Das „Othering“ als Gefahr begegnungspädagogischer Konzepte (Religionspädagogik)

Begegnungspädagogische Ansätze versuchen Vorurteile und Hass dadurch zu bekämpfen, indem ein geschützter Raum geschaffen wird, in welchem, sich Vertreter jeweiliger Gruppen „begegnen“ können. Im Kontext der Religionspädagogik wären dies Vertreter der Weltreligionen. Die Hoffnung der Begegnungspädagogik ist dabei, dass die SuS durch die Begegnung mit realen Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen mehr Verständnis und Anerkennung für diese Personen und deren Bekenntnisse erlernen.

Dieser Ansatz ist insoweit problematisch, als die jeweiligen Vertreter niemals die gesamte Komplexität und Diversität einer Weltreligion abbilden können. Vielmehr ist jeder Mensch einzigartig und bildet daher auch eine individuelle Ausprägung der jeweiligen Religion ab. Das menschliche Gehirn ist kaum in der Lage diese Komplexität und Diversität zu durchdringen, weshalb Generalisierungen und Gruppendenken unverzichtbar geworden sind. Dieser Prozess der Generalisierung und der Einteilung der Welt in eigene und fremde Gruppen wird „Othering“ genannt.

Nun besteht die Gefahr natürlich darin, dass die SuS jene Vertreter einer Religion, denen sie im geschützten Raum begegnen, als repräsentativ für eine gesamte Gruppe verstehen. So werden dann die religösen Haltungen und Auffassungen, die der „Vertreter“ einer Religion in der Begegnung vertritt oft auf alle Mitglieder derselben Religion übertragen.

Gerne gebe ich hierfür ein Beispiel:

In der Klasse 8b der Oberschule Habenhausen sind Ali und Hassan (Namen geändert) Muslime. In der Diskussion über Frauenrechte tragen sie vor:

„Im Islam hat die Frau dem Mann zu dienen. Sie muss die Kinder erziehen und den Haushalt schmeißen. Der Mann bestimmt über alle wichtigen Entscheidungen. Das ist Gottes Wille“.

Säkulare und christliche SuS entgegnen dem: „Das ist ja total rückständig“. „So eine Mittelalterreligion“. „Wie könnt ihr so einen Stuss glauben“? etc.

Meines Erachtens zeigt diese Situation sehr gut die Problematik des begegnungspädagogischen Ansatzes auf: Ali und Hassan werden als repräsentativ für „den Islam“ wahrgenommen, obwohl die Wirklichkeit der Glaubensauslegungen im „Islam“ extrem differenziert ist. Das Frauenbild Ali’s und Hassan’s entspricht beispielsweise eher wahabistischen/traditionalistischen Glaubensauslegungen. Alevitische Muslime etwa würden diesem Bild in der Mehrzahl wohl wiedersprechen.  Ali und Hassan können unmöglich die verschiedensten kulturellen und konfessionellen Strömungen der islamischen Welt abbilden. Den SuS wird dennoch durch die Äußerungen der beiden ein „Bild vom Islam“ vorgesetzt, was diese notwendigerweise (s.o.) auf die Gruppe der Muslime übertragen, sollte nicht an dieser Stelle nicht interveniert werden.

Daher halte ich es für die Aufgabe der/s Religionspädagogen/in stetig daran zu Erinnern, dass Religionen komplexe Phenomene sind, und Generalisierungen notwendigerweise unpräzise. Auch wen z.B. Ali und Hassan ihren Glauben in diesem Fall frauenfeindlich auslegen, kann dies nicht automatisch bedeuten, dass auch alle anderen Muslime frauenfeindlich sind.

 

Maßnahmen im Umgang mit Heterogenität anhand des Vergleichsmodells charakterisiert

Während meiner Praktikumszeit (Praxisorientierte Elemente) an der Oberschule Habenhausen habe ich verschiedenste Maßnahmen in Bezug zum Umgang mit Heterogenität angetroffen. Ich möchte an dieser Stelle drei davon beispielhaft darstellen:

  1. In (fast) allen Klassenräumen der Oberschule sind Plakate anzufinden, in denen die SuS ihr Selbstverständnis als Klassenverband und gemeinsame Regeln zum Umgang miteinander festgehalten haben. Die Hauptaussage dieser Plakate lässt sich grob in etwa so zusammenfassen: “ Wir sind alle sehr verschieden (Glaube, Hautfarbe, Nationalität), aber wir respektieren einander so, wie wir sind“ (gefolgt von den jeweiligen Regeln, z.B. „Ausreden lassen“ „keine Beleidigungen“ „keine Gewalt“ etc.)  –  Diese Maßnahme würde ich der sog. „Interkulturellen Pädagogik“ zuordnen. Den SuS wird bei der Erstellung  des Posters bewusst gemacht, dass die Vielfältigkeit an sich überhaupt kein Problem darstellt. Stattdessen wird individuelles Verhalten problematisiert. So werden die SuS in ihrer Vielfalt ernst genommen und gleichzeitig zur Anerkennung der Verschiedenheit ihrer Mitschüler erzogen.
  2. In der Oberschule gab es sogenannte „Willkommensklassen“ in denen geflüchtete SuS seperat von den „Regelschülern“ unterrichtet wurden. Der Hauptfokus lag dabei bei der raschen Erlernung der deutschen Sprache. Nach und nach wurden einzelne SuS, die ein gewisses Sprachniveau erreicht hatten, in die regulären Klassenverbände aufgenommen. Diesen Ansatz würde ich der sog. „Ausländerpädagogik“ zuordnen. Das zu überwindende Defizit der ausländischen SuS wäre hier dann die schwache Kenntnis der deutschen Sprache. Durch die Sondermaßnahme soll dieses Defizit aufgehoben werden, damit eine (mit Blick auf die deutsche Sprache) homogenere Lerngruppe entstehen kann. Zwar haben die geflüchteten SuS noch längst nicht dasselbe Sprachniveau erreicht wie ihre Mitschüler, wenn sie in den regulären Unterricht aufgenommen werden, sie haben jedoch meist ein Niveau erreicht, das sie in die Lage versetzt dem Unterricht in groben Zügen zu folgen und sich mit ihren deutschsprachigen Mitschülern rudimentär zu verständigen.
  3. Die Oberschule Habenhausen nimmt am Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ teil. Ziel dieses Projekts ist es, rassistische Diskrimmierungen aktiv zu bekämpfen und SuS in die Lage zu versetzen sich solchen Taten und Worten offen entgegenzustellen. Damit ist dieses Projekt klar der antirassistischen Pädagogik zuzuordnen.

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