ich glaube, in jedem Lebenskontext. Ja, und Perspektiven. Mir war das vorher schon klar, mein Lieblingsbuch ist auch „Nichts ist stetig außer der Wandel“, aber das ist, also wenn jedes halbe Jahr so viele Leute ausziehen und einziehen und man merkt, wie austauschbar man ist, wie austauschbar auch das Umfeld ist, wenn jemand wegzieht und man nicht den Kontakt halten [kann], […] das ist schon sehr deutlich geworden, dass man eigentlich nichts so wirklich ernst nehmen muss und dass man auch an sich mit jedem klarkommt, wenn man nur genug Zeit miteinander verbringt.

Du hattest ja gerade eben auch schon davon gesprochen, dass man manchen Leuten einfach lieber aus dem Weg geht. Mit manchen ist man gut befreundet, mit anderen eher nicht. Und das merkt man ja auch manchmal relativ schnell. Je nach Typ. Hast du denn irgendwelche Herausforderungen im Wohnheim erlebt, also in der Zeit, wo du jetzt da gelebt hast und auch jetzt noch lebst? Und wie bist du damit umgegangen? Also irgendwelche Konflikte, die es gab, musst auch nicht im Detail beschreiben, sondern einfach allgemein. Gab es da was?

Ja, es hat sich über zwei Jahre ein bisschen was angesammelt. Aber nichts davon war wirklich dramatisch. Da war eine Person. Also eine Freundin, die aber so ein bisschen… im Endeffekt hatten wir verschiedene Kommunikationsebenen und [sie] war ehrgeiziger, die Sachen im Detail zu besprechen als ich. Das hat hier und da für Konflikte gesorgt. Dann durch diese Freundesgruppe, die sich dann entwickelt hatte, kamen auch Leute, die tatsächlich nicht im Wohnheim lebten dazu, wo eine halt für mich sehr nervenaufreibend war, aber weil wir diese Gruppe waren und die mein Hauptbezugsfeld in dem Zeitpunkt waren, war das für mich dann auch schwierig zu entscheiden. Möchte ich sie jetzt sehen oder meide ich sie und verbringe dafür das Wochenende mehr oder weniger alleine? Und dann gab es schon die eine oder andere Männergeschichte, sag ich mal, wo ich mir dachte: In welcher Welt denkst du, dass du so eine Frau rumkriegst? Also es ist anonym, aber im Endeffekt kann jeder unten lesen, in welchem Zimmer du wohnst und da permanent anklopfen. Und nach dem tausendsten Mal wieder anklopfen, mitten in der Nacht. Ja, bitte lasst mich einfach in Ruhe. Das ist mir mindestens zweimal passiert und das fand ich sehr anstrengend. Vielleicht suche ich auch deswegen im neuen Wohnheim keine neuen Kontakte.

[D]u hast jetzt ja in den letzten zwei Jahren, in denen du schon im Wohnheim wohnst, einen Umzug vorgenommen. Was genau waren denn die Gründe dafür? […]

Also der Hauptgrund war auf jeden Fall das finanzielle. Mir war klar, dass eine Mieterhöhung ansteht […]. Das war mir einfach zu viel preisleistungstechnisch. Daher wollte ich umziehen, hauptsächlich für mein Geld. Aber auch irgendwann hat sich das Ganze hochgekocht mit dieser Freundesgruppe und mit diesem: wenn du mal absagst, weil du keine Lust hast und die Leute sehen, dass du in deinem Zimmer einfach nur chillst, weil die halt in dein Zimmer gucken können. [Und dann folgt] Ich weiß, dass du da bist, komm doch runter, komm doch runter, anrufen, klopfen. Das war mir dann auch irgendwann zu anstrengend. Also ich weiß, dass es hauptsächlich liebevoll gemeint war, aber man kommt schon in eine Rechtfertigungsposition.

Und dann jetzt fast schon abschließend […] zum Konstrukt Wohnheim. Was würdest du jemandem raten, der in Zukunft ins Wohnheim ziehen möchte?

Die Zeit zu genießen, weil ich glaube schon, dass das eine einmalige Erfahrung ist, die man so woanders nicht noch mal kriegt. Vor allem nicht über so einen kleinen Zeitraum, aber auch sich nicht mitreißen lassen von Gruppenzwängen oder ja, vor allem auch Privatsphäre privat halten. Ja, ich glaube, das wäre es eigentlich. Ach so, und. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Ich weiß nicht, ob das ans Wohnheim gebunden ist oder nicht, aber nicht zu nett sein von Anfang an. Es ist ja für alles so. Kann man auf alles übertragen. Ich glaube, gerade im Wohnheim denken Leute, denken Männer, dass das irgendwie eine Möglichkeit für sie eröffnet, die für viele Freundinnen und für mich nicht so angesehen worden sind.

Okay, dann jetzt noch zwei abschließende Fragen. Ich hatte ja schon anfangs die Anonymität angesprochen und du ja auch. Und genau darum [soll es sich auch in Teilen bei] meiner [Forschung] drehen. Was würdest du sagen, was unterscheidet uns im Wohnheim Wohnende alle voneinander? Was verbindet uns vielleicht auch?

Also was uns verbindet? Die Frage hatte ich letztens mit einem Kumpel aus dem X tatsächlich. An sich nichts, außer dass wir alleine sind in dem Sinne, dass wir… Es zieht ja kaum jemand aus Bremen in ein Wohnheim in Bremen. Und der Großteil von uns kommt halt von außerhalb und hat gar keinen Anschluss hier. Also so ist das zumindest in der Freundesgruppe, die sich für mich herauskristallisiert hat. Sonst haben wir, glaube ich, gar keine Gemeinsamkeiten, außer eben das Alleinsein und das Nicht-Allein-Sein-Wollen. Ja. Gemeinsamkeiten waren das. Unterschiede, alles andere eben. Unsere Interessen, unsere… Obwohl unsere Werte sind auch sehr ähnlich, also weitestgehend. Ja, aber unsere Interessen, unser Lifestyle ist sehr unterschiedlich, würde ich sagen. Auch was wir studieren und unser Arbeitspensum ist auch sehr unterschiedlich.

Okay, also das wäre es tatsächlich von meiner Seite auch schon. Vielen Dank!