Exzerpt zum Text „Gegen Kultur schreiben“ von Lila Abu-Lughod (1996) (Studienleistung)

Fachbereich 09 – Kulturwissenschaften
WiSe 2021/22
Tutorin: Hannah-Sophie Eylers
Hybrid Tutorium zu „Einführung in die Ethnologie“ (Oberg)
09-50-M1-T1
Meyer, Jessica
Matrikelnummer: 4458439
E-Mail: meyerje@uni-bremen.de

 

 

Exzerpt zum Text „Gegen Kultur schreiben“ – von Lila Abu-Lughod:

 

Der Artikel von Lila Abu-Lughod „Gegen Kultur schreiben“ erschien 1996 im Sammelband „Wechselnde Blicke. Frauenforschung in internationaler Perspektive. Opladen, S. 14-46.“ (In: Ilse Lentz/Herausgeberin Andrea Germer).

 

Zur Autorin: Lila Abu-Lughod ist eine palästinensisch-amerikanische Anthropologin. Momentan ist sie Professorin für Sozialwissenschaften am Institut für Anthropologie der Columbia University in New York City und ist spezialisiert auf ethnografische Forschung in der arabischen Welt.

 

Lila Abu Lughod kritisiert den bisherigen  Kulturbegriff in der Kulturanthropologie in ihrem Beitrag, da er so wie ihn James Clifford und George E. Marcus in ihrem 1986 veröffentlichtem Sammelband „Kultur schreiben“ beschreiben ihrer Ansicht nach die Personengruppen der FeministInnen und der „halfies“ ausgegrenzt werden. Als „halfies“ definiert sie „Personen, deren nationale oder kulturelle Identität aufgrund von Migration, Erziehung im Ausland oder ihrer Abstammung gemischt ist“ (S. 14).

Abu-Lughod schreibt, dass sie zeigen möchte das Kultur im bisherigen anthropologischen Diskurs zu Abgrenzungen führt und hierarchischen Strukturen herbeiführt. Deshalb ruft sie AnthropologInnen jetzt dazu auf,  gegen Kultur zu schreiben (S. 14-15).

 

Selbst und andere/Kultur und Differenz:

Abu-Lughod geht in diesen Abschnitten auf die Schwierigkeiten und Probleme ein die das bisherige Verständnis des Kulturbegriffs ihrer Meinung nach mit sich bringen, „könnte er jetzt zu etwas geworden sein, dem AnthropologInnen in ihren Theorien, ihrer ethnografischen Praxis und in ihrem ethnografischen Schreiben entgegen arbeiten sollten“ (S. 15).

Ein Beispiel das Abu-Lughod nutzt um diese Problematik zu beschreiben ist die

Beziehung die FeministInnen und „halfies“ AnthropologInnen zu sich selbst haben, so schreibt sie zum Beispiel: „Der interessantere Aspekt der Lage der Feministin ist freilich, was sie mit dem halfie gemeinsam hat: ihre Fähigkeit, das Selbst der Anthropologie in aller Ruhe anzunehmen ist blockiert. Für beide ist, wenn auch auf unterschiedliche Weise, das Selbst gespalten, gefangen an der Schnittstelle zwischen Systemen der Differenz“ (S.18).

Das beschreibt für sie das Problem der Macht der Unterscheidung zwischen Selbst und dem anderen.

Weiter schreibt sie, dass die Dilemmata der „halfies“ noch gravierender sind, da sie meist für die anthropologische Fachwelt schreiben würden, da sie aber nicht westlichen Gemeinschaften in Verbindung gebracht würden sie auch von Mitgliedern dieser Gemeinschaften kritisiert.

Weiter schreibt sie das sie sich beim Sprechen ihrer Aussagen sehr bewusst seien, da sie immer auch automatisch das andere darstellen, deshalb seien sie immer gezwungen sich besonders gründlich mit Ethik und Politik auseinanderzusetzen, weil sie immer zwischen der Rolle des „Sprechers als“ und des „Sprechers über“ wechseln würden.

