Treue

Posted in Die Feder on Dezember 15th, 2011 by

Du hattest einen langen Tag im Büro, einen wirklich langen Tag. Endlich kannst du das Gebäude verlassen und dich auf den Heimweg machen. In Gedanken bist du schon längst bei deiner Familie. Was sie wohl gerade tun? Noch einen letzten stummen Gruß an den Pförtner, dann bist du auch schon zur Tür hinaus und betrittst den Parkplatz. Noch ein paar Schritte und du sitzt in deinem Wagen. Dann nur noch eine halbe Stunde, vielleicht auch weniger um diese Zeit, und du bist zu Hause. Wieso musste ausgerechnet heute das Meeting so lange dauern, dass du danach deine reguläre Arbeit nicht rechtzeitig fertig bekommen konntest? Vielleicht tust du einfach zu viel für deine Firma. Du solltest viel mehr Zeit mit deiner Frau und deinen Kindern verbringen. Es ist ja auch bald wieder Wochenende, mal sehen, was ihr zusammen unternehmen könnt. Du hast deinen Wagen fast erreicht, besonders viele Autos stehen um diese Zeit nicht mehr auf dem Parkplatz. Da tritt plötzlich ein Mann im Anzug auf dich zu.

Du weißt nicht, woher er so plötzlich aufgetaucht ist. Aber was dich wirklich wundert ist, du kennst ihn. Ja du erkennst ihn. Wirklich sicher bist du dir nicht, aber dieses Gesicht würdest du nie vergessen. Der Mann steht vor dir und beginnt, noch bevor du irgendwas sagen kannst, seinen rechten Hemdärmel aufzuknöpfen und seinen Unterarm zu entblößen. Du wunderst dich ziemlich. Wieso macht dieser Kerl das und vor allem, woher kennst du ihn? Du bist dir einfach nicht sicher. Dann streckt er dir seinen Unterarm entgegen und du entdeckst es – nein anders, du weißt bereits, dass es da ist, noch bevor du es sieht, aber woher – das Mal! Er trägt es, genau da wo er es tragen sollte. Dir ist sofort bewusst, was er von dir will. Ja du wirst es tun, es erlaubt keine wie auch immer anders geartete Entscheidung. Der Mann reicht dir – immer noch wortlos – eine Visitenkarte von einem kleinen Hotel in der Nähe der Stadt, krempelt seinen Ärmel wieder runter und verlässt dich mit einem kurzen Nicken. Du steigst in deinen Wagen, fährst heim und weißt genau, was du zu tun hast.

Als du zu Hause ankommst, fährst du deinen Wagen in die Garage – ein letztes Mal – und schließt deine Frau und deine Kinder in deine Arme – ein letztes Mal. Du setzt dich mit deiner Familie an den Esstisch, wo sie extra heute auf dich gewartet haben und isst mit ihnen gemeinsam zu Abend – ein letztes Mal. Danach bringst du deine Kinder ins Bett und gibst ihnen einen gute Nachtkuss – ein letztes Mal. Während sich deine Frau sich im Bad fertig macht, packst du ein paar Sachen zusammen, die du brauchen wirst. Anschließend lügst du deine Frau eine letztes mal an, dass du nur noch rasch ein paar Kleinigkeiten im Wohnzimmer erledigen willst. Du gibst ihr einen letzten Kuss und verlässt das Haus – ein letztes Mal. Mit deinem Wagen geht es dann aus der Stadt hinaus und du denkst ein letztes Mal an deine Familie, die du zurück gelassen hast. Aber dann sind deine Gedanken voll auf die Zukunft gerichtet. Du weißt, was von dir verlangt wird und du wirst es erfüllen. Du wirst den Schwur nicht brechen, den du vor einer Ewigkeit abgelegt hast und nichts und niemand wird dich daran hindern. Es ist egal, wohin dich diese Zukunft führen wird, aber du wirst von deinem Weg nicht weichen!

Der Sturm

Posted in Die Feder on Dezember 2nd, 2011 by

Du stehst ganz allein auf dem Deich der einsamen Hallig und lässt deinen Blick im Licht der untergehenden Sonne über das Meer schweifen. Am Horizont siehst du eine dunkle Wolkenfront bedrohlich auf die Küste zu kommen. Die Luft ist so erfüllt von Salz, dass es sich auf deiner Haut absetzt und du es regelrecht riechen kannst. Deine Zunge schmeckt das Salz auf deinen Lippen. Deine Ohren hören die Wellen gleichmäßig gegen das Ufer branden.

Der Wind frischt etwas auf und weht die salzige Luft weiter landeinwärts. Die schwarze Wand am Horizont kommt immer näher auf dich zu. Das Meer ist aufgewühlt und die Wellen werden mit zunehmendem Wind immer stärker, wie sie immer und immer wieder gegen den Deich branden, auf dem du noch immer ausharrst. Das Wasser steigt immer höher und mit jeder erneuten Brandungswelle kommt das Wasser der Deichkuppe und damit dir selbst immer näher. Schon trifft eine besonders große Welle den Deich und das Wasser spritzt dir ins Gesicht. Du spürst das salzige Wasser deine Haut hinunter laufen und trotzdem schaust du dir immer noch wie gebannt das Schauspiel vor dir an. Immer lauter branden die Wellen gegen das Ufer.

Unfähig zu gehen und dieses Ereignis einfach so geschehen zu lassen. Die dunklen Wolken kommen immer näher an die Küste. Dann spürst du, wie ein leichter Nieselregen einsetzt. Der Wind wird stärker und treibt dir die Regentropfen ins Gesicht. Du fühlst wie der Luftzug an deiner Kleidung zerrt. Der Regen wird heftiger und wandelt sich von einem leichten Nieselregen zusehends in ein Gewitter und schon siehst du die ersten Blitze in der ferne die Wolkenfront erhellen. Der anfangs noch so leichte Windzug verwandelt sich ebenfalls in einen ausgewachsenen Sturm und du hast immer mehr Mühe dich auf den Beinen zu halten.

Schon schlägt dir eine besonders hohe Brandungswelle entgegen und durchnässt deine Kleidung, die noch nicht vom strömenden Regen durchgeweicht war. Jetzt ist es Zeit, die schwarze Wolkenfront hat die Küste fast erreicht. Immer mehr Blitze zucken durch die Nacht. Du weißt nicht wie lange du dort schon so stehst, aber viel länger kannst du da nicht bleiben. Der Sturm pfeift an dir vorbei und zerrt an deiner durchnässten Kleidung. Überall hat sich Salz abgesetzt und du drohst jederzeit vom Deich herunter geweht zu werden.

Du begibst dich in dein kleines Haus direkt hinter dem Deich. Die Fenster hast du bereits vernagelt und auch sonst hast du alles menschenmögliche getan das kleine Häuschen auf den drohenden Sturm vor zu bereiten. Du hast allerdings nicht gedacht, dass es so schlimm werden könnte. Nachdem du die Tür verriegelt hast bleibt dir nichts anderes übrig, als zu beten oder zu hoffen. Wobei ist das nicht eigentlich dasselbe? Du sitzt dort voller Ungewissheit und kannst nichts tun, als auf das Unvermeidliche zu warten.

Stolz

Posted in Die Feder on Dezember 1st, 2011 by

Du sitzt allein in dem feuchten, unterirdischen Verlies. Die Luft ist erfüllt von dem Gestank nach Fäkalien und Moder. Im schwachen Fackellicht, dass durch die Ritzen in der schweren Holztür vor dir scheint, erkennst du kaum die Hand vor Augen. Draußen auf dem Gang ist das vielstimmige Wehklagen der vielen anderen hier gefangenen Seelen zu hören. Dies alles erträgst du nun bereits eine Weile, aber bisher hat dich nichts dazu bewegen können, deine Meinung in irgendeiner Weise zu ändern.

