Abschlussrezension

Abschlussreflexion

Mich beeindruckte besonders die Thematik der systematischen Diskreminierung von Menschen mit Behinderung. Von dem medizinischen Modell (Oliver, Mike (1996): Understanding Disability. From Theory to Practice. Palgrave Macmillan: Houndmills/ Basingstoke) und dessen langjährigen Wirkungszeit in der Gesellschaft zu lernen, hat mir auch dabei geholfen das heutige Schulsystem bezüglich der Teilhabemöglichkeiten in Frage zu stellen. Der Fall Nehad Mihailovic, der für ein Systemscheitern auf der schulischen und die der Bundesebene steht, hat mich darin bestärkt, dass das Schulumfeld entscheidend ist, wenn es um die Einforderung der Rechte der Kinder geht. Es ist auch wichtig, den historischen Kampf für Mitbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. Als Lehrkraft sollte ich reflektieren, wie ich dazu beitragen kann, dass das Bremer Schulgesetz, das nicht zuletzt aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention entstanden ist, umgesetzt wird (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Hrsg.) (2018). Die UN-Behindertenrechtskonvention Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.).
Bezüglich meines Faches Geschichte wäre ein Aufarbeiten des historischen Kampfes möglich, auch die Thematisierung der UN- Konvention.
Für folgende Dinge würde ich mich gerne im Schulalltag einsetzen: Zum einen könnte ich als Lehrkraft den Kontakt zu den Eltern pflegen, um die individuellen Bedürfnisse des Kindes zu besprechen. Grundsätzlich sollte dies aber immer der Fall sein, um eine weniger hierarchischen und einen dadurch empathischeren Umgang mit den Schüler*innen zu gestalten. Zum anderen sollte der Fokus die individuellen Bedürfnisse der Kinder und nicht die fachdidaktischen Inhalte sein. Um physische Barrieren zu überwinden, sollte ich mich für kreative Zwischenlösungen einsetzen. Die könnten zum Beispiel Raumwechsel oder Unterricht in einem Container sein, bis eine Modernisierung der Räumlichkeiten möglich ist. Die Art der Kommunikation macht hier viel aus: Es sollte als Verständlichkeit (mit klarem Verweis auf das Recht auf Teilhabe) vermittelt werden, nicht als „zusätzliche Last“ für die Lehrkräfte. Es ist auch wichtig, die Fachdidaktik generell kritisch zu hinterfragen. Müssen Schüler*innen sich meinem Unterricht anzupassen? Kann ich besser auf die Schüler*innen eingehen und den Fachinhalt anders gestalten? Geisteswissenschaftliche Fächer sollten auch praktisch vermittelt werden, damit alle Schüler*innen (mit jeweils individuellen Lerntypen) im Unterricht sich angesprochen fühlen können. Hier kann ich also dem „medizinischen Modell“ trotzen: Das System sollte sich der Schülerschaft anpassen, nicht andersherum.

2) Innerhalb meiner Schulzeit erlebte ich viele Versuche, den Ansprüchen auf Toleranz zu entsprechen, die aber oftmals scheiterten. Insbesondere bei der Thematik geschlechtlicher und sexueller Vielfalt kann ich auf mein eigenes Outing verweisen, welches viele Schwierigkeiten mit sich brachte. Auf mein Outing folgte eine Zeit, die ich rückblickend als klassisches Mobbing bezeichnen würde. Somit versuchte ich so gut es ging die Klassengemeinschaft zu meiden, weigerte mich teilweise ganz die Schule zu besuchen. Anstatt das die zuständige Lehrkraft das Problem erkannte und sich pädagogisch für Aufklärung in der Klassengemeinschaft einsetzte, wurde ich als betroffene Person dazu aufgefordert, mich der Mehrheit und auch dem System anzupassen. Diese Erfahrung der Ausgrenzung hat mich sensibilisiert und ich hoffe, als Lehrkraft ähnliche Prozesse bemerken zu können und mich für eine bessere Umgangsart einsetzen zu können. Als positives Beispiel aus meiner Schulzeit ist eine andere Lehrkraft zu nennen: Diese setzte sich für mich ein, ermunterte mich auch zum Schulbesuch. Sie signalisierte mir klar, dass ich mich nicht ändern müsse: Diese Erfahrung der sensiblen und reflektierten Umgangsform einer Lehrkraft prägt mich bis heute. Später setzte diese Lehrkraft sich auch für einen Schüler ein, der aufgrund seiner Deutschkenntnisse nicht in die Oberstufe versetzt werden sollte. Auch hier hat sie viel bewirken können. Für mich zeigen beide Beispiele den immensen Einfluss von Lehrkräften auf Schüler*innen.

3) Die theoretische Ebene erarbeitet zu haben empfand ich als richtig und wichtig. Anschließend würde mir jetzt der Einblick in die reelle Situation bremischer Schulen gefallen. Gibt es inklusive Gebäudegestaltung? Gibt es Gruppen oder bremische Vereine, die mich als Lehrkraft unterstützen und beraten könnten? Welche Schwierigkeiten werden mich erwarten? Weiter würde ich es auch begrüßen, Möglichkeiten der Beschwerde im Falle der Diskreminierung zu kennen. Ich möchte für eine, dem Umhet-Seminar entsprechende, Schule arbeiten und das System mitverändern: Doch um dies zu tun, ist es auch wichtig, mögliche Hilfsangebote zu kennen. Eine weitere Fragestellung die ich gerne vertiefen würde, wäre die der Arbeit gegen jeglichen Antisemitismus im Schulleben. Ins besonders als spätere Geschichtslehrerin ist dies ein Fokus, den ich setzen möchte. Eine Thematik die ich persönlich vermisst habe, ist die der Islamphobie. Viele begeisterte studierende Frauen müssen sich einem ablehnenden, diskriminierenden und islamfeindlichen System stellen, das ihnen teilweise auch die Arbeit als Lehrerin verweigert, sollten sie einen Hijab tragen. Eine genauere Auseinandersetzung mit der rechtlichen Problematik und dem islamfeindlichen Diskurs in Deutschland hätte mich sehr begeistert, gerade auch bezüglich des Umgangs mit Schüler*innen. Ferner hätte mir eine Sensibilisierung für die ständig vorfallenden Rassismen bezüglich muslimisch gelesener Jugendlichen begeistert.

Inhaltsverzeichnis
– Oliver, Mike (1996): Understanding Disability. From Theory to Practice. Palgrave Macmillan: Houndmills/ Basingstoke.
– Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (Hrsg.) (2018). Die UN-Behindertenrechtskonvention Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.


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