Nach dem §3 Allgemeines, des bremischen Schulgesetztes (BremSchulG) sind die bremischen Schulen dazu angehalten, sich in inklusive Institutionen zu entwickeln, um die Inklusion aller Schüler*innen und die Ausgrenzung einzelner, im Kontext des Erziehungs- und Bildungsauftrags, zu vermeiden (vgl. Bremisches Schulgesetz 2021, S. 7). Während die Realität eine Vielfalt innerhalb der Gesellschaft aufweist, welche infolgedessen auch in den Schulen vorzufinden ist, sind simultan Steuerungsprozesse präsent, die die Abweichungen von konstruierten Normen einerseits, wertend durch die Vergabe von Noten und Zeugnissen labelt und andererseits die Heterogenität durch einheitliche Curricula sowie auch Einteilungen zu institutionell errichteten Subgruppen, wie zum Beispiel Vorklassen oder I-Klassen bewusst, wie auch unbewusst einzudämmen versucht. Da es sich bei Klassengemeinschaften ausnahmslos um heterogene Gruppen handelt, in der die Schüler*innen unterschiedliche Erfahrungen, Interessen und Voraussetzungen aus ihrer individuellen Lebenswelt mitbringen, kann dies entweder den Unterrichtsalltag in der Gestaltung produktiv beeinflussen und als Ausgangspunkt gesehen oder schier als Störfaktor wahrgenommen werden und zu einer „Komplexitätsreduktion“ führen (vgl. Luhmann, 1975).
Wie in dem vorgehenden Absatz bereits der Aspekt hinsichtlich der unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Kinder in die Schule mitbringen, erwähnt wurde, lässt sich dies noch expliziter ausführen. Während meines Orientierungspraktikums, bestand die mir zugeteilte Schulklasse aus einer Vielzahl an Kindern, die mit unterschiedlichsten Muttersprachen aufgewachsen sind und parallel offenkundig voneinander abweichende Kenntnisstände hinsichtlich der deutschen Sprache aufzeigten. Hinzukommend kristallisierte sich auch die Bedeutung des familiären Hintergrunds schnell heraus, sodass einige DaZ-Schüler*innen trotz alledem dem Unterricht gut folgen konnten, während andere bereits in den ersten Wochen nach der Einschulung den Anschluss kontinuierlich weiter verloren. Auffällig dabei war einerseits die konstante Homogenisierung von Gruppen, während den Reflexionsgesprächen im Anschluss an den Unterricht (vgl. Hummrich, 2016, S.47) sowie die Titulierung von Abweichung der ‚Normen‘, als ‚Störfaktoren‘, die den Ablauf im Schulalltag stetig aufhalten würden. Insgesamt war es eine unzufriedenstellende Situation, in der die heterogene Lerngruppe, durch den Kontext des einheitlichen Schulalltages und dem damit inbegriffenen Lernstoff, stetig vereinheitlicht wurde, sodass die individuelle Förderung sowie auch Forderung des einzelnen nicht gewährt werden konnte, wodurch die Ungleichheit in Bezug auf die Chancenverteilung unübersehbar wurde.
Als mögliche Beobachtungsaufgabe hinsichtlich der Homogenität und Heterogenität würde sich der Umgang mit Abweichungen von der zu erwartenden Norm hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen anbieten. Dabei rückt vor allem in den Fokus, inwieweit die jeweilige Lehrkraft, bei der Beurteilung, die einzelnen Leistungen der Schüler*innen individuell betrachtet oder lediglich nach einem vorgegebenen Schema bewertet, ohne dabei die Entwicklung des entsprechenden Kindes zu berücksichtigen.
Literatur
Die Senatorin für Kinder und Bildung (2005): Bremisches Schulgesetz (BremSchulG): §3 (4) Allgemeines. (zuletzt geändert 14.12.2021).
M. Hummrich (2016): Homogenisierung und Hetereogenität. Die erziehungswissenschaftliche Bedeutung eines Spannungsverhältnisses. In: Tertium comparationis 22 1. Waxmann Verlag. S. 47.
N. Luhmann (1975). Einfache Sozialsysteme. In: Soziologische Aufklärung 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. S. 36.
Eine Antwort auf „Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität“
Legt man die Schultheorie nach Fend zugrunde, so sind Schulen in gesellschaftliche Strukturen eingebunden und erfüllen verschiedene Funktionen. Zu nennen sind dabei u.a. die Schule als „Einrichtung für Massenlernprozesse“ (Trautmann, Wischer, 2011, S. 73) sowie die Selektions- und Allokationsfunktion (vgl. Trautmann, Wischer, 2011, 90), die deutlich das Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität aufzeigen. Da nicht alle Schüler*innen eines Landes eine einzige Schule besuchen können und nicht alles gleichzeitig gelernt werden kann, müssen zwangsläufig organisatorische Differenzierungen stattfinden, die Schulen, Lerngruppen, Lerninhalte, etc. organisieren (vgl. Trautmann, Wischer, 2011, S. 73 f.). Wichtig ist dabei, dass nicht nur schultheoretische Aspekte im Vordergrund stehen, sondern auch pädagogische Blickwinkel beachtet und die Bedürfnisse aller Schüler*innen in den Mittelpunkt gerückt werden (vgl. ebd.). Auch die gesellschaftliche Selektions- und Allokationsfunktion von Schulen zeigt eine Antinomie auf. Da wir in einer Gesellschaft mit knappen Gütern leben, muss auch hier zwangläufig eine Selektion stattfinden, um z.B. die Güter „Ausbildungsplatz“ oder „Studienplatz“ zu verteilen. Da diese Verteilung demokratisch und sozial gerecht erfolgen muss, erfüllen die Schulen diese Funktion (vgl. Trautmann, Wischer, 2011, S. 92). Die Beurteilung von Schüler*innen in der Schule ist somit an eine gesellschaftliche Funktion gekoppelt. Gleichzeitig lässt sich jedoch darüber diskutieren wie eine Feedbackkultur in Schulen implementieren werden kann, die möglichst objektiv und gerecht ist.
Während meines Orientierungspraktikums hatte ich ebenfalls einige DaZ-Schüler*innen in meiner Klasse und habe die unterschiedlichen Leistungsniveaus beobachten können. Da ich die Klasse nur eine kurze Zeit unmittelbar nach der Einschulung begleitet habe, kann ich jedoch nicht einschätzen, ob tatsächlich der familiäre Hintergrund für die unterschiedlichen Leistungsniveaus verantwortlich war. Da die Schüler*innen verschiedene Kompetenzen mitbrachten, ihre Lernprozesse zu organisieren, könnte dieses u.a. ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Mir ist jedoch aufgefallen, dass die Lehrkräfte sich ziemlich schnell ein Bild vom Leistungsniveau der Schüler*innen gemacht haben. Dieses kann hilfreich sein, um die Schüler*innen individuell und auf ihre Bedürfnisse abgestimmt, fördern zu können. Jedoch halte ich es für wichtig, die Wahrnehmung der Schüler*innen immer wieder zu reflektieren, um sowohl die „Bündnisbildung“ (Bauriedl, 1984, S. 153 f.) zu vermeiden als auch den Schüler*innen die Durchlässigkeit zu ermöglichen, in ihrer Leistungsfähigkeiten nicht nur absteigen, sondern auch aufsteigen zu können.
Literatur:
Bauriedl, T., Wittenberger, G. (1984): Supervision als angewandte Psychoanalyse. In: Supervision 6, Münster.
Trautmann, M., Wischer, B. (2011): Heterogenität in der Schule. Eine kritische Ein-führung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften