1. Welche Bedeutung haben Modelle von Behinderung sowohl für behinderte Menschen und ihre Teilhabemöglichkeiten allgemein, als auch im Kontext Schule?
Modelle bieten eine Darstellung von Sachverhalten und vermitteln gesetzte Schwerpunkte (S. 18, Fuchs-Heinritz/ 2020). Das medizinische Modell argumentiert Menschen mit Behinderungen als bemitleidenswert und unteranderem auch geschlechtslos (S. 21, Oliver/1996). Gibt es einen gesellschaftlichen Konsens mit diesem Modell (wie bis in die 90er der Fall war), wirkt sich das auf alle bildungsspezifischen Institutionen aus. So sind behinderte Kinder und Jugendliche immer einer extrem herablassenden Form von Mitleid ausgeliefert. Das System verlangt es von ihnen sich anzupassen, versteht sie als krank (S. 22). Das soziale Modell setzt genau da an und fordert nicht von Menschen mit Behinderung eine Veränderung, sondern vom System. Menschen mit Behinderung werden als eigenständige Menschen wahrgenommen, das Wertgefühl verändert sich (S.26), nicht der behinderte Mensch ist das Problem, sondern die gesellschaftlich gesetzten Grenzen. Gesellschaftliche Diskreminierung bezüglich Menschen mit Behinderung kann nur thematisiert werden und kritisch reflektiert werden, wenn Menschen mit B. als eigenständige, wertvolle Menschen angesehen werden. Gerade innerhalb des veralteten, exklusiven und diskriminierenden Schulsystems ist bezüglich der Umsetzung dieses Menschenbilds ein Wandel dringend nötig.
2. Was entgegnen Sie, wenn im Kollegium jemand behauptet, inklusive Beschulung könne ihr/ihm keine_r vorschreiben?
Erst einmal würde ich auf die Erkenntnisse des sozialen Modells hinweisen. Wichtig ist, zu betonen das Kinder mit B. nicht eine zusätzliche Belastung/ Herausforderung sind, sondern das schulische System nur für homogene, nicht gesellschaftlich repräsentierende Gruppen gebildet wurde. Das soziale Modell würde auch eine Reflektion der eigenen inneren Vorurteilen bezüglich Menschen mit B. erlauben.(S. ). Auf der rechtlichen Ebene würde ich mich vor allem auf die UN BRK beziehen (S.43), anschließend würde ich auch mit dem Bremer Schulgesetz argumentieren (S.52).Es ist also de facto vorgeschrieben, Diskreminierung anzukämpfen und Inklusion anzutreiben. Ignoranz und dementsprechend Verletzung der Menschenrechte sind gesetzlich verboten. Weiter wäre mir eine Erwähnung des pädagogischen Auftrags wichtig, die eine respektvolle Grundhaltung bezüglich aller Schüler*innen erwartet.
3. Welche Ausgrenzungsmechanismen lassen sich am Beispiel Nehad Mihailovic aufzeigen? Wer hätte anders Handeln müssen, um ihm und seinem Recht auf Bildung gerecht zu werden und was hat sein Fall mit Inklusion zu tun?
Grundsätzlich hat das ganze System versagt: Rassismus und Ableismus verleiteten das pädagogische (fachlich ausgebildete) Personal der Schulen dazu, Nehad Mihailovics falsch einzuschätzen. Die Grenzen der Inklusion wurden auch durch die verpflichtende Teilnahme an der Förderschule gesetzt, die betroffene Person hat quasi kein Mitspracherecht. Weiter wurde auch auf der Bundesebene versagt, dadurch das das Bundesland die schulische Einteilung des Schülers nicht erneut prüfte (S. 49). Das System ist darauf angelegt Homogenität durch Exklusion zu ermöglichen.
Waldschmidt, Anne (2020): Jenseits der Modelle, in: Brehme, David; Fuchs, Petra; Köbsell, Swantje; Wesselmann, Carla (Hg.): Disability Studies im deutschsprachigen raum. Zwischen Emanzipation und Vereinnahmung, Beltz, S. 56-73.
Oliver, Mike (1996): Understanding Disability. From Theory to Practice. Palgrave Macmillan: Houndmills/ Basingstoke
Schreibe einen Kommentar