Außerdem zieht sie einen Vergleich zwischen Kultur und „Rasse“ (die „Rasse“ sei ein Vorgänger des Konzepts der Kultur) (S. 22).

Man könne laut Abu-Lughod auch behaupten Kultur sei für die Anthropologie wichtig, da die anthropologische Unterscheidung zwischen Selbst und Anderem darauf beruhe. Kultur sei das entscheidende Instrument zur Herstellung des anderen (S.21). Auch schreibt sie, viele würden jetzt die Sorge äußern, dass der Kulturbegriff dazu tendieren würde Differenzen festzuschreiben (S. 24).

 

Diskurs und Praxis/Verbindungen/Ethnografien des Partikularen:

In diesen Abschnitten beschreibt Abu Lughod drei Strategien, die in ihren Augen geeignet sind um gegen Kultur zu schreiben.

Die erste Strategie beschäftigt sich mit dem Diskurs und der Praxis.

Die Herkunft und Bedeutung des Begriffs des Diskurses beruht auf Vorstellungen von Foucault und Bourdieu. Er soll den Unterschied zwischen

Theorie und Praxis verdeutlichen.

Die Begriffe der Praxis und des Diskurses seien nützlich, weil sie der Annahme der Gebundenheit entgegenwirken (S.26-27).

 

Verbindungen:

Diese zweite Strategie besteht darin, neue Ansatzpunkte für die Gebiete und

die Problemfelder zu finden mit denen sich die Anthropologie befasse (S.27).

Außerdem ist laut Abu-Lughod das Einbeziehen des Zusammenspiels zwischen

Gegenwart und Vergangenheit wichtig, da dies wichtig für einige Entwicklungen sei (S.28).

 

Ethnografien des Partikularen:

Bei ihrer dritten Strategie beschreibt Abu-Lughod wie wichtig es ist, Generalisierungen kritisch zu betrachten, da diese Teil einer Sprache der Macht seien, aber gleichzeitig nicht wirklich auf das eingehen was sie beschreiben (S.30).Da der bisherige benutzte Diskurs ihrer Meinung nach hierarchische Unterscheidungen zwischen „ihnen und den Anthropologischen Anderen“ noch verstärkt (S.S. 32), schlägt Abu-Lughod vor, „mit narrativen Ethnografien des Partikularen zu experimentieren, die auf der Feldforschung aufbauen“ (S.33).

 

Taktischer Humanismus?

Im letzten Abschnitt ihres Artikels schreibt sie, dass die Strategie der Ethnografien des Partikularen für sie am besten geeignet ist um gegen Kultur zu

Schreiben, da sie die Ähnlichkeiten in unser aller Lebensumständen zum Vorschein bringt (S. 38).

Sie will mit ihrer Kritik an der Anthropologie auch dazu anregen zu hinterfragen

Worüber und für wen wir schreiben (S.38).

Auch schreibt sie, dass es gute Gründe gibt um den Humanismus zu hinterfragen, stellt aber fest das der „Humanismus im Westen weiterhin die

Sprache der menschlichen Gleichheit mit der größten moralischen Kraft ist“

Könne man ihn noch nicht aufgeben (S.39).

Das bezeichnet sie als „taktischen Humanismus“.

 

Diskussionsfragen:

 

1: Inwiefern ist Abu-Lughods Kritik an der Anthropologie 30 Jahre nach dem erstmaligem Erscheinen des Artikels heutzutage noch relevant? Wurden ihre Lösungsvorschlage in der Forschung angewandt?

 

  1. Wie lassen sich Hierarchien und Machtstrukturen zwischen den Personengruppen verringern oder ganz auflösen und wie kann in Zukunft

vielleicht sogar ihre Entstehung verhindert werden?

 

3: Inwieweit ist es hinnehmbar, dass Studien über Personengruppen wie die

„halfies“ von Personengruppen durchgeführt werden, die deren kulturelle Hintergründe und Perspektiven gar nicht nachvollziehen können, da sie einen

Ganz anderen Hintergrund/Herkunft haben?