„Los du bist dran!“ ruft eine harte Stimme von draußen und deine Tür wird aufgestoßen. Es kommen zwei schemenhafte Männer herein, packen dich an den Armen und zerren dich aus deinem Verlies. Du wirst durch flackerndes Licht schlecht beleuchtete, niedrige Gänge gebracht, über alte ausgetretene Steintreppen und durch schwere, alte Holztüren bis du schließlich durch ein Tor in einen Hof gebracht wirst.

Die Sonne scheint erbarmungslos herab und blendet deine Augen. Du brauchst eine Weile, bis du das Farbenspiel weggeblinzelt hat und erkennst, was sich vor dir in der Mitte des Innenhofs auftürmt – ein gewaltiges Podest umringt von vielen Hundert Menschen. Auf dem Podest ist eine Konstruktion aus groben Holzbalken angebracht und daran baumelt ein einzelner Stick – dein Strick.

Die starken Hände zerren dich den Weg entlang, aber du weißt, deine Meinung steht fest und wird sich nicht ändern. Mit erhobenem Haupt lässt du dich die Treppe zum Podest hinauf begleiten. Dann steht vor dir ein kleiner Mann in feine Kleidung gehüllt und fragt dich, ob du hier und jetzt widerrufen willst, aber du bist dir keiner Schuld bewusst und lächelst ihn nur verächtlich an. Der schüttelt traurig den Kopf und murmelt noch etwas, als du in die Mitte des Podestes geführt wirst. Dort fühlst du das kratzen des Hanfknoten, der um deinen Hals gelegt wird. Dein Blick schweift noch einmal über die Menge, alle Augen sind auf dich gerichtet und viele schauen mitleidig zu dir hinauf. Du aber bist dir sicher, dass du richtig liegst, daher schaust du stur geradeaus.

Der kleine Mann beginnt die Anklage zu verlesen oder besser, was sie dafür halten, du glaubst du weißt es besser. Alles was sie dir vorwerfen ist nicht richtig, du bist der Meinung, dass alles ganz anders ist. Was passiert gerade? Einen kurzen Moment warst du für einen Augenblick von Zweifel ergriffen, aber das ist schon wieder vergangen. Die Verlesung ist beendet und du hörst nur noch die Worte: „Geh mit Gott!“ Der Henker mit einer Kapuze greift mit beiden Händen nach einem groben Hebel und schaut noch einmal zu dem kleinen Mann hinüber, der nur einmal kurz nickt, wobei er ein „stehe Gott uns bei“ vor sich hin murmelt.

Plötzlich siehst du es vor dir, hast du wirklich die richtige Entscheidung getroffen? War das alles so wie du es wolltest? Einen Augenblick später verlierst du den Boden unter den Füßen und das letzte was du spürst ist wie sich der Strick spannt, dann nur noch Dunkelheit.

Ein Sommertraum

Posted in Die Feder on Oktober 4th, 2011 by

Du liegst mit geschlossenen Augen im Gras. Die Sonne scheint auf dich hinunter und erwärmt deine Haut. Deine Finger streichen sanft durch das hohe Gras und fühlen jeden einzelnen Grashalm und jede einzelne Blume. Der Geruch einer Blumenwiese steigt dir in die Nase – und darunter mischt sich leicht der Geruch von durch die Sonne erwärmten Waldboden. Zu deiner rechten hörst du das leichte gurgeln eines kleinen Baches, der sanft durch die Landschaft dahin fließt. Du fährst dir leicht mit der Zunge über die Lippen und schmeckst deinen eigenen leicht salzigen Schweiß, der sich dort gesammelt hat.

Du liegst eine Weile dort und genießt es nur dort so zu liegen. Aus der Ferne hörst du kurz den Ruf einer einzelnen Krähe. Die vereinzelten Schatten von Wolken ziehen über deine geschlossenen Augen und ein leichter Lufthauch streift deine von der Sonne aufgewärmt Haut. Du fühlst wie deine Härchen sich aufrichten, ein leichtes Frösteln durchfährt deinen ganzen Körper aus, als die Gänsehaut sich ausbreitet. Die Wolken verdecken die Sonne und der Wind frischt ein wenig auf. In der Ferne hörst du wieder den Ruf einer Krähe. Du spürst die Kälte langsam aufkommen und bemerkst einen Geruch der einen aufkommenden Sturm ankündigt. Du willst die Augen nicht öffnen, du weißt nicht warum, aber du fürchtest dich es zu tun.

