Der Drehorgelspieler (Blogeintrag 2)

Es handelt sich um eine handbemalte Gipsfigur, welche aus

einer Schablone angefertigt wurde und im Innenraum hohl ist.

Das Objekt ist eine 25 cm große und 10 cm breite Zierfigur und ist vermutlich handwerklich angefertigt worden. Solche Zierfiguren haben keine Nutzfunktion sondern dienen lediglich dazu, sich an ihnen zu erfreuen. Besonders ältere Menschen stellten sich diese gerne zur Dekoration auf die Fensterbank oder auf den Tisch.

Die Figur stellt einen Gaukler dar, welcher eine Bauchdrehorgel bedient und ein Kapuzineräffchen auf der rechten Schulter trägt. Die Darstellung erinnert an einen Gaukler mit lebendem Kapuzineräffchen, welche zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf Schauplätzen Musik machten. Das Äffchen des Gauklers hält einen kleinen Zylinder unter seinem Arm. Dieser diente dazu das verdiente Geld des Gauklers vom Publikum einzusammeln.

Die Farbe, mit der die Gipsfigur bemalt wurde, ist wasserlöslich und matt. Die Oberfläche vom Gips ist glatt. Die Figur ist leicht, fühlt sich kühl an und weist keine Gebrauchsspuren auf. Gipsfiguren wurden in den 70er Jahren gerne als Bastelarbeit von Kindern und Erwachsenen bemalt. Der Farbauftrag weist mit seinen nicht professionellen und unsauberen Konturen auf solch eine Arbeit aus dem privaten Hobbybereich hin.

Der Gaukler trägt eine Kluft, wie sie im 18. Jahrhundert von vielen Schaustellern getragen wurde. Er trägt eine braune Hose und schwarze Schuhe. Unter einer rot bemalten Jacke mit langen weiten Ärmeln kommt ein weiß bemaltes Hemd mit auffälligen Rüschenkragen zum Vorschein. Das Gesicht ist hautfarben bemalt mit knallroten Lippen und braunen Augen. Der Mund ist zur Sprache oder zum Gesang geöffnet dargestellt. Unter einer langen blauen Zipfelmütze schaut ein kastanienbraun bemalter Haaransatz hervor. Die Bauchdrehorgel hängt mit einem Schultergurt befestigt vor dem Bauch des Mannes. Die hellbraun bemalte Farbe der Bauchorgel soll an Holz erinnern, aus dem Drehorgeln früher meist gefertigt wurden.

Das Äffchen auf der rechten Schulter der Figur ist im Gesicht und an den Händen dunkelbraun bemalt, was die Fellfarbe darstellen soll. Es ist menschlich bekleidet mit einem Anzugjäckchen dargestellt, welches über eine doppelte Knopfleiste in gelber Farbe verfügt. Mit seiner verstärkten Schulterpartie und den gelben Knöpfen soll die bemalte Kleidung des Äffchens an eine Uniform mit goldfarbenen Knöpfen erinnern. Auf dem Kopf trägt der Affe ein rotes Käppchen mit einem gelben Bommel. Augen, Nase und Mund sind schwarzbraun bemalt, angelehnt an das Gesicht eines lebenden Affens.

Wem könnte diese Zierfigur gehört haben? Für ein Objekt, dass an eine historische Szene aus dem 18 Jahrhundert erinnert, interessieren sich meist Sammler und alte Leute da man meist eine Verbindung benötigt um Interesse zu wecken. Im Zirkus und auf nostalgischen Schauplätzen wurden auch nach Beginn des 18. Jahrhunderts und bis in die heutige Zeit, die ehemaligen Gaukler immer wieder mit Livemusik und Plüschäffchen nachgeahmt.

Ich stelle mir vor, dass diese Figur einem älteren Herrn oder Dame gehörte, welche sich als Kind gerne an Zirkusbesuchen und Jahrmärkten erfreute. Das Zierobjekt stand vielleicht auf einer Fensterbank im Wohnzimmer oder in einer Bibliothek und erinnerte an nostalgische Zeiten. Die Figur lädt dazu ein, sich an die Zeit der Drehorgeln zu erinnern. Dementsprechend könnte der Besitzer auch musikalisch interessiert gewesen sein. Möglich ist, das weitere bemalte Gipsfiguren aus dieser Serie als Publikum dienten und den Besitzer erfreuten. Auch erfüllen selbstgefertigte Handarbeiten den Besitzer mit Freude und stolz seines Geschicks und werden deshalb gerne in der eigenen Wohnung ausgestellt. Die handbemalte Gipsfigur, nennen wir sie ,,Johann der Gaukler´´, war sicherlich eine schöne Erinnerung für seinen Besitzer.

Lucian Lengemann

Ein Gedanke zu „Der Drehorgelspieler (Blogeintrag 2)

  1. Hey Lucian !

    Das war meiner Meinung nach echt eine sehr gut gelungene Objektbeschreibung von dir! Ich meine, wer hätte gedacht dass man inhaltlich doch so viel aus einer vermeintlich einfachen „Gipsfigur“ herauskriegen könnte haha. Besonders gelungen finde ich hier, dass du dich auch auf den historischen Kontext bezogen und diesen weitestgehend eingeordnet hast. Auch der Ausblick einer „Interpretation“ am Ende, hat mir noch einmal ein anderes Bild über das ganze geliefert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert