Willkommen zu meinem Beitrag zur Vorlesung vom 10.04.2018
- Fokussierung des Vorlesungsthemas:
Versuchen Sie Maßnahmen, Projekte oder Initiativen, die sie im schulischen Umfeld zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität kennen gelernt haben (in Praktika, Arbeit, eigener Schulzeit o.ä.) zu charakterisieren, entsprechend dem theoretischen Vergleichsmodel aus der Vorlesung (Ausländerpädagogik/Interkulturelle Bildung/Antirassistische Pädagogik/Diversity Education). Begründen Sie die Einordnung und bewerten Sie die jeweilige Wirkung.
In der Grundschule wurde viel auf Interkulturelle Bildung gesetzt, ausgedrückt hat sich dies mit mehreren Besuchen in religiösen und kulturellen Einrichtungen, darunter Kirchen, Moscheen und Freundschaftsverbänden (zbsp. Deutsch-Türkischer Freundschaftsverband, etc.). Ziel dieser Besuche war es wohl die vermeintliche Kultur unterschiedlicher, also heterogener, Klassenverbände einander vorzustellen um so einer Diskriminierung vorzubeugen. Die Lehrerinnen und Lehrer folgten hier also dem Praxismodel und versuchten eine Kulturvermittlung und einen Dialog zu eröffnen.
Wenn ich an meine Mittelstufen Schulzeit zurückdenke, so muss ich bemerken das der Anteil an Schülern/Schülerinnen (S/S) mit Migrationshintergrund doch bestimmend war für die Zusammensetzung der Real- und Hauptschulklassen, die Gymnasialklasse hatte dagegen „nur“ einen Anteil von ungefähr einem Viertel. Die Gymnasialschüler stachen besonders heraus weil sie wesentlich homogener agierten als andere Klassen, Leistungsunterschiede zwischen S/S mit Migrationshintergrund und S/S ohne waren geringer als jene, welche wir aus anderen Bereichen mitbekamen. Ob ein Schüler/in einen Migrationshintergrund hatte, war erst einmal für die Klassenkultur unwichtig. Relativ früh hatte man uns die Vielfalt als solche schmackhaft gemacht und uns dadurch als Klasse insofern homogenisiert, als das kulturelle Unterschiede keine besondere Hervorhebung mehr erfuhren. (Diagnose Unterschiede aufgehoben durch Akzeptanz der Differenzen)
Abgesehen von dieser persönlichen Erfahrung hatten wir auch sogenannte Förderklassen für neu Eingewanderte Schülerinnen und Schüler, einer dieser Schüler durfte relativ schnell am regulären Unterricht teilnehmen, musste jedoch weiterhin den Förderunterricht besuchen. Durch diesen Schüler kam ich auch in den Kontakt mit weiteren Schülern aus der Förderklasse ,welche diese als relativ isoliert von der restlichen Schule beschrieben und sich wünschten, doch so schnell wie möglich in den regulären Klassenunterricht integriert zu werden. Hier greift wieder einmal das Konzept der Interkulturellen Bildung, gezielter Förderunterricht mit Bezug auf die individuelle Lage der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und eine Anerkennung dieser, statt sie wie einen Fisch ins kalte Wasser zu werfen, wurden sie langsam in die regulären Klassen integriert, wie man an dem Beispiel des Förderschülers sehen kann, welcher nach einigen Monaten in der Förderklasse nur noch den Förderkurs besuchen musste und schließlich komplett am regulären Unterricht teilnahm – und abgesehen davon auch durch seine individuellen Erfahrungen relativ schnell in der Gymnasialklasse integriert und geschätzt war.
Des weiteren trugen eben jene Schulen oftmals die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ um ihren pädagogischen Ansprüchen damit noch einmal Nachdruck zu verleihen.
- Anwendung und theoriegeleitete Reflexion bisheriger Praxiserfahrungen:
Welche Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika könnte man aus dieser durch Theorie geleiteten Reflexion ableiten?
Für eine Beobachtungsaufgabe könnte man sich überlegen, inwiefern die Maßnahmen zur interkulturellen Kommunikation der Diskriminierung innerhalb der Klassengemeinschaft vorgebeugt haben und ob es zu einer Anerkennung von Heterogenität oder zu einer neuen Homogenität innerhalb der Klassengemeinschaft gekommen ist, so wie es von mir als ehemaligem Schüler in meiner obigen Anekdote wahrgenommen wurde.
- Anwendung und theoriegeleitete Reflexion auf der Unterrichts- und Schulebene
Sehen Sie durch die Reflexion dieser Maßnahmen und Projekte Ansatzpunkte für mögliche Programme zur grundsätzliche Weiterentwicklung von Schule und/oder Unterricht?
Schulsysteme und Unterrichtskonzepte müssen immer dem kritischen Blick unterliegen und hinterfragt werden, insofern verstehe ich auch, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Ansätzen und Zielen der Interkulturellen Bildung und der Antirassistischen Pädagogik geben kann. Inwiefern eine Schule verbindend Schülerinnen und Schüler dazu zwingen kann sich mit Institutionen wie Kirchen und Moscheen auseinanderzusetzen, ist insofern fragwürdig, als das man hiermit Institutionen und Ideologie mit Kulturen gleichsetzt, quasi eine Leitkultur für eine Gruppe erschafft, wo diese vielleicht nicht besteht (da zbsp. Nicht jeder Christ jeden Sonntag in die Kirche geht oder nicht jeder Muslim gleich oft betet und auch nicht unbedingt in der Moschee am Freitag).
Ein persönlicheres Konzept in Form von Schulfesten mit Beteiligung der Eltern, gemeinsamen kulinarischen und kulturellem Austausch könnte insofern mehr greifen und würde dem Abbau von Diskriminierung und der kulturellen Verständigung mehr dienen.
Allgemein sehe ich die vorgestellten Konzepte der Interkulturellen Bildung und Antirassistischen Pädagogik an sich als nicht ausgewogen genug, beide haben positive Methoden und Ziele, doch behandelt die erstere institutionelle und systematische Diskriminierung nicht genug, während die letztere sich nur auf diese zu versteifen scheint – ein Kompromiss wäre also wichtig um im Alltag sinnvolle Anwendung zu finden.
Hallo Philip,
dein ausführlicher Beitrag spricht ein paar meiner Meinung nach sehr wichtige Punkte an. Ich finde auch, dass schulische Besuche von religiösen Institutionen nicht unbedingt sinnvoll sein müssen, vor allem, wenn man nur eine „andere“ religiöse Institution besucht und nicht einfach alle unterschiedlichen, die es gibt. Dies kann unter Umständen vermeintliche Differenzen schaffen oder hervorheben, wo sich vorher niemand Gedanken gemacht hat. Deinen Vorschlag von gemeinsamen Festen finde ich sehr gut. Die vorgestellten Modellansätze sind interessant, aber könnten in der Praxis vielleicht eher als Inspiration genutzt werden und vermischt werden.