„Steh auf du Schlafmütze!“ hörst du plötzlich einen Ruf an dein Ohr dringen. Die Angst wird größer und die presst die Augen ganz fest zusammen. Du wirst heftig durchgeschüttelt und öffnest schließlich doch die Augen. Schlagartig steigt dir der durchdringende Geruch nach verbranntem Fleisch in die Nase. Du schaust dich um, du bist in einer ärmlichen Baracke und überall siehst du ausgemergelte, verrußte Gestalten in Lumpen gekleidet ziellos herum schlurfen. Durch die Türöffnung siehst du draußen überall Tote liegen – niedergemetzelt von dem Ungeheuer des Krieges, der dieses Land überzogen hat. Überall hörst du das Stöhnen der Gestalten und das Schreien der Verwundeten. Auf der Haut fühlst du den Ruß von den Scheiterhaufen, die überall in der Stadt stehen. Die verbrannten Überreste der Menschen kleben einfach überall.

Dir wird auf einmal bewusst, was Traum und was Wirklichkeit ist, aber muss das so fest geschrieben sein? Was wäre, wenn die Grenzen fließender wären?

Lebenswert

Posted in Die Feder on September 21st, 2011 by

Du bist mitten dort, wo du nie sein wolltest. Inmitten von Ruinen, inmitten einer Stadt, die eigentlich nur als Tod bezeichnet werden kann. Hier zwischen Häuserschluchten, Industrieanlagen, Geröll und Geschwärzten Wänden, alles zerstört durch den tausendfachen Tod, der vom Himmel regnet. Die Straßen sind verstört und doch ist überall nur Tod und Verfall zu sehen. Diese Stadt ist im Niedergang und doch bist du hier. Du bist hier, diese Stadt der Toten zu beanspruchen. Deine Aufgabe ist es diese Ruinen zu erobern und so kämpfst du hier Tag für Tag, Haus für Haus und Stein für Stein für das streben Anderer nach Ruhm und Macht.

Du sitzt inmitten der Reste des dritten Stockwerks eines alten Wohngebäudes und schaust hinunter auf die Reste einer Straßenkreuzung. Unten liegen die Kadaver der letzten Angreifer auf das Gebäude. Sie liegen so da, wie sie umgefallen sind, als wenn sie sich nur kurz einmal schlafen gelegt hätten, aber der über allem liegende Schnee zeigt an, dass sie wohl nie wieder erwachen werden. Hier und dort entdeckst du die ersten wirklichen Gewinner dieses Streites, die Krähen und anderen Aasfresser, die sich an den Gefallenen gütlich tun. Dies ist alles so allgegenwärtig, dass es nichts neues ist, aber jedes mal wieder erschreckend, wenn du es siehst.

Der Himmel ist grau und es sieht so aus, als wenn es bald wieder zu schneien anfangen wird, aber die wahre Angst ist der Tod, der jederzeit vom Himmel regnen kann, nur ein einziges zischen oder pfeifen und er regnet herab. Die Anspannung fällt niemals von dir ab und du weißt gar nicht mehr, wann du das letzte mal richtig geschlafen oder auch nur in Ruhe gegessen hast. Dein Magen knurrt und verrät dir, dass du dich bald mal wieder auf die Suche nach etwas essbarem machen musst, sonst wird dich diese Hölle auf Erden schneller Verschlingen, als dir lieb sein kann. Die Kälte ist durchdringend, du wagst es aber nicht ein Feuer an zu machen, den in den zerstörten Gebäuden vor dir lauern Menschen darauf, dass du nachlässig wirst.

