Schule wirklich für alle? Ziele, Herausforderungen, Beispiele

Der Inhalt der letzten Sitzung knüpft für mich an den Bildungsbegriff Wolfgang Klafkis an. Inklusion, Heterogenität sind das nicht eigentlich nur aktuelle Begriffe auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Bedeutung von Bildung heute.  Wolfgang Klafki ging dieser immer schon viel diskutierten Frage, am Anfang des 19.Jahrhunderts nach: Er stellte die Frage: „mit welchen Inhalten und Gegenständen sich junge Menschen auseinander setzen müssen, um zu einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger Anerkennung und Gerechtigkeit, in Freiheit, Glück und Selbsterfüllung zu kommen“ (Klafki 1986: 461). Der Aspekt der Menschlichkeit führt unweigerlich zu den Menschenrechten. Artikel 9 der UN-BRK regelt das Recht auf Zugänglichkeit  zu Informationen. In diesem Artikel verpflichtet die UN-Behindertenrechtskonvention ihre Unterzeichnerstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit den anderen Zugang zu Informationen und Kommunikation(…) zu gewährleisten. Nur wer Zugang zu Informationen hat, kann ein selbstbestimmtes und vernunftgeleitetes Leben führen. Für Klafki hat Bildung und Erziehung die zentrale Aufgabe einen unmündigen Menschen zur  Mündigkeit zu erziehen.In seiner Bildungstheorie definiert er vier Eigenschaften von Bildung (vgl. :Anonym,, 2015, Der Bildungsbegriff nach Wolfgang Klafki. Von der bildungstheoretischen zur kritisch-konstruktiven Didaktik, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/317961):

  • Bildung hat das Ziel Selbstbestimmung zu fördern.→Mündigkeit für alle
  • Bildung ist immer abhängig von historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ausgangssituationen. Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung kann nur erworben werden, wenn der Mensch sich mit den Normen und Werten seiner Gesellschaft und kulturellen und politischen Lagen auseinandersetzt.→Informationen für alle
  • Der Bildungsprozess ist ein individueller Prozess. →Differenzierung
  • Die Interaktion mit anderen ist nach Klafki die einzige Möglichkeitden Bildungsprozess zu fördern. Auch wenn Bildung grundsätzlich selbständig erfolgt, ist der Prozess immer von einer Gesellschaft abhängig.→soziale Teilhabe

Zusätzlich ist für Klafki noch der Begriff der  Allgemeinbildung wichtig. Er versteht darunter den Zugang zu Bildung, unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialer Klasse. Georg Feuser wies mit dem Begriff des „pädagogischen Reduktionismus“ auf die Gefahr des „underachievments“ durch das Zuschreiben begrenzter kognitiver Entwicklungsmöglichkeiten durch ein Kategorisieren nach Förderschwerpunkten hin. (vgl. Feuser 1996, S. 3) Und da könnte man vielleicht auch die Anschlussfähigkeit sehen: Der Zugang zu „Bildung für alle“ zielt auf „ein Maximum an sozialer Teilhabe und ein Minimum an Diskriminierung innerhalb pädagogischer Praxis“ ( vgl. Ainscow et al. 2006, S. 15f.)

 

Im Praktikum an einer niedersächsischen Grund-/Hauptschule gab es ganz schönes Beispiel für gelingende (inklusive) Schulentwicklung: Die Schule hat einen sehr hohen Anteil an Kindern nicht-deutscher Herkunftsfamilien, viele der Kinder kommen aus sozio-ökonomisch benachteiligten Verhältnissen. Die Schule hat viele Ansätze wie z.B. das Projekt „gesundes Frühstück“ bei dem täglich zwischen 7 und 8 Uhr ein Frühstück für alle Kinder angeboten wird.  Die pädagogische Werkstatt: ein inklusives Schulprojekt in dem jeder SuS individuell nach eigenem Lerntyp lernen soll. Dies soll den offenen/kooperativen Unterricht fördern und helfen der großen Heterogenität/Vielfalt der SuS besser gerecht werden.  Am konkretesten zeigten sich diese Aspekte aber im Element des multiprofessionellen Teams. Es arbeiteten dort zwei Sozialpädagogen, vier Sonderpädagogen eine Sprachlehrerin und das gesamte Lehrerkollegium in einem festen Team eng mit der Schulleitung und in Kooperation mit Jugendhilfestationen, Ärzten und Psychologen zusammen. Die vor Ort besonders wichtigen Sozialpädagogen waren die ständigen Ansprechpartner für soziale Konflikte und gaben Hilfestellung bei allen Fragen der SuS und der Eltern. Zum Teil hatten sie die wichtige Aufgabe die vielen Schulverweigerer( Hauptschule), durch intensive Elternarbeit in den  Familien wieder in die Schule zurück zu führen. Insgesamt hatte man den Eindruck eines sehr vertrauten  gemeinschaftlichen Zusammenarbeitens aller Beteiligter, bei dem vor allem der Austausch untereinander, die Flexibilität und Offenheit gegenüber neuen Ideen sehr ausgeprägt waren.

 

Für eine inklusive Schulentwicklung müsste vielleicht ein Einbeziehen inklusiver Themen in den Unterricht erfolgen. „Doing differences“ (Fenstermaker/West 2001) thematisiert das Unterschiedliches zum Kriterium der Bewertung unseres Verhaltens gemacht werden kann: Ethnizität, regionale Herkunft, Alter, Geschlecht, Gruppenzugehörigkeit.“ Ähnlich einer Genderkompetenz sollten angehende Lehrer vielleicht eine Inklusionskompetenz mitbringen, die Sachkompetenz, Selbstkompetenz und Praxiskompetenz miteinander vereinen, um gegebenenfalls eine Art „Dramatisierung/ Entdramatisierung“ (vgl. Budde 2012) von Unterschieden, Lernbarrieren bzw. Aspekten von Inklusion zu ermöglichen. Wenn sich Schule(Gesellschaft) inklusiv entwickeln soll, muss „Inklusion“ auch in die Köpfe derer, die eine inklusive Gesellschaft leben sollen.

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