Du nimmst dein Gewehr fest in die Hand und lässt deinen Blick weiter schweifen. Irgendwo hier muss dein nächstes Ziel sein, du wagst kaum zu atmen oder ein anderes Geräusch zu machen, den überall könnte der Tod in seinen abertausend Facetten auf dich warten. Du schnallst deinen Gürtel ein wenig enger, damit dein Magen nicht noch dein Verhängnis wird und blickst weiter in die graue Stadtlandschaft mit ihren tausenden Verstecken. Da macht sich völlig unerwartet in dir zum ersten mal ein völlig fremder Gedanke in deinem Kopf breit, was in dieser toten Stadt macht das Leben eigentlich noch lebenswert?

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So ein paar düstere Gedanken haben mal wieder den Weg in meinen Rechner gefunden.

Routine

Posted in Die Feder on September 20th, 2011 by

Es ist Mittwoch, also kein schlechter Tag. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Wochenende, nicht so wenige wie Donnerstags oder sogar Freitags, aber weniger als Dienstags oder Montags und das ist doch schon mal etwas. Du sitzt wie immer an demselben Schreibtisch vor demselben Computer und machst dieselben Arbeitsschritte wie jeden Tag der Woche. Gleich ist endlich Frühstückspause und das bedeutet, dass du dann noch bis zur Mittagspause durchhalten musst und der Tag wäre schon wieder fast um. Das wäre für dich wieder ein Schritt auf das Wochenende zu. Nach der Frühstückspause kannst du dann noch die zweite Kaffeepause einlegen und dich mit den Kollegen kurz austauschen, wieder eine willkommene Abwechselung zur Routine der Arbeit. So kann man den ganzen Arbeitstag in feste Abschnitte teilen und dadurch viel leichter den Fortschritt des Tages nachvollziehen.

Nach der Frühstückspause hast du es ganz gut bis zur zweiten Kaffeepause geschafft und bist gerade wieder auf dem Weg zu deinem Schreibtisch, als dir was merkwürdiges auffällt. Der Bildschirm deines Computers ist aus! Das ist sehr merkwürdig, weil du ihn eigentlich bis zum Feierabend nie ausmachst und auch sonst zeigt er dir nur die verschnörkelten Bilder die das Betriebssystem als Bildschirmschoner integriert hat. Wieso also ist der Bildschirm gerade heute aus?

Du schaltest den Bildschirm wieder ein und siehst die normale Oberfläche deines Betriebssystems. Ein wenig erleichtert setzt du dich auf deinen Stuhl und lässt die plötzliche, unnatürliche Anspannung von dir abfallen. Da plötzlich erscheint mitten auf deinem Bildschirm ein Gesicht und flüstert: „Ich weiß was du begehrst und ich kann dir helfen!“ Du bist so erschrocken, dass du hochschreckst und als du doch umsiehst entdeckst du, dass deine Kollegen dich erstaunt mustern. Schnell schaust du wieder auf dem Bildschirm, schließlich willst du nicht den Eindruck erwecken komisch, faul oder beides auf einmal zu sein. Das Gesicht lächelt dich auf eine Art und Weise an, die gleichzeitig begehren und schrecken in dir auslöst. Die verführerische Stimme halt in deinem Kopf wieder und intensiviert sich, bis du schließlich leise flüsterst, „was will ich den?“ Das Gesicht lächelt dich an und sagt nur die Worte: „Du willst einen Ausweg und ich kann ihn dir zeigen!“ Du spürst Begehren in dir aufkommen, du merkst sofort, dass dich dieses merkwürdige Gesicht in deinen Träumen verfolgen wird, aber du bist dir sicher, es spricht die Wahrheit. Das Verlangen nach Freiheit wird dir in diesem Moment wirklich bewusst, völlige Freiheit alles zu tun, was dir in den Sinn kommt und du musst dich wirklich zusammen nehmen, um nicht deinen Wunsch lauthals hinaus zu schreien. Es vergehen unendliche Sekunden, bis du leise flüstern kannst: „Ja zeig ihn mir!“

Plötzlich erlebst du etwas erhebendes, du spürst eine Freiheit in deinem Inneren, die du nie für möglich gehalten hast. Alles ist möglich, nichts ist das, was dich in irgendeiner Art hemmen würde. Nur so kann sich wirkliche Freiheit anfühlen, grenzenlos und ewig. Du lässt alle Fesseln hinter dir und sogar dein fleischlicher Körper hindert dich nicht mehr. Du siehst wie du die Hülle, die dich so lange begleitet hat unter dir liegen und fühlst wie du an einen Ort gezogen wirst, der nichts gutes für dich bereit hält und das letzte was du siehst ist dein zusammengesunkener Körper und die erschrockenen Rufe deiner Kollegen.

Einen winzigen Augenblick völliger Freiheit gegen ein Leben voller Routine. Ist es das Wert?

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Diese Kurzgeschichte hat mich länger beschäftigt und ich hoffe, dass sie zumindest einigermaßen geworden ist.

Das Gesellenstück

Posted in Die Feder on August 22nd, 2011 by

Ein junger Schmied steht vor der glühenden Esse und arbeitet an seinem Meisterwerk. Er will etwas ganz besonderes aus dem Stahl erschaffen, den sein Meister ihm anvertraut hat, dies soll sein Gesellenstück sein, auf das er auf ewig stolz sein will.

Unser Schmied schwitzt bei der anstrengenden Arbeit, aber er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Heute soll der Tag sein, an dem er diese besondere Arbeit fertig stellt und danach will er sich auf die Walz begeben und sein Handwerk in der weiten Welt erproben. Die Aufregung und Vorfreude niederkämpfend macht er sich weiter an die Arbeit. Der Stahl hat nun die richtige Hitze und er nimmt ihn aus der Glut. Jetzt hört er nur auf den Gesang des Hammers, den er immer wieder auf den Stahlrohling niederregnen lässt. Schlag um Schlag formt sich sein Werk heraus. Immer wieder muss er den Rohling erhitzen und weiter mit dem Hammer auf dem mächtigen Amboss bearbeiten. Erst nachdem er wirklich mit seiner Arbeit zufrieden ist, taucht er sein Werk in das Öl ein, um es zu härten.

Der junge Schmied kann sich dann schließlich nachdem genügend Zeit vergangen ist, in den Abendstunden des Tages im Licht der Esse sein Werk anschauen. Es ist ein gar prächtiges Langschwert, ein wahrhaftiges Gesellenstück eines guten Schmiedegesellen würdig. Er nimmt das Schwert und führt einige Schläge durch die Luft aus, es liegt wirklich perfekt in der Hand und die Schläge sind leicht und schwungvoll zu vollführen. Plötzlich wird ihm gewahr, was dieses Werk in der Zukunft vollführen wird, es wird mit Schwungvollen Schlägen Gliedmaßen und Kopfe abtrennen, es wird zum Hauen und Stechen gegen jeden verwendet, der dem Träger nicht wohl gesonnen ist und das alles hatte er vollbracht.

Angstvoll ließ der Schmied das Schwert los und es fiel klirrend zu Boden. Was hatte er getan? Wieso hatte er solch ein Gesellenstück erschaffen? Er sah seine Hände an und sah förmlich das Blut daran kleben, dass seine Schöpfungen über die Menschen bringen würden. Nein niemals, er wollte nur etwas schaffen und was ist daraus geworden? Er hatte etwas geschaffen, dass nur Unheil über die Menschen bringen konnte. Der junge Schmied drehte sich um und lief in die Nacht hinaus.

Die Allee

Posted in Die Feder on Mai 26th, 2011 by

Du gehst die Allee entlang. Es muss hier irgendwo sein, gleich hier in der Allee. Du siehst um dich herum die neu entstehenden Häuser, gewaltige Konstrukte aus Glas und Beton. Überall sind neue Bäume gepflanzt worden. Du gehst weiter die Allee entlang.

Du siehst jetzt links und rechts gewaltige Neubauten stehen, beeindruckende Bauwerke mit großen Glasfassaden. Neuwagen stehen vor den meisten Häusern. Weit kann es ja nicht mehr sein. Du gehst weiter die Allee entlang.

Der Asphalt weicht langsam einem Kopfsteinpflaster. Die Bäume hier sind groß und stark. Die Häuser hier sind große Bürgerhäuser, wie sie überall zur Zeit des Aufschwunges entstanden sind. Du gehst weiter die Allee entlang.

Du stolperst einmal kurz, die Straße ist hier etwas schlechter. Die gewaltigen Baumriesen spenden Schatten und tauchen die Straße ins Zwielicht. Links und rechts stehen gewaltige Anwesen aus einer anderen Zeit. Du gehst weiter die Allee entlang.

Die Straße wird zusehend schlechter, immer mehr Steine fehlen. Die Häuser weisen bereits die ersten Risse im Putz auf und die Statuen wirken uralt. Die meisten Bäume hier sind alt und tragen wenige Blätter. Du gehst weiter die Allee entlang.

Die Häuser sind vernagelt, kalt und unbewohnbar. Die Bäume sind tot und unter deinen Füßen findet sich fast nur noch Kies. Langsam scheinst du dich dem Ende der Straße zu nähern. Du gehst weiter die Allee entlang.

Überall nur noch Ruinen. Die Mauern zeugen von ehemals stattlichen Bauwerken. Die meiste Bäume sind umgestürzt und einige liegen auch auf dem Feldweg. In der Ferne siehst du nur noch Nebel und Mauerrest. Du gehst weiter die Allee entlang.

Es stehen nur noch die Grundmauern alter Gemäuer und der Weg ist kaum zu erkennen. Überall um dich nur noch Verfall und Tod. Warum bist du hier? Was suchst du hier? Wird das alles hier jemals enden? Der dichte Nebel umgibt dich und du gehst weiter die Allee entlang…

Das Krähenfest

Posted in Die Feder on Mai 26th, 2011 by

Schon hat die Heeresschau begonnen,

Seit an Seit stehen sie gegenüber.

Noch trennt ein Feld die Heereshaufen,

Sobald die Nacht vorüber ist,

Wird die Entscheidung fallen müssen.

Kaum einer kann wirklich ruhn,

All überall sieht man die Knechte

Fleißig ihre Arbeiten verrichten.

Die Herren betrachten die andere Seite.

Jeder will das Felde für sich.

Da graut auch schon der Morgen.

Die Knechte sammeln sich um ihre Herrn.

Die Hörner erklingen durch das Tal

Und schon beginnt das Hauen und Stechen.

So furchtbar wie kein Mensch erahnen könnt.

Am Ende nennt der Eine sich Sieger

und schimpft den anderen Verlierer.

Doch die wahren Sieger warten schon.

Zu Hunderten überall im Tal.

Den beim Kampf um Land und Leute,

Machen einzig die Krähen fette Beute.

Unwissenheit

Posted in Die Feder on Mai 13th, 2011 by

Du hattest einen langen Tag im Geschäft, einen wirklich langen Tag. Jetzt sitzt du gerade in der U-Bahnstation und wartest auf deine Bahn. Um dich herum ist der normale Trubel des Feierabendverkehrs, viele Menschen wollen nur noch so schnell es geht nach Hause, während andere sich jetzt erst zur Arbeit aufgemacht haben. Du sitzt erschöpft auf einer Bank und starrst auf die Anzeige, in wenigen Minuten ist die Bahn endlich da und dann nur noch die quälenden Minuten bis du endlich zu Hause bist. Die Bahn fährt ein, endlich kannst du dich mit den anderen Menschen in die Bahn setzen, so weit hast du es ja nicht mehr. Du setzt dich hin und malst dir in Gedanken schon aus, wie du in Ruhe den Tag ausklingen lassen willst. Verdienst hast du es dir heute auf jeden Fall. Ruckelnd setzt sich die U-Bahn in Bewegung, du wunderst dich kurz, wieso der Fahrer so merkwürdig losfährt, aber die die Züge sind ja auch nicht mehr die Neusten. Du starrst aus dem Fenster, die Lampen, die den Tunnel erhellen sollen rauschen an dir vorbei. Bahnhof um Bahnhof zieht an dir herüber, genauso wie so vieles im Großstadtdschungel einfach an einem vorbei zieht. Deine Gedanken machen sich kurz selbstständig, als der Zug plötzlich außerplanmäßig anhält.

Du wirst aus deinen Gedanken gerissen und schaust dich erst einmal um. Die Menschen sitzen ganz ruhig da, schließlich kann so etwas ja durchaus mal vorkommen und auch für dich ist es nicht das erste mal. – Wieso bist du plötzlich so nervös? – Du schaust wieder aus dem Fenster, draußen flackern die Lampen. Du schaust wie zufällig in einen der anderen Tunnel hinein. – Was siehst du da? – Der Tunnel sieht uralt aus, die Träger sind vom Rost verzehrt und auch das Licht wirkt irgendwie anders. In den zahlreichen flackernden Schatten scheinst du Bewegungen wahr zu nehmen.Du schaust dich nochmal nervös in der Bahn um, aber die anderen Menschen sitzen immer noch ruhig da und lesen oder dösen vor sich hin. Da ist etwas, du bist dir ganz sicher, als du genauer hinschaust siehst du im Tunnel tatsächlich einen gewaltigen Schatten lang schlurfen. Er sieht aus wie eine groteske Sammlung aus allem, was in den Tunneln unter der Stadt herumliegt, diverse metallene Gegenstände von Rädern, über Stahlrohre bis zu den Resten eines Kinderwagens. Jetzt siehst du es genauer, es sieht wirklich so aus, als wenn dieses Sammelsurium durch Fleisch zusammengewachsen wäre und nun an einen extrem verzehrten, drei Schritt großen Humanoiden erinnern würde. Du bist entsetzt und gefesselt zugleich. Das Wesen schlurft durch den Tunnel und da siehst du, dass überall die Kadaver von diversen Lebewesen mit dem Wesen verwachsen sind. Auf seinem Rücken siehst du sogar den halb verwachsenen Körper einer Frau. Plötzlich wirst du dir bewusst, dass die leeren Augenhöhlen der Frau dich anzustarren scheinen und dann geschieht das wohl grauenvollste, sie bewegt ihren verzehrten Arm nach oben und zeigt auf dich. – Das Licht flackert, eine Sekunde bist du in völliger Dunkelheit, dein Puls rast, so eine Angst hast du in deinem Leben noch nicht gespürt. Kalter Schweiß steht dir auf der Stirn. Dann wie aus heiterem Himmel hörst du ein hysterischen Lachen das dir in den Ohren widerhallt. Dann ist das Licht wieder da und du siehst weder das Wesen noch den rostigen Tunnel vor dir.

Die U-Bahn setzt sich in Bewegung und aus dem knackenden Lautsprecher ertönt eine Ansage, dass sich die U-Bahngesellschaft für die kurze Verspätung entschuldigt. Dein Puls rast immer noch und schaust dich in der Bahn um, niemand verhält sich merkwürdig, niemand scheint das gesehen zu haben, was du gesehen hast. Du erreichst nach kurzer Fahrt deine Station, steigst aus und rennst förmlich nach draußen. Da wirst du ein wenig ruhiger, jeder Schritt der dich von der U-Bahn weg bringt scheint wie ein Stein zu sein, der dir vom Herzen fällt. Als du endlich daheim bist, nimmst du dir ein Glas Wein und setzt dich auf die Couch. Es war bestimmt alles nur ein böser Traum. Erst als du im Bett liegt und wieder das furchtbare Lachen in deinen Ohren hörst wird dir eins bewusst, das alles war kein Traum, nein was du gesehen hast war die Wahrheit, die ganze nackte Wahrheit. Du bekommst Schweißausbrüche und eine panische Angst packt dich, du wünscht dir nichts weiter, als deine glückliche Unwissenheit zurück!

– Hier wieder eine kleine Kursgeschichte, die ich schon länger im Kopf hatte, sie aber nun endlich auch zu Papier (oder in den Rechner) gebracht habe. Ich freue mich über Anregungen und Kritik

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